Dienstag, 8. Oktober 2024

Smart CitySpielregeln definieren

[14.03.2024] Digitale Lösungen für die Transformation der Kommunen hin zu Smart Cities lassen sich nicht allein aus dem öffentlichen Sektor heraus entwickeln. Vielmehr gilt es, verstärkt auf Marktlösungen zu setzen – hierfür aber klare Vorgaben zu formulieren.
Die Politik muss Spielfeld und Regeln für digitale Marktlösungen bestimmen.

Die Politik muss Spielfeld und Regeln für digitale Marktlösungen bestimmen.

(Bildquelle: Andrey Popov/stock.adobe.com)

Weitgehend Einigkeit besteht heutzutage darüber, dass Smart Cities und Smart Regions, also die Transformation von Städten, Gemeinden und Kreisen hin zu intelligent vernetzten Städten und Regionen, eine entscheidende Zukunftsfrage für Lebens- und Standortqualität sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gelingt es bisher allerdings kaum, umfassende Smart-City-Vorhaben in den Kommunen umzusetzen. Viele gute Ideen existieren bislang nur als Insellösungen, hinken der technologischen Entwicklung hinterher oder sind nicht skalierbar.
Gleichzeitig werden von Bund und Ländern immer wieder Modellprojekte in unterschiedlich großem Umfang ins Leben gerufen, die dabei helfen sollen, den notwendigen Umbauprozess in die Fläche zu bringen und ein gut nutzbares, auf die individuellen Bedürfnisse der Kommunen anpassbares Portfolio an digitalen Lösungen verfügbar zu machen. Bislang waren diese Vorhaben allesamt nicht erfolgreich. Gerade mit Blick auf die sehr hohe Geschwindigkeit, mit der technologische Lösungen am Markt entwickelt werden, wird deutlich, dass solche Konzepte zum Scheitern verurteilt sind, wenn es nicht gelingt, ein neues Verständnis der Rolle des öffentlichen Sektors zu entwickeln. Wenn Deutschland bei der Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions erfolgreich sein will, muss es gelingen, eine vollkommen andere Kultur der Zusammenarbeit mit Start-ups und Unternehmen bis hin zu den Hyperscalern zu etablieren.

Es braucht schnell einsetzbare Lösungen

Wesentlicher Kern von Smart Cities ist die datenbasierte horizontale Vernetzung bislang getrennter Bereiche (Silos) innerhalb einer Kommune, also beispielsweise des Verkehrsbereichs mit dem Gesundheitssektor. Gleichzeitig sollte es mit Blick auf die verschiedenen Herausforderungen, wie etwa den demografischen Wandel, auch um die datenbasierte Vernetzung der Kommunen untereinander gehen. Vor allem Smart Regions verfolgen das Ziel, die interkommunale Zusammenarbeit zu stärken und zu vereinfachen sowie eine gemeinsame arbeitsteilige Aufgabenerbringung (Shared Services) zu ermöglichen.
Bei großen Transformationsprojekten ist es bislang an der Tagesordnung, umfassende integrierte Konzepte oder Masterpläne zu erstellen. Darin wird festgelegt, wie sich die Entwicklung vor Ort vollziehen soll und welche konkreten Vorhaben in welcher Reihenfolge durchgeführt werden sollen. Ein derartiges Vorgehen ist aus anderen Bereichen, etwa bei Integrierten Stadtentwicklungskonzepten oder Klimaschutz-Masterplänen hinlänglich bekannt und dort durchaus erfolgreich.
Für die Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions ist eine Adaption dieser erlernten Vorgehensweise aber nicht hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv. Digitale Lösungen müssen von den Kommunen abhängig von ihrer jeweiligen Ausgangslage zur Bewältigung der drängendsten Aufgaben eingesetzt werden können, ohne dass viel Zeit für die Erstellung eines umfassenden Gesamtkonzepts verstreicht.

Marktplatz für digitale Lösungen

Um beim digitalen Umbau schnell und flexibel handeln zu können, muss digitale Technologie konsequent als Werkzeug zur Erreichung der bereits an anderer Stelle formulierten strategischen Ziele, etwa im Bereich Klimaschutz, verstanden werden. Digitalisierung ist kein Selbstzweck und erfordert nicht zwingend, dass bestehende analoge Konzeptionen über Bord geworfen werden müssen. Insofern kann es auch sinnvoll sein, zunächst mit digitalen Einzellösungen zu starten, die später mit anderen Lösungen vernetzt und zusammengefügt werden können. Gleichzeitig brauchen die Kommunen die Sicherheit, dass die von ihnen beschafften digitalen Werkzeuge skalierbar und kombinierbar sind sowie gewissen Mindestanforderungen genügen. Diese fachliche Einschätzung können allerdings gerade kleinere Kommunen häufig nur schwer selbst vornehmen, da vielfach das entsprechende Personal und Wissen in den Verwaltungen fehlt.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Gelingen von Smart Cities und Smart Regions ist daher, dass an zentraler Stelle, etwa gefördert durch den Bund, ein Marktplatz für digitale Lösungen etabliert wird, um den Städten und Gemeinden deren Auswahl und Beschaffung so einfach wie möglich zu machen. Zugang zu diesem Marktplatz sollten Lösungen nur dann erhalten, wenn sie einen Katalog von noch zu definierenden Basisanforderungen (beispielsweise Datenschutz, Datensicherheit oder offene Schnittstellen) erfüllen. Diese Basisanforderungen müssten von einem unabhängigen Fachgremium in regelmäßigen Abständen definiert und überprüft werden. Ein solches Konzept ermöglicht es den Kommunen, schnell, einfach und sicher aus den auf dem Marktplatz vorhandenen Angeboten auszuwählen, kann helfen, so genannte Lock-in-Effekte zu vermeiden, und sicherstellen, dass die beschafften Lösungen unterei­nander kompatibel sind.

Zusammenarbeit mit privaten Anbietern

Gleichzeitig ist es wichtig, dass Kommunen ein niedrigschwelliges Beratungsangebot von Bund und Ländern zur Verfügung steht, um ihre ersten Schritte hin zu Smart Cities zu unterstützen. Dazu sollten ein deutlich verbesserter Wissens- und Erfahrungsaustausch, eine direkte und persönliche Beratung und Bestandsaufnahme der Situation vor Ort oder gezielte Aus- und Weiterbildungsangebote gehören. Zudem werden Unterstützungs- und Beratungsangebote für die Ausschreibung und Vergabe benötigt. Denn vielfach stellt die Beschaffung komplexer digitaler Lösungen die kommunalen Beschaffungsstellen vor große Probleme.
Um bei der Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions erfolgreich zu sein und den Rückstand gegenüber anderen Staaten aufzuholen, brauchen wir in Deutschland eine enge Zusammenarbeit mit privaten Anbietern. Digitale Lösungen lassen sich kaum aus dem öffentlichen Sektor heraus entwickeln. Derzeit herrscht aber vielfach noch der Glaube, der öffentliche Sektor könne souverän und ohne den Markt spezielle Angebote entwickeln und dann auch anbieten und betreiben. Das wird nicht funktionieren, da es kaum möglich ist, mit der Entwicklungs- und Innovationsgeschwindigkeit der weltweit agierenden Digitalkonzerne mitzuhalten. Wenn es nicht gelingt, auf Marktlösungen zu setzen, wird der öffentliche Sektor bei der Digitalisierung immer weiter zurückfallen.

Der Staat als Rahmensetzer

Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Regeln und Regulierungen geben soll. Der Staat muss im Gegenteil viel mehr als bisher klare Vorgaben machen, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit Marktlösungen eingesetzt werden können. Das würde es auch den Unternehmen erleichtern, sich den Spielregeln anzupassen und ihre Angebote entsprechend zu gestalten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Politik auf allen Ebenen den Weg aus der Sackgasse findet und erkennt, dass beim Thema Smart Cities sowie bei der Digitalisierung insgesamt der Staat nicht die Aufgabe eines Umsetzers, sondern die des Rahmensetzers bekleiden muss. Wie auf vielen anderen Politikfeldern ist es seine Aufgabe, für den Markt das Spielfeld und die Regeln zu definieren.

Alexander Handschuh ist Beigeordneter und Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, wo er das Dezernat für Kommunikation und Digitalisierung leitet.


Stichwörter: Smart City, DStGB


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Smart City
Auf einem gelben Polsterstoff (vermutlich von einem sessel) liegt ein gedruckter Zettel mit der Aufschrift: "Willkommen zum Reallabor Bürger*innen-Beteiligung"

Berlin: Bürgerbeteiligung im Reallabor-Test

[08.10.2024] Ein Forschungsprojekt aus Berlin will ein – auch auf andere Kommunen übertragbares – Data-Governance-Konzept für die datengetriebenen Daseinsvorsorge entwickeln. Teil des Projekts: ein Reallabor zur Bürgerbeteiligung. Die daraus gewonnen Erkenntnisse liegen jetzt vor. mehr...

Das Bild zeigt einen Lichtmasten an einem Fahrradweg am Maschsee in Hannover.

Hannover: Smartes Licht am Maschsee

[07.10.2024] Die Stadt Hannover und enercity realisieren ein innovatives Beleuchtungsprojekt am Maschsee. Das Smart.Light-System verbindet Energieeffizienz, Insektenschutz und Digitalisierung und ist Teil der Smart City Initiative #HANnovativ. mehr...

Projekt REINVENT: OS-Lösungen für die Daseinsvorsorge

[07.10.2024] Eine Inventur von Open-Source-Lösungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge führt der Think & Do Tank Neuland21 durch. Das Projekt namens REINVENT hat zum Ziel, die Lösungen besser sicht- und nachnutzbar zu machen und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziell gefördert. mehr...

Kiel: Smart City mit Breitband

[02.10.2024] Im Smart City Index des Bitkom hat sich Kiel um zehn Plätze auf Rang 21 verbessert. Gleichzeitig erreicht der Breitbandausbau in der Stadt eine entscheidende Phase: Bis zum Frühjahr 2025 sollen mehr als 85 Prozent aller Haushalte Zugang zu Internet über Glasfaser haben. mehr...

Ivan Aćimović
interview

Freiburg im Breisgau: Digitale Version der Stadt

[30.09.2024] Mithilfe der urbanen Datenplattform und Künstlicher Intelligenz arbeitet Freiburg im Breisgau daran, den Alltag in der Stadt deutlich zu verbessern. Kommune21 sprach mit Ivan Aćimović, Leiter des Modellprojekts Smart City, über das Projekt. mehr...

NRW: Digitaler Zwilling wehrt Gefahren ab

[26.09.2024] Ab sofort setzt die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr in Nordrhein-Westfalen auf den Digitalen Zwilling. Mithilfe dieser Software können Einsatzkräfte realitätsnahe Einschätzungen aus der Ferne vornehmen und so effizienter auf Krisen reagieren. mehr...

Zukunftsforum MYK: Digitalisierung und Klimaschutz im Fokus

[19.09.2024] Beim dritten Zukunftsforum MYK in Ochtendung stand die Verbindung von Digitalisierung und Klimaschutz im Fokus. Über 200 Teilnehmende diskutierten, wie innovative digitale Lösungen zur Bewältigung des Klimawandels und zur nachhaltigen Entwicklung im Landkreis Mayen-Koblenz beitragen können. mehr...

Pforzheim: Umweltsensoren für die Stadtentwicklung

[16.09.2024] Smarte Technologien sollen in Pforzheim dazu beitragen, den Folgen der Klimaveränderung – insbesondere Hitze, Trockenheit und Starkregen – zu begegnen. Dazu wird nun begonnen, erste Sensoren für ein LoRaWAN-basiertes Klimadaten-Messnetzwerk zu installieren. mehr...

München verteidigt seine Spitzenposition im Smart-City-Ranking.

Smart City Studie 2024: München durchbricht Schallmauer

[12.09.2024] In immer mehr deutschen Städten steht der Wandel hin zur Smart City im Fokus. Das zeigt die Smart City Studie 2024 des Beratungsunternehmens Haselhorst Associates. Spitzenreiter München durchbricht im diesjährigen Ranking gar die Schallmauer von 50 Prozent beim Smart-City-Entwicklungsgrad. mehr...

Homberg (Efze)

Region Digitaler Knüll: Vier Kommunen machen Lust auf Land

[06.09.2024] Vom intelligenten Einsatz von Sensoren über Terminals für die selbstständige Beantragung von Ausweisen bis hin zu Abholstationen für Ausweisdokumente oder Coworking Hubs reichen die Projekte, welche die Region Digitaler Knüll ausmachen werden. Es handelt sich um das gemeinsame Projekt von vier ländlichen Kommunen. mehr...

Stadt Bonn erprobt den Einsatz von Feuchtesensoren für eine intelligente Baumbewässerung.

Bonn: Bäume intelligent bewässern

[03.09.2024] 
Wasser ist eine wertvolle Ressource, die es mit Bedacht einzusetzen gilt. Gleichzeitig brauchen Bäume in der Stadt ausreichend davon, um vital zu bleiben. Die Stadt Bonn erprobt daher nun im Sinne einer intelligenten Bewässerungstechnik den Einsatz von Feuchtesensoren.
 mehr...

Aachen: Forschungsprojekt zu KI

[02.09.2024] Im Rahmen des Projekts P2Broker erforscht ein Konsortium aus der RWTH Aachen, der Stadt Aachen, der Universität zu Köln und der Hochschule Trier den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. mehr...

Die Stadt Ulm hält an Ihrem Chatbot "Ulmer Spatz" fest.

Ulm: Spatz darf weiter helfen

[29.08.2024] Die Stadt Ulm hat einem Gemeinderatsantrag, in welchem die Abschaltung des städtischen Chatbots „Ulmer Spatz“ gefordert wurde, eine Absage erteilt. Der Chatbot sei zwar noch nicht perfekt, werde aber jeden Tag besser. mehr...

Cottbus erprobt die digitale Stadtentwicklung.

Cottbus: Datendrehscheibe der Stadt

[28.08.2024] Im Rahmen der Modellprojekte Smart Cities zeigt die Stadt Cottbus, wie digitale Technologie dazu genutzt werden kann, den Weg zur vernetzten Stadt zu ebnen. Das Vorhaben setzt sich aus insgesamt vier Teilprojekten zusammen. mehr...

Mönchengladbach: Input für die Stadt-App

[23.08.2024] Die Stadt Mönchengladbach entwickelt in Zusammenarbeit mit anderen Städten eine Smart-City-App nach dem Open-Source-Prinzip. Die App soll Informationen zum aktuellen Stadtgeschehen und zu zahlreichen Themen liefern. Im Rahmen einer Veranstaltung wurde nun auch die Öffentlichkeit an der Entwicklung beteiligt. mehr...