MittelangelnProzesse selbst stricken

Amt Mittelangeln: Leuchtturm der Digitalisierung.
(Bildquelle: thosti57/stock.adobe.com)
Das Amt Mittelangeln ist die Verwaltungseinheit für die drei Gemeinden Mittelangeln, Schnarup-Thumby und Sörup im Kreis Schleswig-Flensburg. 43 Mitarbeitende kümmern sich hier um die Anliegen von rund 10.500 Bürgern. Viele Vorgänge erledigen sie noch von Hand oder mit Programmen wie Excel. Ronald Legant, der als Leitender Verwaltungsbeamter für die Verwaltung zuständig ist, verspricht sich von einer durchgängigen Digitalisierung einfachere und effizientere Prozesse für seine Mitarbeiter sowie für die Bürger und die Wirtschaft. Aber: „Ein schönes Online- Formular ins Internet zu stellen, ist noch keine Digitalisierung. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, das, was der Bürger dort abfragt oder eingibt, medienbruchfrei in die Verwaltung einzubringen und nach Möglichkeit automatisiert weiterzuverarbeiten“, meint Britta Lang, Amtsvorsteherin des Amts Mittelangeln und Bürgermeisterin der Gemeinde Mittelangeln.
Ressourcen schonende Digitalisierung
Zusammen mit dem IT-Verbund Schleswig-Holstein (ITV.SH) hat sich das Amt Mittelangeln um die Implementierung einer digitalen Prozess-Software für die Harmonisierung der Verwaltungsabläufe beworben. Ein maßgeblicher Grund hierfür sei die derzeit beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen angesiedelte Förderinitiative Heimat 2.0 gewesen, sagt David Nachtigall. Er leitet das Projekt in Mittelangeln und koordiniert die Projektarbeit mit dem ITV.SH, der die Kommunen Schleswig-Holsteins bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) unterstützt. Das OZG war aber nicht der Auslöser für die Digitalisierung in Mittelangeln, sondern höchstens der Grund, um diese noch intensiver zu verfolgen. „Wir haben uns zeitig auf den Weg gemacht und mit Dokumenten-Management, digitalem Rechnungsworkflow und den Tools für die Prozessmodellierung schon viele Voraussetzungen geschaffen“, sagt Britta Lang. An der Digitalisierung führe kein Weg vorbei, sie sei aber mit einem personellen und finanziellen Aufwand verbunden, für den eine kleine Verwaltung normalerweise keine Ressourcen habe. „Deshalb sind wir so glücklich über Heimat 2.0. Die politisch Verantwortlichen haben erkannt, dass für die Digitalisierung Mittel bereitgestellt werden müssen.“
Nachnutzung wird erleichtert
Nach Ansicht von Britta Lang wird die Digitalisierung oft durch die Vielfalt an Fachprogrammen für die verschiedenen Verwaltungsprozesse und die fehlenden Schnittstellen ausgebremst. Aus diesem Grund hat sich das Amt Mittelangeln für den Low-Code-Ansatz entschieden: „Eine Low-Code-Lösung bietet die Möglichkeit, sich ohne große Programmierkenntnisse und zu geringeren Kosten selbst seine Prozesse zu stricken“, sagt Lang. „Außerdem erleichtert sie die Nachnutzung der Anwendungen durch andere Kommunen.“
Im Rahmen der Ausschreibung entschied sich das Amt Mittelangeln für die Lösung Allisa des gleichnamigen Software-Herstellers. „Der große Vorteil von Allisa ist, dass es sich um eine fertige Plattform handelt, mit der man sofort loslegen kann“, sagt David Nachtigall. Insgesamt dauerte es nur 15 Arbeitstage, den ersten Prozess abzubilden, auch wenn sich diese über mehrere Monate verteilten.
Zeitaufwand deutlich reduziert
In den Kommunen gibt es Hunderte von kleineren Fachverfahren, die noch weitgehend manuell abgewickelt werden. Das Amt Mittelangeln konzentriert sich zunächst auf eine kleine Auswahl von ihnen, die einerseits nicht zu komplex sind, andererseits aber eine gewisse Häufigkeit haben, sodass sich die Nutzeneffekte auch bemerkbar machen. Bereits durchgängig digitalisiert ist der Genehmigungsprozess für die Plakatierung innerhalb der Ortsdurchfahrt – von der Beantragung über die Gebührenberechnung bis hin zur Erstellung des Bescheids. Obwohl der Prozess noch nicht vollautomatisch durchlaufen wird, hat sich der Zeitaufwand für die Antragsbearbeitung bereits um 50 bis 75 Prozent reduziert. „Meine Vision ist, dass die Daten aus Online-Anträgen künftig automatisch verarbeitet werden, sofern die Prozesse das zulassen“, sagt Britta Lang. „Das sollte das Ziel sein.“ Allisa hat im Vergleich zu anderen Low-Code-Plattformen den Vorteil, dass sich Prozessvarianten sehr einfach abbilden lassen, weil die Prozesse nicht sequenziell modelliert, sondern über Regelwerke beschrieben werden. Die Regeln hängen an bestimmten Prozesszuständen und legen fest, wann welche Aktion ausgeführt wird. Das bietet zum Beispiel die Möglichkeit, bei der Genehmigung der Plakatierung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie für Zirkusse in einer der drei Kommunen kostenfrei ist. Ist der Veranstalter also ein Zirkus und wird die Plakatierung für die betreffende Kommune beantragt, so wird die Aktion Gebührenberechnung übersprungen und direkt der Genehmigungsbescheid erstellt.
Übergreifender Austausch ist das Ziel
Grundsätzlich können Kommunen mit der Allisa-Plattform Prozesse zwar selbst digitalisieren, ohne über Programmierkenntnisse zu verfügen. Allerdings erfordert das Fachanwender mit einer gewissen Digitalaffinität, die geschult werden müssen. „Die Hoffnung, alles selbst machen zu können, hat sich bei uns noch nicht erfüllt, aber ich kann mir vorstellen, dass es bei größeren Verwaltungen dafür genug Leute gibt“, sagt David Nachtigall. Eine der Herausforderungen bestehe darin, dass die Bausteine gut konfigurierbar sein müssen, um sie möglichst einfach nachnutzen zu können, wie Britta Lang ergänzt: „Wir wollen ja etwas schaffen, das andere Kommunen ohne großen Aufwand übernehmen und schlank anpassen können.“ Die in Mittelangeln entwickelten Anwendungsbausteine anderen Kommunen Schleswig-Holsteins zur Verfügung zu stellen, ist Aufgabe des ITV.SH. Sie sollen auf der zentralen Plattform des IT-Verbunds bereitgestellt werden.
Das Amt Mittelangeln hofft, dass das Beispiel Schule macht und auch andere Kommunen ihre Prozesse vielleicht mit Allisa digitalisieren und zugänglich machen. Ziel sei ein übergreifender Austausch in beide Richtungen, wie Ronald Legant sagt: „Wir werden Deutschland ja nicht allein digitalisieren können.“
https://allisa.software
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar 2023 von Kommune21 im Schwerpunkt Low Code erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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