E-VergabeStandard mit X
Mit dem Papierkrieg bei öffentlichen Vergabeverfahren soll demnächst Schluss sein. Denn auch hier hat das digitale Zeitalter längst begonnen. Am 28. März dieses Jahres wurden die neuen EU-Vergaberichtlinien im EU-Amtsblatt veröffentlicht: Schon 2016 sollen erste Teilprozesse von Vergaben verpflichtend elektronisch abgewickelt werden, bis spätestens 2018 muss dann das gesamte Vergabeverfahren vollelektronisch ablaufen. Ein hehres Ziel – noch liegt Deutschland mit einem Anteil von 13 Prozent an den vollelektronisch abgewickelten Ausschreibungen deutlich unter den von der Europäischen Union und der Bundesregierung angepeilten Werten. Doch das wird sich ändern: Die XVergabe soll mit ihrem einheitlichen Bieter-Client erheblich dazu beitragen, dass alle Beteiligten diese Herausforderung meistern werden.
Die Abwicklung von Vergabeverfahren auf elektronischem Wege, kurz E-Vergabe, bietet handfeste Vorteile. Unternehmen, die Angebote nicht mehr in Papierform drucken und per Post versenden müssen, sparen nicht nur enorm viel Zeit, sondern auch Geld: Eine Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie aus dem Jahr 2008 ergab, dass aufseiten der Unternehmen mehr als 1,1 Milliarden Euro Prozesskosten jährlich eingespart werden könnten. Aufseiten der Behörden wurde ebenfalls mit Einsparungen von rund einer Milliarde Euro gerechnet. Grund hierfür sind eine größere Transparenz, schnellere Auswertbarkeit und geringere Prozesskosten für die Vergabestellen. Noch vor einigen Jahren waren oft regelrechte Materialschlachten gang und gäbe: So kam es regelmäßig vor, dass Behörden bei bestimmten Ausschreibungen für die Masse an Angeboten Kleintransporter anmieten mussten. Für die Auswertung wurden diese zu ebenfalls angemieteten Hallen transportiert. Bei den Nutzern der E-Vergabe gibt es also niemanden, der noch zur Papierwelt zurück will.
Hemmschwellen abbauen
Trotzdem existieren bei den Vergabestellen, welche die E-Vergabe noch nicht nutzen, immer noch Berührungsängste. Dabei treibt sie vor allem die Sorge, Bieter durch elektronische Verfahren abzuschrecken. Das ist nicht einmal ganz unberechtigt, denn trotz zahlreicher Vorteile gibt es auch einen gewichtigen Nachteil: Bislang sind die verschiedenen Bieter-Clients, also die Software- oder webbasierten Lösungen zur Angebotsabgabe, untereinander nicht operabel. Gleichzeitig wird das öffentliche Vergabewesen in Deutschland aus etwa 30.000 einzelnen Stellen gebildet – eine sehr fragmentierte Struktur. Da die verschiedenen Vergabestellen oft auch verschiedene Plattformen nutzen, war der Aufwand für den Bieter bisher gewaltig. So muss etwa ein Möbelfabrikant, der seine Schreibtische bei den jeweiligen Ausschreibungen einer Bundesbehörde, eines Landes und zweier Gemeinden an den Mann bringen möchte, dafür bis zu vier verschiedene, komplexe Software-Pakete installieren und bedienen können. Zum vierfachen Aufwand kämen dabei auch noch die vierfachen Software-Kosten. Da wundert es kaum, dass einzelne Bieter bislang vor öffentlichen Vergabeverfahren zurückschreckten – keine guten Voraussetzungen für den Wettbewerb. Diese Hemmschwelle soll durch XVergabe abgebaut werden: Künftig wird eine Software-Lösung für alle Plattformen genügen.
Standard fördert Wettbewerb
Im Rahmen des Projekts XVergabe erarbeitet das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (BeschA) gemeinsam mit verschiedenen deutschen E-Vergabe-Lösungsanbietern perspektivisch einen plattformübergreifenden Standard für den Austausch von Dokumenten zwischen Bietern und elektronischen Vergabeplattformen. Das sorgt künftig auf allen Seiten für Entspannung: Die Bieter profitieren davon, dass sie nur noch eine einzige Client-Anwendung bedienen müssen, um an Vergabeverfahren auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene teilnehmen zu können. Somit wird langfristig auch die Anzahl der Teilnehmer an den Ausschreibungen steigen. Mehr Teilnehmer bedeuten mehr Wettbewerb, was wiederum bessere Produkte zu günstigeren Preisen zur Folge hat. Und das ist nicht der einzige Grund zur Freude für die Vergabestellen: Für diese vereinfacht sich durch XVergabe zudem die Kommunikation mit den bietenden Unternehmen.
Doch nicht nur an dem gemeinsamen Software-Standard wird derzeit getüftelt: Darüber hinaus plant das Beschaffungsamt, eine Vereinheitlichung der Vergabeunterlagen zu erarbeiten. Die neuen Systeme werden die Behörden auch bei der bislang aufwendigen Erstellung der Vergabeunterlagen unterstützen. Ein weiterer Vorteil für die Vergabestellen, die in der Folge noch mehr Zeit und Geld sparen können. Umgekehrt ergibt sich auch ein Vorteil für Unternehmen: Ziel ist, dass Bieter künftig vereinfachte Formulare unmittelbar am PC ausfüllen können und dabei zielführend unterstützt werden. So soll das System das bietende Unternehmen beispielsweise schon direkt bei der Eingabe darauf hinweisen, welche Unterlagen und Anlagen zusätzlich benötigt werden. Die Einsparungen im Bereich des zeitlichen und logistischen Aufwands, die dadurch erzielt werden, kommen wiederum den Vergabestellen zugute: Denn die Zahl der Bieter wird dank der Vereinfachung voraussichtlich ebenfalls steigen und so den Wettbewerb fördern.
Positive Resonanz – auch auf EU-Ebene
Dass das Projekt große Erfolgschancen haben kann, beweist die Resonanz aus dem Kreis aller Beteiligten; die Akzeptanz ist sowohl auf Verwaltungs- als auch auf Unternehmensseite mittlerweile sehr hoch. 2013 fand die erste Live-Vorstellung von XVergabe-kompatiblen Lösungen auf der IT-Messe CeBIT in Hannover statt. „Es war ein voller Erfolg. Wir und auch unsere Mitaussteller Administration Intelligence, bi medien und subreport haben von allen Seiten ein unglaublich positives Feedback auf die XVergabe erhalten“, resümierte Marc Christopher Schmidt, damaliger Leiter des Projekts XVergabe beim BeschA. Er hob auch die gelungene Kooperation der verschiedenen Lösungsanbieter hervor: „Dass eigentliche Konkurrenten so harmonisch und kollegial zusammenarbeiten, ist nicht alltäglich.“
Mittlerweile hat das Projekt sogar EU-weit Aufmerksamkeit erregt – zumal sich auf dieser Ebene die digitale Müdigkeit sogar noch weitaus eklatanter zeigt, als in Deutschland. Kein Wunder, denn im gesamten EU-Gebiet sind schätzungsweise 330 verschiedene Lösungen im Einsatz. Ein Unternehmen, das sein Produkt oder seine Dienstleistung allen Vergabestellen der EU anbieten wollte, müsste also 330 verschiedene Bieteranwendungen nutzen – und ebenso oft den Prozess der Angebotsabgabe durchlaufen. Es liegt also auf der Hand, dass auch auf EU-Ebene Lösungen gesucht werden. Im Sommer 2012 stellte Marc Christopher Schmidt das Projekt XVergabe deshalb in den Räumlichkeiten des EU-Parlaments vor – erstmals in einer funktionierenden Live-Demonstration. Das EU-Amtsblatt hat bereits Interesse daran bekundet, die XVergabe für die Kommunikation zu TED (Tenders Electronic Daily) zu verwenden, auch die EU-Kommission hat erste Erkundigungen zum Thema eingezogen. Hinzu kommt eine interessante Personalie: Schmidt wurde mittlerweile zur EU-Kommission abgeordnet, wo er das Thema der Standardisierung weiter vorantreibt.
Dieser Beitrag ist in der Juni-Ausgabe von Kommune21 im Schwerpunkt E-Procurement erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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