Mittwoch, 25. Dezember 2024

IT-SicherheitPotsdam zieht den Stecker

[15.03.2023] Ende 2022 nahm die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam ihre IT-Systeme vom Netz, um einer Cyber-Attacke zu entgehen. Bürgermeister Mike Schubert fordert mehr Unterstützung für die Kommunen durch Land und Bund. Andernfalls könnten diese IT- und Datensicherheit nicht mehr gewährleisten.
2020 und 2022 konnte die Stadt Potsdam durch eine schnelle Trennung vom Netz ihre Daten vor Cyber-Angriffen schützen. Schaden

2020 und 2022 konnte die Stadt Potsdam durch eine schnelle Trennung vom Netz ihre Daten vor Cyber-Angriffen schützen. Schaden, Aufwand und Kosten sind dennoch hoch.

(Bildquelle: Stadt Potsdam/Frank Daenzer)

Die Kette der Meldungen über Cyber-Angriffe auf Kommunen und auch Organisationen wie Hochschulen reißt nicht ab. Die Folgen beschäftigen die Betroffenen oft wochen- und monatelang. Kurz vor dem Jahreswechsel, am 29. Dezember 2022, hat es eine große Kommune und Landeshauptstadt erwischt: Nach Warnungen durch Landes- und Bundeskriminalamt vor einer bevorstehenden Cyber-Attacke nahm die Stadt Potsdam ihre IT-Systeme vorsorglich vom Netz. Betroffen waren der gesamte E-Mail-Verkehr der Verwaltung und sämtliche Verfahrenssoftware. Anträge für Ausweisdokumente, An- und Ummeldungen, Kfz-Angelegenheiten, standesamtliche Urkunden – nichts ging mehr. Auch die städtischen Unternehmen hatten aus Sicherheitsgründen ihre Internet-Verbindungen offline gestellt. „Im Potsdamer Rathaus war es zu Beginn der IT-Krise so, als hätte jemand virtuell die Tür verschlossen und den Schlüssel abgezogen“, beschreibt Oberbürgermeister Mike Schubert den Zustand.

Nach dem Angriff ist vor dem Angriff – 2020 und 2022

Im Januar 2020 gab es schon einmal ein Angriff auf Potsdams IT, der die Verwaltung längere Zeit lahmlegte. Auch damals hatte die brandenburgische Landeshauptstadt ihre Verbindung zum Internet präventiv gekappt. Bei dem Angriff hatten Hacker eine bereits bekannte Sicherheitslücke in der Citrix-Software genutzt. Citrix war auch schon bei anderen schwerwiegenden Attacken – etwa auf die Städte Frankfurt am Main und Bad Homburg, das Kammergericht Berlin oder die Universität Gießen – das Einfallstor.
In Potsdam ergab eine IT-forensische Untersuchung, dass die technischen Sicherheitssysteme den Citrix-Angriff erfolgreich abgewehrt hatten. Folgenlos war der Vorfall aber nicht: Noch ein Jahr später waren iKfz-Services und der Antrag zum Bewohnerparken offline. Auch die vollständige Aufarbeitung zog sich hin. Der Berliner Tagesspiegel berichtet im Januar 2023, also drei Jahre später, dass „nach wie vor offen“ sei, ob die von der DSGVO vorgesehene Dokumentation des Vorfalls abgeschlossen sei. Ob die unter dem Eindruck des Angriffs neu geschaffenen IT-Stellen inzwischen alle besetzt sind, ist nach Tagesspiegel-Angaben ebenfalls unklar.
Dennoch haben die Erfahrungen mit dem Citrix-Vorfall und die danach getroffenen Vorkehrungen dazu beigetragen, dass Potsdam bei dem neuerlichen Angriff im Dezember 2022 schnell reagieren konnte. Bei der Bewältigung der Lage habe der Verwaltungsstab auf Ausweich- und Bypass-Szenarien zurückgegriffen, die im Zuge des Vorfalls von 2020 erarbeitet wurden, heißt es von der Stadt. Auch die bereits erfolgte Dokumentation helfe bei der erneut notwendigen Überprüfung der Systeme.

Der lange Weg zurück ans Netz

Mit dem Erfahrungswissen von 2020 begann Potsdam sofort nach dem Vorfall im Dezember 2022 mit umfangreichen Sicherheitstests und machte sich daran, Ausweichlösungen zu schaffen. Mitte Januar 2023 konnte die Verwaltung wieder E-Mails empfangen, auch erste Dienste wurden hochgefahren. Nachdem kurz darauf ein Virenscanner anschlug, wurden die Server erneut vom Landesverwaltungsnetz Brandenburg getrennt, die E-Mail-Kommunikation wurde ab- und das Landeskriminalamt Brandenburg eingeschaltet. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass die besorgniserregende Symptomatik auf eine Fehlkonfiguration zurückging.
Im Verlauf des Monats Februar konnten dann tatsächlich eine Reihe von Bürgerdienstleistungen wieder angeboten werden, darunter so wichtige Leistungen wie Wohngeldanträge, standesamtliche Beurkundungen und die Abholung von Ausweisen. Bei den Leistungen rund ums Kfz räumt das Rathaus selbst noch mögliche Verzögerungen im Betriebsablauf ein. Um den inzwischen aufgelaufenen Rückstau an Vorgängen abzuarbeiten, ist in den kommenden Wochen und Monaten eine Aufstockung des Personals geplant.
Parallel zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Verwaltung arbeitete man in Potsdam an einer besseren Absicherung der IT. Viele Details sind dazu nicht bekannt, offenbar aus Sicherheitsgründen. Vorgesehen ist vor allem ein „dauerhafter Informations- und Statusabgleich mit angeschlossenen Netzen auf Landes- und Bundesebene“. Bei dieser 24/7-Überwachung der IT-Systeme wird Potsdam von einem externen Dienstleister unterstützt. Die Rund-um-die Uhr-Kontrolle sei in einer ersten Stufe bereits angelaufen und sei auch Bedingung für das sukzessive Wiederhochfahren der Netzwerke gewesen, so der Oberbürgermeister.

Aufarbeitung wird dauern

Das präventive Not-Aus für Potsdams Verwaltungsdienste im Dezember 2022 konnte einen Datenverlust oder Datendiebstahl verhindern – anders als in anderen Fällen, wo Bürgerdaten sogar im Darknet landeten. So beispielsweise geschehen nach einer Ransomware-Attacke auf die Verwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises (wir berichteten). In Potsdam ist die Verwaltung gut zehn Wochen nach dem Angriff zumindest in Teilen wieder arbeitsfähig, mit einer erneuten Abschaltung der Dienste wird vorerst nicht gerechnet. Dennoch sind die Folgen des Vorfalls noch lange nicht behoben.
Und es zeichnet sich ab: Ohne Hilfe von außen hätte die Landeshauptstadt die Lage wohl nicht bewältigen können. Nach Angaben des Rathauses waren an der Aufarbeitung zahlreiche externe Kräfte beteiligt. IT-Sicherheitsfirmen und IT-Forensiker, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in beratender und technisch unterstützender Funktion, das Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg, das LKA Brandenburg, der Brandenburgische IT-Dienstleister ZIT-BB, der Zweckverband Digitale Kommunen Brandenburg (DIKOM) und die Bundeswehr arbeiteten oder arbeiten mit. Dazu kommen hohe Kosten. Für die IT-Sicherheit rechnet die Stadt künftig zusätzlich mit zwei bis drei Millionen Euro im Jahr, um das derzeitige Sicherheitsniveau zu halten und perspektivisch weiterzuentwickeln.

Kommunen nicht alleine lassen

Gegen Cyber-Kriminalität könne man sich nicht abschotten, so Oberbürgermeister Schubert, sondern sich nur vorbereiten. Doch diese Vorbereitung erfordere erhebliche Anstrengungen. Kommunen könnten eine umfassende IT-Sicherheit auf adäquatem Niveau auf Dauer nicht alleine gewährleisten, betonte Schubert. Er appelliere an Land und Bund, für Kommunen mehr Geld bereitzustellen, aber auch langfristige Kooperationen und einen kontinuierlichen, ebenenübergreifenden fachlichen Austausch für die Cyber-Sicherheit zu garantieren. Datensicherheit sei eine elementare staatliche Aufgabe. Allerdings, so Schubert, werden die Kommunen diesen wichtigen Bestandteil der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger auf Dauer nicht alleine gewährleisten können. Auch das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, dem Schubert angehört, will sich noch einmal verstärkt mit der Diskussion um das Thema Datensicherheit und den Folgen der Digitalisierung befassen.

Sibylle Mühlke




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: IT-Sicherheit
Mann im eleganten Hemd von oben aufgenommen, er hält ein Tablet und tippt darauf..

Materna Virtual Solution: Sicheres ultramobiles Arbeiten

[18.12.2024] Das BSI hat Apples indigo und Samsungs Knox in diesem Jahr für den Einsatz bei Verschlusssachen zugelassen. Materna Virtual Solution sieht darin Vorteile für Behörden: mehr Sicherheit und Flexibilität und einen Zuwachs an geeigneten Fachanwendungen. mehr...

Eine Lichtschlossillustration mit Postumschlägen auf modernem Computerhintergrund.

SEP/Databund: Kooperation für IT-Sicherheit

[29.11.2024] SEP, Hersteller der Datensicherungslösung SEP sesam, ist jetzt Mitglied des Databund. Die in Deutschland entwickelte Backup-Lösung wird bereits von zahlreichen öffentlichen Institutionen eingesetzt. Mit dem Beitritt zu Databund will SEP den Austausch mit anderen Akteuren der öffentlichen Verwaltung fördern. mehr...

Von links halten Bastian Schäfer von der ekom21, Staatssekretär Martin Rößler und Prof. Dr.-Ing. Jörn Kohlhammer vom Fraunhofer IGD den Förderbescheid des Landes Hessen.

Fraunhofer IGD / ekom21: Cybergefährdungslagen visualisieren

[21.11.2024] Neue interaktive Visualisierungen von IT-Gefährdungslagen sollen in einem Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD und des IT-Dienstleisters ekom21 entstehen. Das vom Land Hessen geförderte Vorhaben berücksichtigt auch die Bedürfnisse kleinerer Institutionen wie Kommunen. mehr...

Modern eingerichteter Sitzungssaal mit weißen Tischen und Wänden.

Märkischer Kreis: Neue IT-Projekte im Fokus

[20.11.2024] Grünes Licht für die Haushaltsansätze im Bereich Digitalisierung und IT gab der Ausschuss für Digitalisierung und E-Government des Märkischen Kreises. Geplant sind Investitionen in IT-Sicherheit, Netzwerkinfrastruktur und den weiteren Ausbau digitaler Services. mehr...

Claudia Plattner (l.), Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), und Bundesinnenministerin Nancy Faeser präsentieren den Bericht zur Lage der IT-Sicherheit in Deutschland.

BSI: Bericht zur Lage der IT-Sicherheit

[12.11.2024] Die Bedrohungslage bliebt angespannt, die Resilienz gegen Cyberangriffe aber ist gestiegen. Das geht aus dem aktuellen Bericht zur Lage der IT-Sicherheit in Deutschland hervor, den das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nun vorgestellt hat. mehr...

LivEye: Sicherheitsüberwachung auf Weihnachtsmärkten

[08.11.2024] Für die Sicherheitsüberwachung auf Weihnachtsmärkten hat das Unternehmen LivEye ein neues Konzept entwickelt, das Datenschutz und effektive Gefahrenabwehr kombiniert. mehr...

Innenminister Roman Poseck eröffnete den Cybersicherheitsgipfel im Regierungspräsidium Darmstadt vor mehr als 100 Vertreterinnen und Vertretern südhessischer Kommunen.

Hessen: Höhere Cybersicherheit

[05.11.2024] Mit dem Aktionsprogramm Kommunale Cybersicherheit sollen hessische Kommunen umfassender in der IT-Sicherheit unterstützt und auf künftige Cyberangriffe vorbereitet werden. mehr...

Illustration: Stilisierter aufgeklappter Laptop mit Piratenfahne über dem Display, einen Ransomware-Angriff symbolisierend.

SIT: Ein Jahr nach dem Ransomware-Angriff

[04.11.2024] Ein Jahr nach der Cyberattacke auf die Südwestfalen-IT haben die Mitarbeitenden gemeinsam mit den IT-Teams betroffener Kommunen die Systeme wiederhergestellt. Um künftig besser gegen Cyberbedrohungen geschützt zu sein, fordert Geschäftsführer Mirco Pinske klarere gesetzliche Regelungen – etwa die Berücksichtigung kommunaler IT-Dienstleister in der NIS2-Richtlinie. mehr...

Screenshot eines pixeligen Bildschirms. Zu sehen ist auf dunklem Grund die hellblaue Schrift "Security", eine Mauszeigerhand zeigt darauf.

Sachsen-Anhalt: Mehr IT-Sicherheit für Kommunen

[04.11.2024] Um die Cybersicherheit in Sachsen-Anhalts Kommunen zu stärken, startete das Land gemeinsam mit dem BSI das Pilotprojekt SicherKommunal. Durch das Projekt sollen Städte, Landkreise und Gemeinden gezielt bei der Verbesserung ihrer IT- und Informationssicherheit unterstützt werden. mehr...

bericht

Lösungen: Cybersicherheit stärken

[13.09.2024] Die NIS2-Richtlinie bietet die Chance, die IT-Sicherheit auf ein deutlich höheres Level zu heben, ist aber auch mit Herausforderungen verbunden. Kommunen benötigen zudem Lösungen, die speziellen IT-Sicherheitsanforderungen genügen. mehr...

Zwei Versionen der Videokonferenzlösung Zoom haben ein IT-Sicherheitskennzeichen vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erhalten.

BSI: IT-Sicherheitskennzeichen für Zoom

[11.09.2024] Für zwei seiner Produkte hat der vielfach genutzte Videokonferenzdienst Zoom das IT-Sicherheitskennzeichen vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erhalten. Geprüft wurden unter anderem der Accountschutz, Rechenzentrumsbetrieb und das Update- und Schwachstellenmanagement. mehr...

Die Panelteilnehmenden des Vitako-Empfangs.
bericht

IT-Sicherheit: Feuerwehr und Firewall

[02.09.2024] Cyberattacken treffen immer öfter auch Verwaltungen. Um kommunale IT besser abzusichern, fordert Vitako eine Reihe von Maßnahmen: eine stärkere Vernetzung, mehr Mittel, den Ausbau des BSI zur Zentralstelle und die Schaffung eines regulativen Rahmens. mehr...

Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (2.v.r.) übergibt das LSI-Siegel „Kommunale IT-Sicherheit“ an die Stadt Schwandorf.

Schwandorf: Siegel für IT-Sicherheit

[29.08.2024] Die Stadt Schwandorf hat vom bayerischen Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) jetzt das Siegel „Kommunale IT-Sicherheit“ erhalten. mehr...

Mirco Pinske

Interview: Wertvolle Lehren gezogen

[14.08.2024] Nach dem umfassenden Cyberangriff arbeitet der IT-Dienstleister Südwestfalen-IT an einer strategischen Neuausrichtung. Im Kommune21-Interview berichtet Geschäftsführer Mirco Pinske, wie die Aufarbeitung vorangeht und welche Konsequenzen bereits gezogen wurden mehr...

In München kümmert sich jetzt eine eigene Hauptabteilung um die IT-Sicherheit.

München: Hauptabteilung für IT-Sicherheit

[02.08.2024] Die bayerische Landeshauptstadt München misst der IT-Sicherheit einen hohen Stellenwert bei. Um dies zu verdeutlichen, wurde im IT-Referat jetzt eine neue Hauptabteilung für Cybersecurity gegründet. Geleitet wird sie von Chief Information Security Officer Thomas Reeg. mehr...