Mittwoch, 2. April 2025

Digitale ZwillingeStadtentwicklung trotz Fachkräftemangel

[07.07.2023] Ob Wohnraumbedarf oder Klimawandel – Städte und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen. Fotorealistische digitale Zwillinge machen wichtige Informationen auch technisch weniger versierten Planern und Entscheidern zugänglich. Die Vereinfachung von Prozessen beschleunigt die Entwicklung und wirkt Fachkräftemangel entgegen.
Digitale Zwillinge erleichtern nicht nur komplexe Planungs- und Entscheidungsprozesse

Digitale Zwillinge erleichtern nicht nur komplexe Planungs- und Entscheidungsprozesse, sondern können auch bei konkreten Bauprojekten Unterstützung bieten.

Aktive Baustelle in Utrecht (Niederlande). Reality-Capture-Daten der Stadt wurden mit dem BIM-Modell des Architekturbüros kombiniert. Der Baufortschritt kann anhand der Planungs- und Entwurfsdaten geprüft werden.

(Bildquelle: ESRI)

Wohl die meisten Menschen wünschen sich qualitativ hochwertige Lebensräume, in denen es bezahlbaren Wohnraum und eine gute Infrastruktur mit Bildungs-, Kultur- und Freizeitangeboten gibt. Doch die Realität sieht vielerorts anders aus: Eine Studie des interdisziplinär forschenden Eduard Pestel Instituts und des Bauforschungsinstituts ARGE hat ergeben, dass aktuell deutschlandweit über 700.000 Wohnungen fehlen – das größte Wohnungsdefizit seit 20 Jahren. Diesen Mangel auszugleichen, ist alles andere als leicht. Die benötigten Rohstoffe sind knapp und kostspielig, darüber hinaus fehlt es in der Planung wie im Bau an Fachkräften. Deren Expertise ist aber essenziell, um die Lebensqualität in Städten und Gemeinden dauerhaft sicherzustellen – auch dann, wenn die Auswirkungen des voranschreitenden Klimawandels in neuen Risiken wie etwa Hitzewellen oder Überschwemmungen resultieren.
Städteplaner, Behörden und Bauunternehmen stehen deshalb vor der gemeinsamen Aufgabe, Lösungen zu finden, die zu den anstehenden Veränderungen passen und die Lebensqualität vor Ort erhalten. Um informiert zu entscheiden und effizient zu handeln, sind intelligente Technologien nicht mehr wegzudenken. Einer dieser smarten Ansätze sind digitale Zwillinge – virtuelle Dubletten der realen Welt, mit der sich physische Objekte wie Bäume oder unterirdische Leitungen ebenso abbilden lassen wie Prozesse, Wechselbeziehungen oder Verhaltensweisen. Solche auf Geo-Informationssystemen basierenden digitalen Zwillinge kommen bereits in vielen Städten zum Einsatz.

Komplexe Daten in Beziehung setzen

Alle wichtigen Faktoren wie Bodenbeschaffenheit, Versorgungsleitungen, Materialien und Wetter in einen gemeinsamen Kontext zu setzen und damit zu planen, ist unabdingbar, wenn sich Städte für die Zukunft rüsten wollen. Solche Faktoren entscheiden nicht nur maßgeblich darüber, ob Nachbarschaften bezahlbar sind, sondern spielen auch im Klimawandel eine wichtige Rolle. Das Umweltbundesamt geht beispielsweise davon aus, dass sich in Küstennähe die Anzahl extremer Niederschläge bereits im Jahr 2040 verdoppelt haben wird. Auch steigende Temperaturen werden zunehmend zum Problem, wenn versiegelte Oberflächen die Hitze über Nacht speichern und Wärmeinseln entstehen.
Mithilfe eines Digitale Zwillings lässt sich simulieren, wie sich solche Wetterextreme auf Städte und Gemeinden auswirken. Risikobereiche werden erkennbar und es ist möglich, Gegenmaßnahmen zu planen. Grünflächen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie wirken zum einen wie ein großer Schwamm, der Regen aufnimmt. Zum anderen helfen sie nachweislich dabei, die Umgebung abzukühlen.

Fachkräftemangel bremst Zukunftsentwicklung

Das Gute: Immer mehr Städte und Gemeinden investieren in Smart-City-Projekte, deren Ziel darin besteht, urbane Räume nachhaltiger, effizienter und sozial inklusiver zu gestalten. Seit 2019 beteiligt sich auch der Bund an dieser Entwicklung und will Fördermittel in Höhe von insgesamt 750 Millionen Euro bereitstellen, um deutsche Städte moderner und widerstandsfähiger zu gestalten. Doch wie in vielen Branchen könnte auch hier der Fachkräftemangel die hohen Ambitionen zum Scheitern bringen: Beispielsweise sind im Bauamt der Stadt Hannover aktuell fast 20 Prozent der Stellen unbesetzt. Auch auf den Baustellen spitzt sich der Mangel immer weiter zu. Bis 2035 könnten hier bis zu 250.000 Arbeitskräfte fehlen, wie eine Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft ergibt. Die verfügbaren Fachkräfte sind demnach schon jetzt völlig überlastet. Ihnen bleibt neben ihren täglichen Aufgaben kaum Zeit, sich Kenntnisse für den Umgang mit modernen Technologien anzueignen.
Dass der Lebenswert von Städten sinkt, weil Städteplanerinnen und -planer, Bauunternehmen und Behörden den aktuellen Herausforderungen aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels nicht gewachsen sind, ist nicht hinnehmbar. Stattdessen sollten alle wichtigen Informationsebenen so dargestellt werden, dass sie auch von technisch weniger versierten Planungsverantwortlichen nachvollzogen werden können.

Digitale Zwillinge verkürzen Entscheidungsprozesse

Genau hier setzen fotorealistische digitale Zwillinge an. Drohnen, Flugzeuge und Satelliten sammeln Bilddaten, die automatisiert zu wirklichkeitsgetreuen Abbildern von Baustellen, Wohnvierteln oder ganzen Städten berechnet werden. Zusammen mit weiteren Daten wie Katastervermessungen, Versorgungsnetzen, Gebäudeinformationsmodellen und Echtzeit-Sensordaten werden die Bilder zu vollwertigen und vor allem leicht verständlichen digitalen Abbildern der Stadt.
#bild2 Für diejenigen, die an der Gestaltung unserer Städte und Gemeinden beteiligt sind, bedeutet eine solche Technologie, dass sie weniger Transferleistung erbringen müssen. Durch die fotorealistische Darstellung können Daten aus allen Fachbereichen in eine räumliche Beziehung gebracht werden. Kombiniert mit weiteren Datenquellen lassen sich vergangene Szenarien analysieren und die potenziellen Auswirkungen auf die Zukunft bestimmen. So bleibt nichts im Verborgenen, was für die Städte der Zukunft eine Rolle spielt. Gleichzeitig haben die beteiligten Fachkräfte mehr Zeit, die tatsächliche Umsetzung voranzutreiben, anstatt sich an technischen Details aufzuhalten, für die ihnen mitunter Kenntnisse fehlen.
Fotorealistische digitale Zwillinge sind ein gutes Beispiel dafür, wie komplexe Prozesse technologiegestützt effizienter, verständlicher und zugänglicher gestaltet werden können. Insbesondere bei der Stadtplanung müssen unterschiedlichste Dimensionen und Daten miteinander in Beziehung gebracht werden. Manuell ist das nahezu unmöglich, selbst für erfahrenes Fachpersonal. Mithilfe digitaler Zwillinge können Projekte so modelliert und umgesetzt werden, dass alle Beteiligten über denselben Wissensstand verfügen – und deshalb an einem Strang ziehen können, wenn es um die Zukunft lebenswerter Städte geht.

Konrad Wenzel ist Director des Esri R&D Center, Christoph Zonsius ist Head of Sales State & Local Government bei Esri Deutschland.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Smart City
Virtuell abstrakte 3D-Vektorflagge der Europäischen Union aus dreieckigen Polygonen auf blauem Hintergrund.

Local Digital Twins Toolbox: EU-Projekt für Kommunen

[31.03.2025] Mit der Local Digital Twins Toolbox unterstützt die Europäische Kommission Kommunen bei der Einführung entsprechender Lösungen. Teilnehmende Städte und Gemeinden bekommen wichtige Werkzeuge an die Hand und werden individuell beraten. mehr...

Startbildschirm der Website Smart City Dresden

Dresden: Website zu Smart-City-Projekten

[31.03.2025] Eine neue Website mit Informationen zu ihren Smart-City-Projekten hat die Stadt Dresden jetzt online gestellt. Zu den momentan 17 geförderten Vorhaben zählen unter anderem die Entwicklung eines interaktiven 3D-Stadtmodells und ein Testfeld für zukunftsfähige Verkehrsstrukturen. mehr...

Startseite des Webauftritts Smartes Fichtelgebirge

Landkreis Wunsiedel: Digitaler Zwilling im Aufbau

[31.03.2025] Der Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge soll einen Digitalen Zwilling bekommen. Die Ausschreibung für die Anschaffung der nötigen LoRaWAN-Technologie ist bereits gestartet. Erste Anwendungen sollen noch in diesem Jahr in Betrieb gehen, insbesondere im Bereich Katastrophenschutz. mehr...

Troisdorfer Smart City Maskottchen SmarTa schaukelt in einer Hängematte

Troisdorf: Mit der smarT:app die Freizeit gestalten

[28.03.2025] Die smarT:app der Stadt Troisdorf unterstützt Nutzende mit einer interaktiven Karte jetzt auch bei der Freizeitgestaltung. mehr...

Cover der Studie Smart City Apps

Smart-City-Apps: Marktüberblick für Kommunen

[27.03.2025] Das Angebot an Smart-City-Apps auf dem deutschen Markt wächst stetig. Eine aktuelle Publikation des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) soll Kommunen einen Überblick über App-Angebote für ihre Region geben. mehr...

Blick aus der Vogelperspektive auf den Parkplatz am Gütersloher Marktplatz

Gütersloh: Daten zum Parken in der City

[26.03.2025] In Gütersloh sollen temporäre Kameras an Parkplätzen, Parkhäusern und Straßenlaternen analysieren, wie Autos und Fahrräder parken. Die erhobenen Daten will die Kommune für eine nachhaltige Verkehrsplanung nutzen. mehr...

Diskussionspanel mit vier Personen auf einer warm ausgeleichteten Bühne, im Hintergrund eine Projektion.

Pforzheim: Erfolgreiche Smart City Days

[24.03.2025] Mit einer mehrtägigen Veranstaltungsreihe präsentierte die Stadt Pforzheim den Bürgerinnen und Bürgern verschiedenste Themen und Aspekte aus den Bereichen Smart City, Digitalisierung und KI. Ziel war es, zu zeigen, wie innovative Technologien zur nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen. mehr...

Landrätin Anita Schneider und Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher sitzen nebeneinander an einem Tisch und unterzeichnen ein Dokument.

Gießen: Stadt und Landkreis kooperieren

[20.03.2025] Der Kreis und die Stadt Gießen arbeiten jetzt gemeinsam an digitalen Lösungen. Unter anderem wollen sie digitale Anwendungen austauschen. Auch wollen die beiden Kommunen in einer Arbeitsgemeinschaft noch intensiver zusammenarbeiten. mehr...

Augsburg: Im Gespräch bleiben

[20.03.2025] Bei ihrer Bürgerkommunikation setzt die Stadt Augsburg auch auf das Medium Podcast. Oberbürgermeisterin Eva Weber spricht mit einem Moderator und manchmal weiteren Gästen über ein breites Spektrum an Themen. In der aktuellen Folge geht es um Smart City. mehr...

Mehrere Personen stehen um eine Drohne versammelt.

SmartCity-Summit.Niederrhein: Vierte Auflage mit Teilnehmerrekord

[20.03.2025] Zum vierten Mal hat in Mönchengladbach der SmartCity-Summit.Niederrhein stattgefunden und einen Teilnehmerrekord von über 600 Anmeldungen erreicht. Thematisiert wurden unter anderem die nächsten Smart-City-Projekte der Stadt. mehr...

Mehrere Personen stehen auf einer Bühne und halten eine Urkunde in der Hand.

Smart City Aachen: Erfolgreicher Smart-City-Ideenwettbewerb

[17.03.2025] Ein Smart-City-Ideenwettbewerb wurde in Aachen ausgerichtet. Gewonnen haben eine Plattform zur Echtzeitanzeige freier Lernräume, interaktive Informationsstationen, an denen ein Chatbot Auskunft gibt, ein Softwareassistent für smarte Stromnetze und eine Lösung für den strategischen Ausbau der Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge. mehr...

Vektorgrafik, die einen Menschen vor mehreren hintereinander aufgestellten Hürden zeigt.
bericht

Smart City: Rechtliche Fragen

[13.03.2025] Was ist bei der Vergabe von innovativen Lösungen zu beachten? Wie können Kommunen miteinander kooperieren? Und wie kann sichergestellt werden, dass Daten rechtssicher erhoben werden? Auch mit solchen Fragen müssen sich smarte Städte und Regionen beschäftigen. mehr...

Wolfsburg: Sensorik hält Rettungswege frei

[12.03.2025] Um Rettungswege am Klinikum dauerhaft freizuhalten und im Notfall schnelle Hilfe zu gewährleisten, setzt die Stadt Wolfsburg auf innovative Technologien: An besonders kritischen Halteverbotszonen wurden jetzt 22 Bodensensoren installiert, die erkennen, ob ein Fahrzeug dort widerrechtlich parkt. mehr...

BMWSB: Start der Smart City Akademie

[06.03.2025] Die Smart City Akademie der KTS startet jetzt mit kostenfreien Weiterbildungen für kommunale Fachkräfte. Das BMWSB-geförderte Angebot vermittelt praxisnahes Wissen zu digitalen und nachhaltigen Stadtentwicklungsstrategien – von Stadtplanung bis Cybersicherheit. mehr...

Auf einem Besprechungstisch liegt eine Printversion des neuen Smart-City-Leitbilds für Hanau, im Hintergrund sind unscharf Personen und ein Whiteboard zu sehen.

Stadtwandel.digital: Hanau startet Bürgerbeteiligung

[06.03.2025] Ende März startet die Stadt Hanau in die Umsetzungsphase ihres neuen Smart-City-Leitbilds Stadtwandel.digital. Die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger sollen dann eine wichtige Rolle spielen, sodass Hanau das Leitbild quasi auf den Leib geschneidert wird. mehr...