Samstag, 9. November 2024

IPSASSorgfalt statt Vorsicht

[30.03.2016] Internationale Rechnungslegungsstandards sollen für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit der Finanzdaten des öffentlichen Sektors in Europa sorgen. Was bringt den Kommunen die Umstellung auf europäische Standards und wo liegen die Unterschiede zur Doppik?
Die Umstellung auf europäische Rechnungsführungsstandards birgt Chancen und Risiken.

Die Umstellung auf europäische Rechnungsführungsstandards birgt Chancen und Risiken.

(Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation)

Die Einführung europäischer Rechnungsführungsstandards – kurz EPSAS (European Public Sector Accounting Standards) – für den öffentlichen Bereich wird von der Europäischen Statistikbehörde Eurostat vorangetrieben. Basis der EPSAS sollen nach Auffassung der EU-Kommission die International Public Sector Accounting Standards (IPSAS) sein. Die IPSAS umfassen aktuell 38 Standards zur Periodenrechnung. Die IPSAS gehen auf die angelsächsische Rechnungslegungstradition zurück. Deren Ziele sind die Bereitstellung von realistischen und entscheidungsrelevanten Informationen zur Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Erfolgslage von Einheiten für Kapitalanleger. Sie referenzieren auf die IFRS (International Financial Reporting Standards), die für kapitalmarktorientierte Unternehmen, auch für die europäischen Mitgliedstaaten, verbindlich anzuwenden sind. Die kommunale Doppik orientiert sich am Handelsgesetzbuch (HGB) und soll die Generationengerechtigkeit der Haushaltswirtschaft sicherstellen. Bestandteile des Jahresabschlusses nach IPSAS sind: Bilanz, Erfolgsrechnung, Finanzrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung, Plan-Ist-Vergleich, Segmentberichterstattung und umfassende Angaben im Anhang.

Kommunales Haushaltsrecht versus IPSAS

Gegenüber der Doppik sind damit die Eigenkapitalveränderungsrechnung und der umfassende Anhang zusätzlich zu ermitteln. Die Bilanz nach IPSAS ist grundsätzlich nach Fristigkeit oder alternativ nach dem Liquiditätsgrad darzustellen. Bei den Bewertungsgrundsätzen gibt es zwischen den beiden Rechnungslegungskonzepten grundlegende Unterschiede. Das Vorsichtsprinzip und die Bewertung nach Anschaffungs-/Herstellkosten hat bei den IPSAS eine geringere Bedeutung als im Gemeindehaushaltsrecht. Vorsicht bedeutet nach IPSAS Sorgfalt bei Ermessensentscheidungen und nicht die Anwendung des Imparitäts- oder Realisationsprinzips, welches eine Konkretisierung des Vorsichtsprinzips in der Rechnungsführung darstellt (§ 252 HGB). Bei der Bewertung der Vermögenswerte (Sachanlagen) kann nach IPSAS 17 neben den Anschaffungs- oder Herstellkosten bei einer Folgebewertung auch nach dem beizulegenden Zeitwert (Fair Value) bewertet werden. Dieses Wahlrecht kennt das kommunale Haushaltsrecht nicht. Änderungen der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie die Berichtigung von Fehlern sind nach IPSAS retrospektiv anzuwenden, während dies nach Gemeindehaushaltsrecht in der Regel im laufenden Abschluss erfolgt. Ein weiterer Unterschied der IPSAS zum Haushaltsrecht der Kommunen besteht in der Berechnung der Pensionsrückstellungen. Nach IPSAS 25 werden diese nach dem Anwartschaftsbarwertverfahren unter Berücksichtigung des Marktzinssatzes ermittelt. In der kommunalen Doppik werden die Pensionsrückstellungen nach dem Teilwertverfahren berechnet. Der anzuwendende Zinssatz orientiert sich dabei an dem, der in den Vorschriften des Einkommenssteuergesetzes berücksichtigt ist. Die unterschiedlichen Berechnungsmethoden der Pensionsrückstellungen führen in der Bilanzierung auf der Passivseite der Bilanz nach IPSAS zu höheren Ansätzen gegenüber der Doppik.

Kommunale Jahresabschlüsse nach IPSAS – was ändert sich?

Im Vergleich der Anwendung der beiden Rechnungssysteme – kommunales Haushaltsrecht und IPSAS – lassen sich Auswirkungen auf die Bilanzsumme und das Jahresergebnis feststellen. Die Pflicht und Möglichkeit, die Sachanlagen bei einer Erst- und Folgebewertung nach dem beizulegenden Zeitwert zu bewerten, kann zu einer Erhöhung dieser Bilanzposition und damit zu einem Wertzuwachs führen. Ausnahme ist hier das Bundesland Nordrhein-Westfalen, das als einziges in der Eröffnungsbilanz die Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens zu vorsichtig geschätzten Zeitwerten bewertet. Daraus ergeben sich gegenüber den Kommunen anderer Bundesländer höhere Abschreibungen sowie die Auflösung von Sonderposten. Die Reduzierung der Auflösungserträge führt bei der Anwendung der IPSAS zu einer Ergebnisverschlechterung. Auch bei den finanziellen Vermögenswerten ergeben sich unter IPSAS Anpassungen gegenüber dem Abschluss nach der kommunalen Doppik. Beteiligungen sind gemäß Gemeindehaushaltsrecht vorrangig nach Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bewerten. Nach IPSAS ist die Equity-Methode (fortgeschriebener Beteiligungsbuchwert: Equity-Wert) anzuwenden. In der Folge kann sich der Buchwert der Beteiligungen in jeder Periode ändern. Finanzanlagen wie Wertpapiere oder Derivate werden bei der Erstbewertung zum beizulegenden Zeitwert angesetzt. Dies gilt auch für die Folgebewertung mit Ausnahme von Darlehen und Forderungen, die bis zur Fälligkeit gehalten werden, und Finanzinvestitionen, für die kein börsennotierter Marktwert vorliegt und der beizulegende Zeitwert nicht verlässlich ermittelt werden kann. Auf der Passivseite sind vor allem die Auswirkungen der Bewertung der Pensionsrückstellungen nach dem Anwartschaftsbarwertverfahren zu nennen. Bei der Einführung von EPSAS auf der Basis von IPSAS ist ein höherer Rückstellungsbetrag für die Pensionsverpflichtungen zu bilanzieren, das Eigenkapital vermindert sich. Die buchhalterische Belastung der Kommunen kann weiter ansteigen. Die Aufstellung von zwei kommunalen Gesamtabschlüssen nach IPSAS hat bisher gezeigt, dass sich die Jahresergebnisse tendenziell gegenüber der Doppik verschlechtern können.

Mehrwert der Umstellung auf europäische Standards

Mit der Einführung von europäischen Rechnungsführungsstandards sind Chancen und Risiken, Kosten und Nutzen verbunden. Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag von Eurostat hat ergeben, dass für Deutschland die Gesamtkosten zwischen 346 Millionen und 2,35 Milliarden Euro liegen können. Der Nutzen ist schwer quantifizierbar und liegt unter anderem in der Schaffung von Transparenz und Effizienz sowie der Harmonisierung verschiedener Rechnungsführungssysteme von Bund, Ländern und Kommunen. Da die deutschen Kommunen bereits in der Mehrheit der Länder auf ein periodengerechtes Rechnungswesen umgestellt haben, ist der Nutzen eher fraglich, die Umstellung aber ist mit unterschiedlich großem Aufwand zu bewältigen. Durch die Einführung der kommunalen Doppik liegen Erfahrungen vor, die leider im Diskussionsprozess auf der EU-Ebene bisher keine Berücksichtigung finden.

Andrea Stertz ist Referentin im Programmbereich Finanz-Management der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), Köln.




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