Dienstag, 11. Februar 2025

InterviewSpielräume schaffen

[01.10.2014] Die kommunalen Gestaltungsspielräume zu verbessern, sieht Reinhard Sager, Landrat des Kreises Ostholstein und Präsident des Deutschen Landkreistags, als vordringliche Aufgabe der nächsten Jahre. Dies könne auch helfen, den Breitband-Ausbau voranzutreiben.
Reinhard Sager ist Landrat des Kreises Ostholstein und Präsident des Deutschen Landkreistags.

Reinhard Sager ist Landrat des Kreises Ostholstein und Präsident des Deutschen Landkreistags.

(Bildquelle: Deutscher Landkreistag)

Herr Landrat Sager, Sie sind seit März dieses Jahres neuer Präsident des Deutschen Landkreistags (DLT). Welche Schwerpunkte möchten Sie in Ihrer Amtszeit setzen?

Grundsätzlich gilt es, die kommunale Selbstverwaltung zu sichern und zu stärken. Wir müssen für die Bürger erfahrbarer verdeutlichen, welchen Wert die eigenverantwortliche Gestaltung der örtlichen Verhältnisse darstellt. Dazu bedarf es aber überhaupt entsprechender Gestaltungsspielräume. Diese sind nach wie vor begrenzt. Ursache hierfür ist eine seit Langem zu beklagende systematische Unterfinanzierung der Kreise, Städte und Gemeinden. Nach wie vor steigen insbesondere die Ausgaben im Sozialbereich stetig. Das ist insofern problematisch, als die Kommunen diese Ausgaben nicht maßgeblich beeinflussen können. Deshalb muss die im Koalitionsvertrag zugesagte grundsätzliche kommunale Entlastung in Höhe von fünf Milliarden Euro jährlich spätestens ab dem Jahr 2018 umgesetzt werden. Nur so können wir die notwendigen Investitionen in Infrastrukturen – ob bei Straßen oder beim Breitband-Ausbau – vornehmen. Daneben brauchen wir eine grundsätzliche Verbesserung der kommunalen Einnahmesituation. Bislang ebenfalls nicht ausreichend gelungen ist es, den Gedanken der Subsidiarität – das heißt, die Dinge dort eigenverantwortlich zu erledigen, wo es am sinnvollsten ist – in den Köpfen insbesondere der Bundespolitiker zu verankern. Nach wie vor beklagen wir zu viele und zu restriktive Vorgaben, Prüfbefugnisse, Einwirkungen und Mischverwaltungstatbestände.

Wie kann E-Government helfen, die Herausforderungen zu bewältigen?

Bereits das breite Spektrum der skizzierten Herausforderungen macht deutlich, dass es eine Patentlösung für alle kommunalen Problemlagen nicht geben kann. Auch E-Government ist kein Allheilmittel, aber es kann einen wirksamen Beitrag leisten, um zum Beispiel geografische Disparitäten auszugleichen. Ich möchte exemplarisch nur auf die wichtigen Infrastrukturthemen Gesundheitsversorgung und Schulversorgung im ländlichen Raum hinweisen.

Welche Trends sehen Sie beim E-Government, auf welchen Aspekten wird der Fokus der Kommunen liegen?

Unser Handeln ist kein Selbstzweck, es hat sich stets an den Interessen und Bedürfnissen der Bürger und der Wirtschaft zu orientieren, die eine effiziente, kostengünstige, kundenorientierte und bürgernahe Verwaltung erwarten. Der überwiegende Teil der öffentlichen Verwaltung wird von Kommunen erbracht, die sich darauf einzustellen haben, dass Anträge medienbruchfrei elektronisch gestellt und Genehmigungen ebenso erteilt werden. Mobile Endgeräte sind aus dem Alltagsleben nicht mehr fortzudenken und gehören zum Standard ehrenamtlich tätiger kommunaler Mandatsträger. Wer seine Privatgeschäfte online abwickelt, will sich in der Kfz-Zulassungsstelle nicht in die Warteschlange stellen. In diesem Kontext stellt sich aber auch die Frage nach der IT-Sicherheit und dem Vertrauensschutz des Bürgers für seine Daten.

Welche Akzente kann hier das Pilotprojekt Modellkommunen E-Government setzen, das die kommunalen Spitzenverbände gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium gestartet haben?

Das Pilotvorhaben Modellkommunen E-Government will die Potenziale des E-Government-Gesetzes (EGovG) des Bundes auf kommunaler Ebene aufzeigen und es mit Praxiserfahrungen begleiten. Ich bin erfreut über die große Resonanz, die der Teilnehmeraufruf der kommunalen Spitzenverbände gefunden hat. Für die zweite Staffel haben sich Landkreise aus allen Bundesländern beworben. Nach dem Startschuss Anfang 2014 mit dem Kreis Cochem-Zell sind kürzlich der Ortenaukreis und der Heidekreis ausgewählt worden. Ich verspreche mir wertvolle Erkenntnisse für die Umsetzung von E-Government-Anwendungen, die allen Kommunen in Deutschland zugutekommen.

„Wir benötigen eine deutliche Aufstockung der für den Breitband-Ausbau zur Verfügung gestellten Fördermittel.“
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen des EGovG für die Kommunen?

Der Deutsche Landkreistag hat das E-Government-Gesetz von Beginn an positiv begleitet und dessen Verabschiedung begrüßt. Positive Auswirkungen erhoffen wir uns insbesondere durch die erweiterten Möglichkeiten zum Ersatz der Schriftform. Ein weiterer Aspekt liegt in der Impulswirkung eines solchen Bundesgesetzes. Wir erwarten, dass die Bundesländer nunmehr zeitnah eigene E-Government-Gesetze auf den Weg bringen, die unter Beteiligung der jeweiligen kommunalen Spitzenverbände verstärkt Fragestellungen der elektronischen Akte, Archivierung und De-Mail aufgreifen und einer gemeinsamen landesweiten Lösung zuführen.

Der DLT will unter anderem den Breitband-Ausbau forcieren. Was planen Sie konkret, um den Kommunen hierbei unter die Arme zu greifen?

Der Deutsche Landkreistag setzt sich seit Jahren intensiv für das Ziel einer wirklich flächendeckenden Versorgung auch des ländlichen Raums mit hochleistungsfähigen Breitband-Anschlüssen ein. Unsere Aufgabe auf Bundesebene ist es dabei vor allem, die diesbezüglichen Interessen gegenüber der Bundesregierung sowie den Telekommunikationsunternehmen wahrzunehmen. Ich selbst gehöre beispielsweise der AG 8 des Nationalen IT-Gipfels an, die sich unter Leitung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, mit dem Breitband-Ausbau beschäftigt.

Wie beurteilen Sie den Vorstoß der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, die beim Bundestag einen Antrag auf „Schnelles Internet für alle“ eingereicht haben?

Der von den Regierungsfraktionen im Bundestag eingebrachte Entschließungsantrag „Moderne Netze für ein modernes Land – Schnelles Internet für alle“ (BT-Drs. 18/1973) sowie zuvor schon der Koalitionsvertrag beinhalten viele gute Vorschläge zur dringend notwendigen Beschleunigung des Breitband-Ausbaus. Allein die fehlende finanzielle Förderung ist zu kritisieren. Die konkret vorgeschlagenen Maßnahmen können wir grundsätzlich mittragen. Besonders begrüßen wir, dass der Fraktionsantrag die wichtige, koordinierende Funktion der Landkreise für den Breitband-Ausbau anerkennt. Zusammen mit den Gemeinden engagieren sich schon heute zahlreiche Kreise für eine zeitnahe Erschließung ihres gesamten Gebiets. Kreisweite Breitband-Projekte bieten den Vorteil, dass auf diese Weise eine tatsächlich flächendeckende Versorgung erreicht werden kann, die auch kleinere und abgelegenere Gemeinden und Ortsteile einbezieht. Die Landkreise haben also ihre Hausaufgaben gemacht. Umso wichtiger ist es, dass den vielen Ankündigungen des Bundes nach Jahren nun auch sehr schnell Taten folgen. So benötigen wir eine deutliche Aufstockung der vom Bund und den Ländern für den Breitband-Ausbau zur Verfügung gestellten Fördermittel. Um welche Summe es dabei geht, lässt sich derzeit nicht abschließend beziffern. Der Freistaat Bayern hat sich etwa entschlossen, den Breitband-Ausbau im Land mit 1,5 Milliarden Euro zu fördern. Daran lässt sich leicht ersehen, in welchen Dimensionen die Bereitstellung von Fördermitteln durch den Bund und die Länder notwendig sein wird.

Interview: Bettina Schömig




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