Samstag, 8. Februar 2025

HildesheimPer Low Code zur Smart City

[26.11.2021] Die Stadt Hildesheim plant ein ambitioniertes Smart-City-Projekt. Dabei steht die digitale Resilienz im Fokus. Realisiert werden soll das Modellprojekt mittels einer Low-Code-Entwicklungsplattform.
Hildesheim nutzt für sein Smart-City-Modellvorhaben eine Low-Code-Entwicklungsplattform.

Hildesheim nutzt für sein Smart-City-Modellvorhaben eine Low-Code-Entwicklungsplattform.

(Bildquelle: peshkova/123rf.com)

Unter dem Motto „Ein analog-digitales Ökosystem für die resiliente Stadt“ wird in Hildesheim seit dem Spätsommer 2021 zusammen mit verschiedenen lokalen Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft ein ambitioniertes Smart-City-Projekt geplant. Im Mittelpunkt des Projekts steht die digitale Resilienz (wir berichteten).
Bestandteile der künftigen Smart City Hildesheim sollen unter anderem Lösungen für das Internet of Things (IoT) sein, welche die verschiedensten Servicebereiche der Stadt unterstützen sollen – basierend auf einem LoRaWAN (Long Range Wide Area Network), das für das gesamte Stadtgebiet geplant ist. Per Dashboard will die Stadt künftig zudem wesentliche Kerninformationen – beispielsweise aus den Bereichen Energieversorgung oder Mobilität – permanent in Echtzeit überwachen können. Das sowohl vom Bund wie auch vom Land Niedersachsen geförderte Modellprojekt soll mithilfe einer Low-Code-Entwicklungsplattform realisiert werden. Dies wurde schon im Förderantrag explizit festgelegt.

Programmieraufwand senken

Bei der Software-Entwicklung per Low Code stehen nicht mehr abstrakte Quellcodes, sondern visuelle Modellierungswerkzeuge und wieder verwendbare Templates oder Module im Fokus, die den Programmieraufwand spürbar senken. Dieser Ansatz, Anwendungen grafisch zu modellieren statt jede Code-Zeile manuell zu programmieren, ist zwar nicht völlig neu, durch Low Code hat er jetzt aber einen hohen Reifegrad erreicht – und verfügt sogar über das Potenzial, die Software-Entwicklung zu revolutionieren. Denn dank Low Code können versiertere Anwender Applikationen weitgehend selbst modellieren, ausführen und bereitstellen, die – bei kleineren IT-Anwendungen – auch auf Mobilgeräten nutzbar, skalierbar und wieder verwendbar sind.
Dabei müssen komplexe Applikationen wie Business-Strukturen oder Datenbanken nicht mehr aufwendig programmiert werden, sondern lassen sich einfach per drag-and-drop zusammenstellen. Gleichzeitig bieten professionelle Low-Code-Plattformen Entwicklungsexperten die Möglichkeit, bei Bedarf in den Quellcode einzugreifen und diesen zu modifizieren. Parallel zur Anwendungsentwicklung entsteht jeweils die Bedienoberfläche der Applikation, was die Entwicklungszeit weiter verkürzt. Durch offene Schnittstellen lassen sich bereits vorhandene IT-Anwendungen meist problemlos integrieren und bearbeiten, sodass Mitarbeiter weiterhin vertraute Systeme nutzen können.
Das Smart-City-Projekt für Hildesheim soll mit einer Low-Code-Development-Plattform realisiert werden wie sie etwa das Unternehmen Thinkwise für die Entwicklung besonders komplexer IT-Lösung und -Systeme anbietet. Ein eigens eingerichtetes städtisches Smart City Board wird ab Dezember 2021 mit der Detailplanung und Konzeption des Projekts beginnen und festlegen, welche einzelnen digitalen Anwendungen und Services für die künftige Smart City entwickelt und bereitgestellt werden sollen.

Interview: Hintergründe und Ziele

Als Mitglied des Smart City Boards arbeitet Frank Wuttke, Gründer und Geschäftsführer des in Hildesheim ansässigen IT-Systemhauses Compra, sozusagen im Maschinenraum an der Umsetzung des Modellprojekts. Im Interview erläutert er, welche Ziele die Stadt Hildesheim mit dem Low-Code-Ansatz verfolgt.

Herr Wuttke, welchen Nutzen und Mehrwert soll die Smart City Hildesheim ihren Bürgern, der lokalen Wirtschaft und der gesamten Stadtgesellschaft primär bieten?

#bild2 Mit der Smart City Hildesheim wollen wir die Voraussetzungen und Strukturen für die Teilhabe weiter Teile der Bevölkerung am digitalen Wandel schaffen oder zumindest deutlich verbessern. Etwa, indem wir allen Teilen der Gesellschaft digitale Lösungen möglichst barrierefrei zugänglich machen, um das ansonsten drohende Risiko einer sozialen Spaltung der Gesellschaft zu verringern. Denn Digitalisierungsprojekte für die gesamte Gesellschaft müssen von einer möglichst breiten Basis mitgetragen werden, sollen sie nützlich und erfolgreich sein. Bei der Bereitstellung digitaler Services ist in der öffentlichen Verwaltung noch viel Luft nach oben. Als Smart City lässt sich jeder Kontaktpunkt zwischen Bürgern und Stadt, bei dem es um Services oder um Bezahlung geht, zum Anlass nehmen, um die mit dem Kontaktpunkt verbundenen Prozesse hinsichtlich der Vorteile einer Digitalisierung zu prüfen.

Welche Aspekte machen das Smart City Modellprojekt der Stadt Hildesheim besonders interessant?

Besonders wichtig ist uns, Innovationskraft und Resilienz der Hildesheimer Lebenswelten – wie etwa Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur – zu steigern. Erreichen wollen wir dies durch ein hybrides Ökosystem, das einen situativen Wechsel zwischen den analogen und digitalen Ausprägungen der Lebenswelten ermöglicht. Denn nur ein ausgewogenes Verhältnis von analogen und digitalen Angeboten führt zu einer resilienten Stadtgesellschaft. Folglich dient die Digitalisierung dem Gemeinwohl dann am besten, wenn sie mit einer situativen Wahlmöglichkeit einhergeht, um eine umfassende, gemeinwohlorientierte Teilhabe zu ermöglichen. Wie wichtig eine solche systemische Resilienz ist, wurde insbesondere in der Corona-Pandemie überdeutlich.

„Software-Lösungen müssen künftig wesentlich schneller als bisher bereitgestellt werden können.“
Bei der Realisierung des Smart-City-Modellprojekts in Hildesheim setzen Sie vor allem auf Low-Code-Technologie. Warum spielt Low Code hier eine Schlüsselrolle?

Um Wirtschaft und Gesellschaft resilienter zu machen, müssen analoge und digitale Lebenswelten situationsgerecht verknüpft werden können. Wichtigste Voraussetzung hierfür ist, dass Software-Lösungen künftig wesentlich schneller als bisher bereitgestellt werden können. Deshalb muss der Weg von der Modellierung zur fertigen Software bei gleichzeitiger Reduktion der benötigten Skills viel kürzer werden. Dabei verfolgen wir zwei Lösungsprinzipien: Erstens bereichsübergreifende Software-Komponenten im Sinne von Cross-Innovation. Zwar ist das Prinzip der Programmierung wiederverwendbarer Komponenten nicht neu, die Wiederverwendbarkeit soll aber bereichsübergreifend ausgeweitet werden. So gibt es in verschiedenen Bereichen Prozesse, die sich – abstrakt betrachtet – ähneln. Wurde solch ein Prozess in einem Bereich bereits optimiert, kann diese Optimierung häufig auch in anderen Bereichen angewandt werden. Um dies zu ermöglichen, braucht es aber ein Verfahren, denn in der Regel „sprechen“ verschiedene Bereiche nicht miteinander und potenzielle Synergie-Effekte bleiben auf der Strecke.

Was ist der zweite Lösungsansatz, auf den Sie für die Smart City Hildesheim bauen?

Das zweite Lösungsprinzip ist der Einsatz so genannter Citizen Developer mittels Low-Code-Technologie. Dies ermöglicht es, dass die digitale Transformation nicht nur von IT-Experten mit tiefgehenden Programmierkenntnissen gestaltet und umgesetzt werden kann, sondern auch von interessierten Anwendern oder Mitstreitern, welche diese Skills nicht haben. So können wir nach dem Prinzip der Cross-Innovation den Austausch intensivieren, indem wir klassische Bereichsgrenzen und typische Datensilos überwinden.
Low-Code-Entwicklung hat hier den entscheidenden Vorteil des Rapid prototyping. Man kann also schnell etwas entwickeln, ausprobieren und verbessern. Also eine typisch agile Vorgehensweise, die schnell brauchbare Ergebnisse liefern kann.

Welche Low-Code-Entwicklungsplattform wollen Sie dafür nutzen?

Das steht im Moment noch nicht fest. Allerdings habe ich bei der Entwicklung anspruchsvoller Software-Lösungen bereits gute Erfahrungen mit der leistungsfähigen Entwicklungsplattform des niederländischen IT-Anbieters Thinkwise gemacht, die auf große Systeme ausgelegt ist. Ich weiß auch, dass andere Implementierungspartner in unserem Nachbarland mit dieser ausgereiften Technologie schon viele kommunale Digitalisierungsprojekte erfolgreich umgesetzt haben.

Welche Rolle spielt in diesem Kontext der wichtige Aspekt der IT-Sicherheit im Sinne von Security by Design?

Low-Code-Entwicklung hat viele Vorteile. Neben der Tatsache, dass generierter Code deutlich weniger Fehler enthält, weil es beispielsweise keine Flüchtigkeitsfehler geben kann, lassen sich Themen wie Sicherheit beim Zugriff auf die Daten sowie die lückenlose Protokollierung der Zugriffe und Datenmanipulationen durch Low-Code-Entwicklungsprozesse vollautomatisch umsetzen. Das führt dazu, dass die notwendigen Code-Zeilen, die für die Erfüllung der geforderten Sicherheitsmechanismen sorgen, nicht explizit vom Programmierer geschrieben werden müssen, weil das die Entwicklungsplattform tut. Entwickler können sich somit ganz auf die Fachlichkeit oder eigentliche Funktion konzentrieren und müssen sich nicht mit Infrastrukturfragen einer Software, wie eben Sicherheit und Protokollierung, beschäftigen. Diese Art von Querschnittsfunktionen kann man gewissermaßen schon als Teil der Cross-Innovation begreifen, weil sie sich grundsätzlich bei datenbankbasierter Software immer sehr ähnlich sind.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der geplanten Publikation zum Thema Low Code, die Anfang 2022 in der essentials-Reihe des Springer Vieweg Verlags erscheinen wird.

Detlev Spierling ist freier IT-Fachjournalist aus Oberursel (Taunus).




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