E-Government in EuropaSchweiz startet Aufholjagd
Ebenso wie Deutschland ist die Schweiz ein föderalistischer Staat: Drei Ebenen – Bund, Kantone und Gemeinden – teilen sich Macht, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen und -leistungen ist eine Querschnittsaufgabe, die fachbereichs- und staatsebenenübergreifend anzugehen ist. Die Zuständigkeit dafür ist in den jeweiligen Fachgesetzen verankert. So leisten Steuerpflichtige die Steuerabgaben bei ihrem Kanton, wo die ursprüngliche Befugnis zur Steuererhebung liegt. Entsprechend kümmern sich die Kantone auch um die Digitalisierung ihrer Steueranwendungen. Die Vereinheitlichung der amtlichen Personenregister wiederum, deren Führung vielfach den Kantonen oder Gemeinden obliegt, fällt seit dem Jahr 2006 in die Verantwortlichkeit des Bundes.
Beide Bereiche sind gelungene Beispiele für die Einführung elektronischer Verwaltungstätigkeit: Heute bieten alle Kantone die Möglichkeit zur elektronischen Steuererklärung für natürliche Personen, rund 70 Prozent der Steuerpflichtigen machen davon Gebrauch. Die Registerharmonisierung, die seit 2006 stattfand, erlaubt heute den effizienten elektronischen Datenaustausch zwischen den Staatsebenen. Bei der Steuer- und Registerdatenerhebung liegen eine klar geregelte föderale Zuständigkeit und eine hohe Nachfrage beziehungsweise ein hohes Geschäftsvolumen vor. In anderen Fällen behindern die bestehenden rechtlichen Grundlagen eine vollständige Digitalisierung, da sie beispielsweise eine eigenhändige Unterschrift zum Abschluss eines Behördengangs verlangen. Ein Schweizer Bundesgesetz zur Digitalisierung, das solche Hindernisse über Verwaltungsbereiche und Staatsebenen hinweg ausräumen könnte, existiert bislang nicht.
Gemeinsame Vorhaben vorantreiben
Auch die Zusammenarbeit im E-Government und die gemeinsame Umsetzung von Digitalisierungsprojekten basieren auf Freiwilligkeit. Auf dieser Grundlage haben Bund, Kantone und Gemeinden im Jahr 2008 die Organisation E-Government Schweiz gegründet, die gemeinsame Vorhaben vorantreibt, die verschiedenen Akteure koordiniert und den Austausch mit dem Ausland sicherstellt. Dazu gehört auch die Teilnahme an internationalen Studien. Im Vergleich mit Deutschland und Österreich positioniert sich die Schweiz in vielen Fragen in der Mitte – vor Deutschland und hinter Österreich. Im globalen Vergleich vermochte das Land in den vergangenen Jahren aufzuschließen und sich unter den besten 15 Nationen zu platzieren. Im europäischen Vergleich liegt die Schweiz hingegen im hinteren Feld – insbesondere, was die Verfügbarkeit von Basisdiensten wie einer staatlich anerkannten elektronischen Identität (eID) betrifft.
Bevölkerung mit Online-Angebot zufrieden
Dennoch zeigen sich fast drei Viertel der Schweizer Bevölkerung zufrieden mit dem E-Government-Angebot ihrer Verwaltung. Das haben repräsentative Erhebungen des DACH-Vergleichs und der Nationalen E-Government-Studie ergeben, welche E-Government Schweiz seit dem Jahr 2017 zusammen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft herausgibt. Zu erklären ist dies einerseits durch den stark ausgeprägten Föderalismus der Schweiz. So liegt zwar keine nationale, staatlich anerkannte eID vor, viele Kantone und Gemeinden bieten ihren Einwohnern aber die Mittel, um sich auf ihren Online-Anwendungen sicher zu authentifizieren. Dies können internationale Studien, die Vergleiche auf Staatsebene vornehmen, nicht abbilden. Andererseits geben 66 Prozent der Schweizer Bevölkerung gemäß der Nationalen E-Government-Studie 2019 an, den Online-Diensten der öffentlichen Verwaltung bezüglich Persönlichkeits- und Datenschutz sehr großes oder eher großes Vertrauen entgegenzubringen; eine gute Basis für eine wohlwollende Beurteilung des E-Government-Angebots. Die Verwaltung sollte aber nicht auf die unverrückbare Zufriedenheit ihrer Bevölkerung mit den elektronischen Dienstleistungen zählen. Denn diese ist im Mehrjahresvergleich rückläufig: 2014 lag sie noch 14 Prozentpunkte höher als heute. Zudem wird die derzeitige Nachfrage der Bevölkerung und insbesondere der Unternehmen nach behördlichen Online-Diensten durch das bestehende Angebot nur teilweise gedeckt.
Handlungsfelder für die weitere digitale Transformation
E-Government Schweiz will daher mit der E-Government-Strategie 2020–2023, deren Entwurf Bund, Kantonen und Gemeinden momentan zur Konsultation vorliegt, vier zentrale Handlungsfelder für die weitere digitale Transformation der Verwaltung angehen: Das verfügbare Online-Angebot soll ausgebaut werden. Basisdienste wie eine elektronische Identität müssen auf nationaler Ebene etabliert werden. Das entsprechende Gesetz für eine staatlich anerkannte eID wird momentan im Schweizer Parlament beraten. Die Zusammenarbeit im E-Government muss für eine beschleunigte Umsetzung in allen Teilen des Landes verbindlich geregelt werden. Und das Vertrauen in die Tätigkeit der Verwaltung ist zu festigen. Denn auch dieses ist, wie die aktuell sehr kritische Debatte zu E-Voting zeigt, keinesfalls unerschütterlich.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe August 2019 von Kommune21 im Schwerpunkt E-Government in Europa erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Digitalisierung: Blick in die Glaskugel
[07.01.2025] Agil, bürokratiearm und Ende-zu-Ende digitalisiert – so sollen die Kommunalverwaltungen im Jahr 2030 aussehen. Im Moment sind sie davon aber oft noch weit entfernt. Sind die gesetzten Ziele realistisch? mehr...
Brandenburg: OZG-Umsetzung auf Kurs
[19.12.2024] In seiner OZG-Bilanz meldet Brandenburg für 2024 deutliche Fortschritte: 100 neue digitale Verwaltungsdienste wurden eingeführt, insgesamt sind nun 650 verfügbar. Fördermittel und Kampagnen unterstützen Kommunen bei der Digitalisierung. mehr...
Digitalisierung: IT-Budgets zusammenziehen
[18.12.2024] Dr. Martin Hagen, Staatsrat beim Senator für Finanzen in der Freien Hansestadt Bremen, spricht über seine Vorschläge zur Registermodernisierung und fordert mehr Zentralisierung bei der Steuerung und Budgetierung von IT-Großprojekten. mehr...
Digitale Bildung: Dem DigitalPakt 2.0 einen Schritt näher
[17.12.2024] Bundesbildungsminister Cem Özdemir und die Bildungsministerkonferenz der Länder (Bildungs-MK) haben eine Vereinbarung über den DigitalPakt Schule 2.0 getroffen. Dieser sieht eine Investition von insgesamt fünf Milliarden Euro vor, die gleichmäßig zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. mehr...
Niedersachsen: Initiative für Kommunen
[05.12.2024] Von der Bestandsaufnahme bis zur Umsetzung von Maßnahmen unterstützt die Initiative Digitale Kommune Niedersachsen Verwaltungen bei ihrem Transformationsprozess. Das vom Land initiierte Projekt soll außerdem die Herausforderungen in der Praxis offenlegen. mehr...
Rheinland-Pfalz: Erfolg durch Kooperation
[18.11.2024] Der digitale Wandel dient den Menschen, sagt Staatssekretär Denis Alt. Im Interview mit Kommune21 spricht der neue rheinland-pfälzische CIO und CDO über die Umsetzung der Digitalstrategie des Landes. mehr...
Potsdam: Fachbereichsleiterin für E-Government bestätigt
[12.11.2024] Potsdams Stadtverordnete haben Melitta Kühnlein als neue Leiterin des Fachbereichs E-Government bestätigt. Kühnlein ist seit Anfang 2021 in leitender Funktion im IT-Bereich der Stadtverwaltung tätig. mehr...
Baden-Württemberg: Änderung der Gemeindeordnung verabschiedet
[11.11.2024] Der Landtag von Baden-Württemberg hat jetzt eine Änderung der Gemeindeordnung verabschiedet, die Kommunen in administrativen Abläufen entlastet und die finanzielle Berichterstattung vereinfacht. mehr...
Hannover: Fonds für digitalen Fortschritt
[30.10.2024] Hannover setzt mit einem 48-Millionen-Euro-Digitalisierungsfonds auf die umfassende Modernisierung seiner Verwaltungsprozesse. Ziel ist ein digitales Rathaus, das Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen effiziente, benutzerfreundliche Services bietet. Die IT-Strategie umfasst dazu digitale Souveränität und Kosteneffizienz. mehr...
Digitalisierung: Dresdner Forderungen 2.0
[22.10.2024] Die Fachgruppe Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik hat 20 Thesen zum digitalen Wandel formuliert. Die Forderungen zielen darauf ab, die Verwaltung effizienter, zukunftssicherer und bürgerfreundlicher zu machen. mehr...
Liechtenstein: Mit Pragmatismus und Agilität
[14.10.2024] Liechtenstein hat auf dem Weg zum Smart Country bereits eine beeindruckende Entwicklung zurückgelegt. Das ist nicht zuletzt vielen mutigen Entscheidungen und einer gehörigen Portion Pragmatismus geschuldet. mehr...
Smartes Rhein Main 2030: Gemeinsame Vision
[02.10.2024] Eine gemeinsame Vision für ein smartes Rhein-Main-Gebiet haben die Städte Frankfurt am Main, Wiesbaden und Darmstadt erarbeitet. Im Interview erklären die CIOs Eileen O’Sullivan, Maral Koohestanian und Holger Klötzner, was konkret geplant ist. mehr...
Deutscher Landkreistag: Achim Brötel ist neuer Präsident
[11.09.2024] Der Deutsche Landkreistag (DLT) hat einen neuen Präsidenten gewählt: Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, tritt die Nachfolge von Reinhard Sager an, der das Amt zuvor zehn Jahre lang innehatte. mehr...
Essen: Charta Digitale Ethik verabschiedet
[04.09.2024] In ihrer Charta Digitale Ethik hat die Stadt Essen die Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Technologien in der Stadtverwaltung festgelegt. Das soll insbesondere für einen ethisch verantwortungsvollen Umgang mit Künstlicher Intelligenz sorgen. mehr...
Ulm: Innovationsmotor gestartet
[23.08.2024] Um ihre Digitale Agenda mit kreativen Köpfen aus der Region umzusetzen, hat die Stadt Ulm den Innovationsmotor gestartet – einen Ideenwettbewerb insbesondere für junge Unternehmen. Runde eins hat der digitale Begleiter für Angsträume gewonnen. mehr...