HerneSilos aufbrechen

Pierre Golz treibt die Digitalisierung in Herne voran.
(Bildquelle: Thomas Schmidt/Stadt Herne)
Wenn die Digitalisierung ein Restaurantbesuch wäre, wären wir gerade beim Gruß aus der Küche – dieses Zitat von Amazon-Deutschland-Chef Ralf Kleber verdeutlicht wie kaum ein zweites, wie gravierend sich die Welt in den kommenden Jahrzehnten verändern wird. Betrachtet man die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts der vergangenen 15 Jahre und aktuell aufkommende Trends wie künstliche Intelligenz, Augmented und Virtual Reality, Robotik oder das rasante Wachstum des Internets der Dinge, so lässt sich nur vage erahnen, welche Chancen und Herausforderungen uns in Zukunft erwarten.
Hierzu wurde auf einer Veranstaltung ein weiteres schönes Bild bemüht: Wenn bei einer Popcorn-Tüte in der Mikrowelle der Siedepunkt erreicht ist, entsteht erst aus einem einzelnen Maiskorn ein Popcorn, dann zwei gleichzeitig, bis hin zum exponentiellen Wachstum. So wird es auch mit der Digitalisierung sein. Die aktuellen Trends und Entwicklungen sind lediglich die Vorboten dessen, was noch auf uns zukommt.
Wahrscheinlich kann sich niemand mehr eine Welt ohne digitale Angebote vorstellen: Ob in der Medizin, beim Einkaufen oder in der Kommunikation, die Digitalisierung prägt als echter Megatrend all unsere Lebensbereiche.
Eigenen Weg finden
Auch die nordrhein-westfälische Stadt Herne hat sich entschieden, ihre Digitalisierungsbestrebungen zu forcieren. Aus diesem Grund wurde zum 1. Oktober 2018 die Stabsstelle Digitalisierung eingerichtet. Seit rund sechs Monaten habe ich die Aufgabe, den Digitalisierungsprozess in Herne voranzutreiben und die Stadt für die digitale Zukunft zu rüsten. In einem höchst volatilen Feld sind Kommunen gut beraten, nicht jedem Trend hinterherzulaufen. Aus meiner Sicht geht es aktuell vielmehr darum, Verwaltung, Unternehmen und Bürger auf das vorzubereiten, was uns heute noch gar nicht in den Sinn kommen mag.
Ich habe schnell festgestellt, dass es bei der Digitalisierung der Kommunen, wie auch der Gesellschaft insgesamt, keinen Königsweg gibt, kein Rezept, keine Masterformel. Jede Verwaltung sollte deshalb ihren eigenen Weg finden, auf vorhandenen Stärken aufbauen und das Ökosystem Kommune neu ausrichten.
Eines sollte man bei all den Visionen, Strategieprozessen, Projekten und Vorhaben nicht vergessen: die Beteiligten. Denn bei allen Digitalisierungsbestrebungen entscheidet letztlich der Mensch über Erfolg oder Misserfolg der Maßnahmen. Wichtig ist nämlich, dass die entsprechenden Vorhaben tatsächlich umgesetzt, akzeptiert und genutzt werden. Ich kann aus meiner Erfahrung nur empfehlen, die Digitalisierung als Wandel zu verstehen, bei dem das Change Management eine zentrale Rolle spielen sollte.
Nachhaltige Strukturen etablieren
Die ersten sechs Monate meiner Tätigkeit in Herne waren geprägt von der Etablierung nachhaltiger Strukturen. Meines Erachtens ist es entscheidend, eine breite Kommunikation nach innen und außen sicherzustellen und den Rat sowie die Fachausschüsse aktiv einzubinden. Der Rat der Stadt Herne beispielsweise hat einen Arbeitskreis Digitalisierung zur Schaffung von Transparenz, Beteiligung und Austausch ins Leben gerufen. Diesem Arbeitskreis gehören auch Schlüsselfunktionen der Verwaltung an: neben der Stabsstelle für Digitalisierung sind das die IT-Leitung und die Personalführung. Es werden die Bestrebungen der Stadt diskutiert und Anregungen für die tägliche Arbeit der Kommune gegeben.
Im vergangenen halben Jahr sind außerdem erste Projekte realisiert worden, andere befinden sich in der Durchführung. Dabei haben wir stets darauf geachtet, uns möglichst breit aufzustellen und die unterschiedlichen Stellen innerhalb des Konzerns Stadt einzubeziehen. Ein Beispiel ist der so genannte DataHub. Gemeinsam mit der Gründerallianz Ruhr, einem Spezialisten-Team mit internationalem Netzwerk aus der digitalen Start-up-Szene, haben wir uns auf den Weg gemacht, den Datenschatz der Stadt Herne zu heben. Dabei haben wir schnell erkannt, dass die Herausforderungen der Gegenwart mit dem alten Silodenken des Konzerns Stadt nicht bewältigt werden können. Insgesamt lässt sich festhalten, dass erst durch das Aufbrechen der Silos sowie durch interdisziplinäres Denken, das in der Vergangenheit im Verwaltungsalltag kaum vorkam, die Potenziale der Digitalisierung ausgeschöpft werden können. Das erfordert einen Kulturwandel, Zeit und Ressourcen fernab des Alltagsgeschäfts. Mein Rat ist hier folgender: klein anfangen, neue Formen der Zusammenarbeit ausprobieren und Freiräume für kreatives Denken schaffen.
Treiber der Digitalisierung werden
Auch die interkommunale Denkweise gewinnt immer mehr an Bedeutung. Um mit den zunehmend rasanten, globalen Entwicklungen mithalten zu können, bedarf es nicht nur agilerer Strukturen oder Partizipation. Es sind vor allem Kooperationen gefragt. Übergeordnete gemeinsame Strukturen werden immer wichtiger, um interkommunal Lösungen erarbeiten zu können. Die Leistungen der Nachbarkommunen unterscheiden sich meist nicht wesentlich von den eigenen. Interkommunale Ansätze oder sogar Spezialisierungen ermöglichen es, gemeinsam besser und schneller voranzukommen und dabei wirtschaftlicher zu handeln.
Meine Einschätzung nach den ersten sechs Monaten meiner neuen Tätigkeit ist aber auch, dass der öffentliche Dienst insgesamt unglaubliche Potenziale besitzt, Treiber der Digitalisierung zu werden. Umso wichtiger wäre es, gut eingespielte Strukturen vorweisen zu können, wenn es richtig losgeht – getreu der Maiskörner in der Mikrowelle.
Daher möchte ich mit einem Zitat aus unbekannter Quelle schließen: Es gibt nur zwei Dinge, die du falsch machen kannst: aufhören oder gar nicht erst anfangen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2019 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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