Mittwoch, 20. November 2024

REPORTStandards für Schul-IT

[15.11.2010] Individuelle Patchwork-Lösungen prägen vielfach die IT-Ausstattung an deutschen Schulen. Standardisierte Fachverfahren ermöglichen Lehrern nicht nur die sinnvolle Integration der Computer in den Unterricht, sondern bieten auch Einsparpotenziale, beispielsweise beim Support.

An deutschen Schulen sind derzeit etwa 1,2 Millionen PCs im Einsatz – Tendenz steigend. Die IT-Infrastruktur vieler Schulen setzt sich jedoch aus gebrauchten Computern zusammen, die der Schule von verschiedenen Unternehmen oder Behörden überlassen wurden. Teilweise werden Hard- und Software auch mithilfe von punktuellen Fördermitteln oder aus sonstigen Budgets selbst beschafft, ohne dass der Schulträger davon erfährt oder Einfluss darauf hat. „Die vorhandene IT-Ausstattung der meisten Schulen ist von hochgradigem Individualismus geprägt“, meint Josef Seitner, Geschäftsführer des Schul-IT-Anbieters MTS Reinhardt. Eine solch heterogene Infrastruktur ist allerdings mit Problemen – und hohen Kosten – hinsichtlich der Wartung der EDV verbunden.
Eine Standardisierung der schulischen Hard- und Software bietet dagegen nicht nur ein enormes Einsparpotenzial und die Möglichkeit, Mittel langfristig und sinnvoll zu investieren, sondern verspricht auch einen höheren Nutzungsgrad der IT im Unterricht. Dazu sei jedoch auch eine pädagogische Oberfläche zur Unterrichtssteuerung notwendig, erklärt Hartmut Stöpler, Geschäftsführer der Firma H+H Software: „Sie ermöglicht es den Lehrern erst, den Computer sinnvoll in den Unterricht zu integrieren.“ Zur Standardisierung der schulischen IT gehört daher auch die Einführung eines ganzheitlichen Fachverfahrens, welches darüber hinaus die Umsetzung eines verlässlichen und planbaren Wartungskonzeptes ermöglicht.

Kreis Offenbach: Ausgeklügeltes Support-Konzept

So hat sich etwa der hessische Kreis Offenbach entschieden, alle Schulen mit einheitlicher Hardware von Hewlett-Packard und der ganzheitlichen, pädagogischen Netzwerk-Management-Lösung MTS EDUCATOR von Anbieter MTS Reinhardt auszustatten. Durch die standardisierte IT-Infrastruktur konnte außerdem ein ausgeklügeltes Support-Konzept realisiert werden. Alle 14 Tage hat jede Schule Anspruch auf zwei Stunden Betreuung durch die Firma PC-Galerie, welche die Wartung und Pflege der mehreren tausend Rechner in den knapp 70 Schulen mit lediglich fünf Mitarbeitern bewältigt. Tritt zwischen den regelmäßigen Wartungsterminen ein schwerwiegendes Problem auf, wird dies in der Regel spätestens am Folgetag behoben.
„Anfangs haben viele Schulen die Software MTS EDUCATOR noch in Eigenregie betreut, allerdings hat man im Kreis schnell festgestellt, dass die Schulen weder die Erfahrung noch die zeitlichen oder personellen Ressourcen hatten, um das System in einem ordnungsgemäßen laufenden Zustand zu halten. Der Kreis hatte also viel Geld in eine moderne IT-Ausstattung der Schulen investiert, diese konnte aber nicht in vollem Umfang genutzt werden“, erläutert Deniz Dökünter, Geschäftsführer der Firma PC-Galerie. Das Support-Konzept erlaube es den Schulen, ihre Computer auch entsprechend zu nutzen. Als weiteren Vorteil sieht Dökünter die Tatsache, dass die Schulen jetzt nur noch einen Ansprechpartner haben, an den sie sich bei Problemen mit der IT wenden müssen.

Kreis Diepholz: SystemCare im Einsatz

Ein ähnliches Konzept – einheitliche IT-Ausstattung aller Schulen und umfassender Support durch einen IT-Dienstleister – wird im niedersächsischen Kreis Diepholz umgesetzt. Mit dem Ziel, Haushaltsmittel im Bereich Schul-IT effizient einzusetzen, hatten die Schulträger – Städte, Gemeinden, Samtgemeinden und der Landkreis – den Verein ProMedien als neutrale Organisationsform gegründet. Primäre Aufgabe war die Schaffung einer einheitlichen IT-Infrastruktur an den Schulen des Kreises. Eine im Vorfeld durchgeführte Bestandsaufnahme der in den Schulen eingesetzten IT ergab, dass im Kreis Diepholz alle am Markt verfügbaren Betriebssysteme im Einsatz sind. „Wären die vorgefundenen Strukturen lediglich weiterbetreut worden, wäre keine betriebswirtschaftliche Lösung möglich gewesen“, meint Hartmut Albers, IT-Leiter des Kreises Diepholz und Geschäftsführer des Vereins ProMedien. Der Verein entschied sich dafür, die pädagogische Musterlösung PaedML aus Baden-Württemberg als technische Standard-Software in den Schulen einzuführen. Beim flächendeckenden Auf- und Ausbau der Anwendung wurde ProMedien vom Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO) unterstützt, welcher auch mit Betrieb und Wartung betraut wurde. Die Zusammenarbeit mit dem Verein ProMedien gab den Anstoß für das heutige KDO-Angebot „SystemCare für Schulen“, das der kommunale IT-Dienstleister mittlerweile auch anderen Schulträgern anbietet.
Die Einführung einer einheitlichen Software bedeutete für die Schulen im Kreis Diepholz, bis dato gewachsene Strukturen aufzugeben. Um sie inhaltlich von der Einführung der Lösung zu überzeugen, wurden die Schulen individuell aufgesucht und die Software vorgestellt. „Diesen Ansatz haben wir ganz bewusst gewählt, obwohl er zunächst recht arbeitsintensiv war“, erklärt Hartmut Albers. „Die Schulen sollten sich aber aus freien Stücken für die Software entscheiden.“ Mittlerweile ist die Lösung bei 67 der insgesamt 80 Schulen des Kreises im Einsatz.
Die bisherige Resonanz auf die einheitliche IT-Lösung und das eingeführte Betreuungskonzept ist nach Angaben des IT-Leiters positiv: So hatten im Rahmen einer Umfrage aus dem Jahr 2007 mehr als 80 Prozent der damals 50 beteiligten Schulen die geleistete Support-Arbeit als gut bis sehr gut bewertet. Eine erneute Umfrage ist für das Jahr 2011 geplant. Hartmut Albers geht jedoch davon aus, dass das nächste Feedback der Schulen ähnlich positiv ausfallen wird.

Berlin: eGovernment@School

An einer flächendeckenden, einheitlichen IT-Infrastruktur für die Schulen wird auch in der Bundeshauptstadt Berlin gearbeitet: Die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung hatte diese Aufgabe im Jahr 2007 zur Priorität erklärt. Als Vorbild für das Projekt eGovernment@School diente eine Lösung der Hansestadt Bremen. „Mit der Entscheidung, die von der Firma Univention auf Open-Source-Basis entwickelte Bremer Lösung und die damit gesammelten Erfahrungen zu nutzen und darauf aufbauend eigene Konzepte zu entwickeln, ist das Ziel verbunden, Synergien bei Konzeption, Betrieb und Weiterentwicklung zu realisieren und daran nach Möglichkeit auch weitere Schulträger oder Schulbehörden teilhaben zu lassen“, erklärt Michael Wilmes, Leiter des IT-Kompetenzzentrums bei der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Wesentliche Grundsätze bei der Umsetzung seien die Berücksichtigung der Eigenständigkeit von Schulen sowie ein hohes Maß an Sicherheit und Offenheit der eingesetzten Lösungen.
Auf dieser Basis wurde in Berlin und Bremen eine in den grundlegenden Merkmalen vergleichbare Lösungsarchitektur realisiert. Diese ermöglicht es den Schulträgern, die einzelnen Schulen mithilfe zentraler Benutzer- und Systemdatenbanken sowie entsprechender Werkzeuge von Administrations- und Verwaltungsaufgaben zu entbinden, welche auf standardisierte Weise zuverlässiger und wirtschaftlicher durch einen zentralen Dienstleister erbracht werden können.
Die IT-Infrastruktur als Plattform für die Einführung von E-Government-Lösungen im Berliner Schulsystem wurde inzwischen erfolgreich in mehr als 60 Pilotschulen erprobt, der flächendeckende Roll-out wird derzeit vorbereitet. Bereits umgesetzt wurde ein einheitliches und sicheres E-Mail-System, das allen Berliner Schulen auf Grundlage der neuen IT-Infrastruktur zur Verfügung steht. Weitere Anwendungen sind nach Angaben von Michael Wilmes geplant und können schrittweise realisiert werden: „Mit dem Projekt eGovernment@School wird einer nachhaltigen IT-Versorgung des Berliner Schulsystems der Weg geebnet.“

Alternative: Terminal Server

Eine weitere Möglichkeit für die Schulträger, die IT-Infrastruktur ihrer Schulen nachhaltig zu modernisieren und dabei langfristig Kosten zu reduzieren, bietet der Wechsel auf die Terminal-Server-Technik. Dabei übernimmt ein zentraler Rechner die gesamte Rechenarbeit und hält alle Daten vor. Die Endgeräte an den Lehrer- und Schülerarbeitsplätzen fungieren dann lediglich noch als Anzeige-Terminals. Nach Angaben von Hartmut Stöpler, Geschäftsführer der Firma H+H, deren Software NetMan for Schools auf Terminal Server setzt, bietet die Technik vor allem zwei Vorteile: Zum einen lässt sie sich von zentraler Stelle aus administrieren, was Zeit spart. Zum anderen ermöglicht sie den Einsatz von kostengünstigen Thin Clients als Alternative zum PC. „Diese Terminals sind äußerst langlebig und verursachen nur geringe Betriebskosten“, so Stöpler. Zwar setze der Wechsel zunächst eine gewisse Investitionsbereitschaft der Schulträger voraus, diese mache sich allerdings schnell bezahlt: Eine moderne, auf Terminal-Server-Technik basierende Schullösung rechnet sich nach Angaben von Hartmut Stöpler bereits nach etwa drei Jahren.

Koblenz: Sparen mit Thin Clients

Ein Pionierprojekt zu Thin Client Computing hat vor mehr als elf Jahren die Berufsbildende Schule Wirtschaft (BBSW) in Koblenz gestartet: Seit 1999 ersetzt die Schule ihre PCs sukzessive durch die schlanken Endgeräte. Dabei wurden zunächst die Computer-Räume der Schule mit den Thin Clients von Anbieter IGEL Technology ausgestattet, seit 2007 wird das Modell auch auf die Klassenzimmer ausgeweitet. Nach dem ersten Einsatzzyklus von zehn Jahren führt die Koblenzer Wirtschaftsschule seit 2009 die zweite Gerätegeneration der IGEL-Thin-Clients ein.
Die Vorteile, welche sich die BBSW von dem Projekt erwartete, haben sich inzwischen eingestellt, bestätigt EDV-Betreuer Ernst Dolkemeier: „Eines unserer Ziele war beispielsweise, die Nutzungsdauer unserer Computer zu verdoppeln. Dies gelang uns mit den ersten Thin Clients, die erwartungsgerecht zehn Jahre lang in Betrieb waren. Demgegenüber müssen wir PCs bereits nach spätestens fünf Jahren austauschen.“ Der geplante Bestand von 120 Thin Clients – ein knappes Drittel der insgesamt 370 Computer-Arbeitsplätze an der Koblenzer Schule – stellt zudem eine enorme Entlastung im Bereich Support dar: „Für 100 Thin Clients genügen insgesamt 15 Minuten pro Woche an Betreuungsaufwand. Für 100 PCs müssen wir dagegen etwa 150 Minuten einplanen.“
Dolkemeier empfiehlt das Thin Client Computing daher sowohl aus ökologischen wie aus ökonomischen Gründen weiter: Thin Clients verbrauchen nicht nur weniger Energie, die Anschaffungskosten verteilen sich außerdem auf zehn statt auf fünf Jahre; darüber hinaus verringern sich die Support-Kosten aufgrund der Robustheit der Geräte und der Möglichkeit, diese zentral zu managen. Unterm Strich spare die BBSW beim Austausch von 100 PCs durch Thin Clients jährlich über 30.000 Euro.

Standards statt Chaos

Eine Standardisierung von Hard- und Software hat für Schulen also nicht nur in der Theorie zahlreiche Vorteile. Eine Investition in nachhaltige Lösungen ist auch im Sinne der Schulträger. Wird eine generelle IT-Lösung für alle Schulen angestrebt, ist hierfür allerdings zunächst eine einheitliche Willenserklärung aller betroffenen Kommunalpolitiker sowie der Verwaltung notwendig.
Beim Versuch, Ordnung in die IT-Ausstattung der Schulen zu bringen, greifen viele Schulträger auf Medienentwicklungspläne zurück. Diese sollten dann aber nicht nur als Technologie- und Investitionspläne dienen, sondern den mit der IT zu erzielenden Nutzen in den Fokus der Entscheidungsfindung stellen, meint MTS-Reinhardt-Geschäftsführer Josef Seitner. Um das IT-Chaos an den Schulen zu beseitigen sei eine entsprechende pädagogische Oberfläche für die Unterrichtssteuerung notwendig. Seitner: „Auch das Ziel eines verlässlichen und planbaren Wartungskonzeptes kann nur mithilfe eines professionellen, ganzheitlichen IT-Management-Systems erreicht werden.“





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