InterviewProzess mit Wirkung
Herr Linke, die EU-Richtlinie 2014/55/EU verpflichtet alle öffentlichen Auftraggeber zur Annahme und Verarbeitung elektronischer Rechnungen bis zum Jahr 2018. Was bedeutet das für die kommunalen Verwaltungen in Deutschland?
Zunächst einmal verpflichtet die Richtlinie in Artikel 7 die Mitgliedstaaten der Europäischen Union – und somit auch Deutschland – den Empfang und die Verarbeitung elektronischer Rechnungen gesetzlich zu regeln. Dies wird aller Voraussicht nach in einer Novellierung des E-Government-Gesetzes geschehen. Die Tragweite der tatsächlichen Umsetzung in deutsches Recht ist folglich heute noch nicht abschätzbar. Es sind jedoch zumindest die Anforderungen der Richtlinie zu erfüllen. Das bedeutet: Wenn ein öffentlicher Auftragnehmer eine Rechnung elektronisch übermitteln möchte, muss die Verwaltung in der Lage sein, diese zu empfangen und elektronisch weiterzuverarbeiten. Dafür sind Verfahren zum Empfang elektronischer Rechnungen zu implementieren, vor allem jedoch die notwendigen Verwaltungsprozesse zu etablieren.
Die EU hat sich noch nicht auf ein Datenformat festgelegt. Welche Formate gibt es und lohnt es sich zu warten?
Derzeit wird in Deutschland das so genannte ZUGFeRD-Format stark diskutiert. Die Abkürzung steht für Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland. Im Gegensatz zu anderen Formaten hat der Nutzer hier sowohl die maschinell verarbeitbaren Daten als auch eine visuelle Darstellung in einer Datei. Infoma hat dieses Format bereits implementiert und gehört zu den Unterstützern des Forums. Letztlich ist das Format jedoch nur von nachgelagerter Bedeutung für die tägliche Arbeit. Moderne Verwaltungsfachverfahren wie newsystem werden die jeweils nötigen Formate implementieren. Entscheidend für ein erfolgreiches E-Rechnungsprojekt wird die nötige Prozesskompetenz sein. Die kann aber bereits heute zum größten Teil in der Verwaltung durch moderne Kontierungsprozesse Einzug halten – sei es mithilfe eines Kontierungsworkflows (KWF) oder eines elektronischen Anordnungswesens (eAO). Die ganzheitliche Einführung solcher Prozesse geht jedoch nicht von heute auf morgen. Zu warten lohnt also nicht.
In der öffentlichen Verwaltung sollen Medienbrüche abgebaut und Verwaltungsabläufe durchgängig digitalisiert werden. Welche Rolle spielt dabei die E-Rechnung?
Aus unserer Sicht hat die elektronische Rechnung noch nicht den Stellenwert, den sie eigentlich verdient. Beim Thema E-Government muss es letztlich um Verwaltungsprozesse mit Wirkung gehen. Um tatsächlich spürbare Veränderungen bei Bürgern und Unternehmen zu erzielen, sollten wir uns auf die Prozesse konzentrieren, die eine breite Masse an Betroffenen und eine Vielzahl an Fällen ansprechen. Der elektronische Rechnungsaustausch ist ein solcher Prozess. Wenn wir es hier schaffen, eine spürbare Vereinfachung für die Beteiligten zu ermöglichen, können wir auch von E-Government-Prozessen mit Wirkung sprechen.
Welche Schritte müssen folgen, um eine vollständig automatisierte Verarbeitung zu erreichen?
Bei der elektronischen Rechnungsverarbeitung ist das Erkennen der Rechnungsdaten kein Thema mehr. Alle benötigten Daten werden in einem sauberen Schnittstellenformat geliefert. Die Weiterverarbeitung kann direkt im Kontierungsprozess beginnen. Für uns ist derzeit vor allem interessant, was nicht in der elektronischen Rechnung übermittelt wird: Welcher Sachbearbeiter ist für die Prüfung der Rechnung zuständig? Welches Sachkonto sollte verwendet werden? Da gilt es, durch lernende Systeme auf Basis historischer Werte diese Fragen zu beantworten. Hier liegt unserer Meinung nach das große Potenzial der elektronischen Rechnung: Prozesse soweit zu automatisieren, dass die Sachbearbeiter sich auf das Wesentliche – die sachliche und rechnerische Prüfung – konzentrieren können.
„Die E-Rechnung hat noch nicht den Stellenwert, den sie eigentlich verdient.“
Welche Vorteile haben die Verwaltungen durch die Einführung elektronischer Rechnungen?
Das sind vor allem zwei Dinge: Zum einen die Möglichkeit, die internen Verwaltungskosten für die Erfassung und Verarbeitung signifikant zu senken und zum anderen mehr Komfort für die Wirtschaft zu bieten.
Inwieweit bietet Infoma den Kunden heute schon Unterstützung und was ist für die weitere Entwicklung zu erwarten?
Wie bereits gesagt, können die Kunden von Infoma bereits heute einen Großteil der Schritte hin zur elektronischen Rechnung durch die Einführung moderner Kontierungsprozesse gehen. Dazu bieten wir ihnen auch eine entsprechende Analyse der örtlichen Prozesse und eine darauf aufbauende Handlungsempfehlung an. Sie können sich zudem unserem Anwenderkreis zur elektronischen Rechnung anschließen. Hier werden im Rahmen laufender Pilotprojekte die oben gestellten Fragen und Verfahren gemeinsam mit dem Input unserer Kunden entwickelt.
Die EU-Richtlinie verpflichtet ja zunächst nur die Auftraggeber. Was geschieht, wenn keine oder nur wenige Auftragnehmer elektronische Rechnungen verschicken?
Ich denke, wir sollten die elektronische Rechnung nicht als gesetzliche Verpflichtung, sondern als Chance verstehen. Beispielsweise ist es sinnvoll, Verfahren zu entwickeln, die es Unternehmen ermöglichen, in einem in das Finanzwesen integrierten Online-Portal Rechnungsdaten zu erfassen und nebst Anhängen an die Verwaltung zu übertragen. Wir müssen also heute schon alles tun, damit die Auftragnehmer elektronische Rechnungen schicken. Gelingt das nicht, ist eine gesetzliche Anforderung ohne spürbaren Nutzen zu erfüllen.
Dieser Beitrag ist in der Juli-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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