Samstag, 19. April 2025

DigitalisierungStart-ups als Partner

[26.01.2018] Kommunen müssen die Digitalisierung ihrer Verwaltungen unbedingt vorantreiben. Partnerschaften mit Start-ups können dabei helfen. Doch dazu braucht es den offenen Zugang zu Daten, innovative Vergabeverfahren und eine digitale Willkommenskultur.
Start-ups bringen junge Ideen in die Behörden.

Start-ups bringen junge Ideen in die Behörden.

(Bildquelle: MEV Verlag)

Die Digitalisierung von Verwaltungsangeboten an der Schnittstelle zu Bürgern und Unternehmen wird eines der zentralen Themen der kommenden Legislaturperiode sein. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollen nutzerorientierte, medienbruchfreie, digitale Angebote entstehen, welche die Behördenarbeit entschlacken, Daten effektiv nutzen und den Kontakt sowie die Interaktion der Bürger und Unternehmen mit der Verwaltung vereinfachen. So weit so gut.
Digitale Verwaltungsangebote gibt es in Deutschland. Trotzdem ist ein großes Stück des Weges noch zu gehen, denn im europäischen Vergleich stehen wir in Bezug auf die Digitalisierung der öffentlichen Hand nicht gut da. Statt eines einheitlichen, ebenenübergreifenden digitalen Angebots der Verwaltung gibt es einen Flickenteppich unterschiedlicher Insellösungen. Dabei ist eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung keinesfalls ein „Nice to have“, sondern die Basis für die digitale Zukunft unseres Landes.

Warten auf den Durchbruch

Das hat auch die Politik erkannt: CDU-Politiker Peter Altmaier beispielsweise versprach als Kanzleramtsminister auf einem Event der Zeitung Handelsblatt, Deutschland werde bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode im Jahre 2021 zur führenden E-Government-Nation in Europa aufsteigen. Er sei sogar bereit, zwölf Flaschen Grauburgunder darauf zu verwetten.
Da kann man nur hoffen, dass sein Weinkeller gut gefüllt ist, denn der Durchbruch in der Digitalisierung der deutschen Behörden lässt auf sich warten. Der Grund: Obwohl in vielen Behörden und Organisationen der öffentlichen Hand immer wieder spannende und neue E-Government-Angebote entstehen, gelangen diese Entwicklungen nur selten über die Grenzen der Kommunen hinaus.
Ein Lösungsbaustein für dieses Dilemma ist die Partnerschaft mit Start-ups. In Zusammenarbeit mit den neu gegründeten Wirtschaftsunternehmen können kommunale Verwaltungen Innovationen vorantreiben und moderne E-Government-Lösungen aus Expertenhand erhalten.
Start-ups können sich als gewinnbringende Digitalpartner der Verwaltung beweisen. Sie können beispielsweise den Schwerpunkt auf Datenanalysen mit modernen und innovativen Werkzeugen legen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Schließlich geben laut der Sonderausgabe der Studie „Mit Daten Werte schaffen 2017“, für die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gemeinsam mit Bitcom Research mehr als 100 Entscheider aus dem Public Sector befragt hat, fast acht von zehn Verwaltungen an, dass Datenanalysen ein entscheidender Baustein für ihre Arbeit sind. Die Ergebnisse dieser Datenanalysen können zur Verbesserung der digitalen Behördenangebote genutzt werden.

Keine Scheu vor kreativen Ideen

Ein weiterer Vorteil kann im direkten Zuwachs an Know-how gesehen werden, das Start-ups in eine Partnerschaft mit den Behörden einbringen. Sie haben keine Scheu vor kreativen, unkonventionellen Ideen und sind nicht durch Strukturen großer Unternehmen eingeschränkt. Das erlaubt ein weitaus dynamischeres Vorgehen, als es innerhalb einer Behörde oder eines großen Unternehmens möglich wäre.
Start-ups sind Profis darin, ihre Ideen direkt in praktisch vermarktbare Produkte umzuwandeln. Denn eine gute Idee bringt nur dann wirklichen Fortschritt für das E-Government, wenn sie breitentauglich aufbereitet und mit anderen Verwaltungen geteilt werden kann. Dazu trägt auch bei, dass Start-ups von außen auf die Verwaltung blicken können. Dadurch ist es ihnen möglich, unvoreingenommener einzuschätzen, auf welchem Weg Neuerungen weitergegeben werden können.
Stärker entwickelt werden sollte die Kooperation von Start-ups und den gestandenen Dienstleistern der Behörden. Auch diese Partnerschaft ist von hohem Nutzen für die Verwaltung: Die etablierten Dienstleister können von den Start-ups die Kultur der Innovation lernen. Start-ups wiederum werden bei Vergabeverfahren unterstützt, indem die Dienstleister sie beispielsweise als Subauftragnehmer einbinden.

Fortschrittsfreundlichen Rahmen schaffen

Um diese lokalen Lösungen abzuschöpfen und für andere föderale Ebenen nutzbar zu machen, könnte ein deutschlandweiter Digitalisierungsinkubator geschaffen werden, so wie es der Normenkontrollrat mit der „Unabhängigen Organisation“ in seinem Gutachten aus dem Jahr 2016 vorgeschlagen hat. Eine derartige Einrichtung würde es ermöglichen, vermeintliche Insellösungen denjenigen Behörden und Organisationen zur Verfügung zu stellen, die vergleichbare Aufgaben haben.
Um das zu leisten, müssten im ersten Schritt etwaige Innovationen der Kommunen, der Länder und des Bundes durchleuchtet und auf ihre Breitentauglichkeit überprüft werden. Lautet das Ergebnis dieser Analyse, dass aus den Entwicklungen übertragbare Lösungen für andere Behörden und/oder andere föderale Ebenen werden könnten, würden sie im zweiten Schritt zu Produkten weiterentwickelt und damit für den breiten Markt anwendbar gemacht. Der Inkubator könnte dann auch zentral die Vermarktung dieser Digitalisierungslösungen unterstützen und koordinieren.
Damit die Partnerschaft mit Start-ups und die Schaffung etwaiger Digitalisierungsinkubatoren funktionieren kann, muss aber zunächst ein fortschrittsfreundlicher Rahmen für die Kooperation mit entsprechenden Erprobungsräumen entstehen. Ein möglicher Erprobungsraum ist die stärkere Zusammenarbeit im Bereich Open Data. Verwaltungen verfügen über große Datenmengen, in denen das Potenzial für großartige Innovationen schlummert. Werden diese Daten anonym, sicher und in maschinenlesbarer Form kontinuierlich zur Verfügung gestellt, haben Innovatoren die Möglichkeit, sie als Rohstoff für kreative Nutzungsansätze zu testen. Im August 2017 hat die Bundesregierung im Rahmen der Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP) den ersten nationalen Aktionsplan (NAP) verabschiedet. Da gibt es viele Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen Start-ups und den Verwaltungen.

Digitale Willkommenskultur

Die Kooperation mit den Kommunen sollte für Start-ups reibungsärmer gestaltet werden, als dies bislang der Fall ist. Das gilt vor allem für die Vergabeverfahren, die immer noch eine große Hürde für die neu gegründeten Wirtschaftsunternehmen darstellen. Zum einen sollten die neuen Verfahrensarten, wie die Innovationspartnerschaft, häufiger zur Anwendung kommen. Zum anderen sollten die Verwaltungen prüfen, ob Referenzen immer das entscheidende Eignungskriterium darstellen und nicht vielleicht auch ein überzeugender Prototyp die Eignung vergleichbar gut dokumentiert.
Es braucht also eine digitale Willkommenskultur für die Start-ups – zukunftsorientiert und auf Augenhöhe. Mit so einer neuen Art der Zusammenarbeit zwischen föderalen Ebenen und Start-ups können lokal ausgearbeitete Ideen zu deutschlandweiten Lösungen weiterentwickelt werden. Denn in Zukunft darf es nicht mehr darauf ankommen, wo Bürger wohnen oder wo Unternehmen ansässig sind. Verwaltungsleistungen müssen überall digital zugänglich sein – schnell, sicher und barrierefrei.

Mathias Oberndörfer ist Managing Partner und Bereichsvorstand Öffentlicher Sektor bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.


Stichwörter: Panorama, Digitalisierung


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama
Wehende Flagge des Landes Schleswig-Holstein vor schwach bewölktem Himmel.

Schleswig-Holstein: Kooperation verlängert

[16.04.2025] Nach fünf erfolgreichen Jahren haben Schleswig-Holstein und der ITV.SH ihre Kooperation zur Verwaltungsdigitalisierung bis Ende 2029 verlängert. Geplant sind unter anderem der Roll-out weiterer digitaler Anträge und Unterstützung für Kommunen bei Informationssicherheits- und IT-Notfällen. mehr...

Darmstadt: Resiliente Krisenkommunikation

[11.04.2025] Großflächige, lang andauernde Stromausfälle sind selten – stellen die Krisenkommunikation jedoch vor Schwierigkeiten, weil Mobilfunk, Internet und Rundfunk ausfallen. In Darmstadt wird nun eine energieautarke digitale Litfaßsäule erprobt, die auch bei Blackouts als Warnmultiplikator funktioniert. mehr...

Gruppenfoto mit Vertreterinnen und Vertretern der Verbandsgemeinden Diez, Kaisersesch, Montabaur und Weißenthurm, die im Prozessmanagement kooperieren.

Diez/Kaisersesch/Montabaur/Weißenthurm: Kooperation im Prozessmanagement

[08.04.2025] Gemeinsam wollen die Verbandsgemeinden Diez, Kaisersesch, Montabaur und Weißenthurm ihre Verwaltungsprozesse effizienter gestalten. Im Fokus steht die Wissensdokumentation ihrer Prozesse. Auch sollen eine Datenbank für Notfallszenarien und ein interkommunales Prozessregister aufgebaut werden. mehr...

Drei ältere Personen sitzen auf einem Sofa und beschäftigen sich mit verschiedenen digitalen Endgeräten.

Hessen: Projekt Di@-Lotsen wächst weiter

[07.04.2025] Das hessische Digitallotsen-Projekt, das älteren Menschen den Zugang zur digitalen Welt erleichtern soll, wird fortgeführt und ausgeweitet. Kommunen, Vereine und andere Einrichtungen können sich bis zum 11. Mai 2025 als digitale Stützpunkte bewerben. mehr...

Logo der Berliner Beihilfe-App auf blauem Hintergrund.

Berlin: Beihilfe ohne Medienbrüche

[04.04.2025] In Berlin haben Beamtinnen und Beamte nicht nur die Möglichkeit, Anträge auf Beihilfe digital zu stellen – mit einer neuen App ist es ab jetzt auch möglich, den Bearbeitungsstand einzusehen und die Bescheide digital zu empfangen. mehr...

Interkommunale Zusammenarbeit: Dritte Förderphase für Digitale Dörfer RLP

[01.04.2025] Das Netzwerk Digitale Dörfer RLP erhält bis 2026 weitere 730.000 Euro Landesförderung. Erfolgreiche Digitalprojekte sollen landesweit ausgerollt und die interkommunale Zusammenarbeit gestärkt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf wissenschaftlich unterfütterten Pilotprojekten zum Bürokratieabbau. mehr...

In Bayern soll nach dem Willen von Digitalminister Fabian Mehring der „Digitalisierungsturbo“ gezündet werden.

Bayern: Ein Jahr Zukunftskommission

[31.03.2025] Die Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0 hat ihren aktuellen Bericht vorgelegt. Unter Leitung des Finanz- und Heimatministeriums erarbeiten Ministerien, Kommunalverbände und Experten Lösungen für eine einheitlichere, effizientere und sicherere IT in Bayerns Kommunen. mehr...

Stadtansicht von Bernkastel-Kues, ein altes Fachwerkhaus im Bildzentrum.

Rheinland-Pfalz: Projekt KuLaDig geht in die nächste Runde

[28.03.2025] Die kulturelle Vielfalt in Rheinland-Pfalz systematisch digital erfassen und für die Öffentlichkeit aufbereiten – das will das Projekt KuLaDig. Nun steht fest, welche Kommunen darin unterstützt werden, ihr kulturelles Erbe digital zu erfassen und zugänglich zu machen. mehr...

Open Data ansprechend strukturieren.

Polyteia: Wege für den Datenschutz in der Verwaltung

[27.03.2025] Einer sinnvollen Nutzung kommunaler Daten für die Entscheidungsfindung steht nicht selten der Datenschutz entgegen. Das Projekt ATLAS will zeigen, wie moderne Datenschutztechnologien in der Praxis helfen und echten Mehrwert für den öffentlichen Sektor schaffen. mehr...

Olaf Kuch und Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König stehen vor einer Abholstation für Ausweisdokumente.

Nürnberg: Vier Abholstationen für Ausweisdokumente

[26.03.2025] Die Stadt Nürnberg hat ihr Angebot an Abholstationen für Ausweisdokumente verdoppelt. An insgesamt vier Standorten können die Bürgerinnen und Bürger nun Personalausweise, Reisepässe und eID-Karten unabhängig von den Öffnungszeiten der Bürgerämter abholen. mehr...

Difu-Befragung: Kommunalfinanzen beherrschendes Thema

[25.03.2025] Eine Vorabveröffentlichung aus dem „OB-Barometer 2025“ zeigt, dass kommunale Finanzen das drängendste Thema der Stadtspitzen sind – auch mit Blick auf zukünftige Investitionen. Es sei nötig, dass Kommunen einen beträchtlichen Anteil aus dem Sondervermögen erhielten, so das Difu. mehr...

Berlin: ÖGD wird fit für die Zukunft

[25.03.2025] Mit dem Programm „Digitaler ÖGD“ werden in Berlin Grundlagen für moderne Technologien, Softwarelösungen und schlankere Prozesse in den Einrichtungen des ÖGD geschaffen. Davon können Mitarbeitende wie auch Bürgerinnen und Bürger profitieren. mehr...

Außenansicht des Mainzer Rathauses.

Mainz: Ko-Pionier-Sonderpreis 2025

[24.03.2025] Mit dem Ko-Pionier-Sonderpreis 2025 wurde die Stadt Mainz ausgezeichnet. Dieser Preis würdigt Verwaltungen, die innovative Ansätze aus anderen Städten erfolgreich adaptieren und an ihre spezifischen Rahmenbedingungen anpassen. mehr...

LSI Bayern: Ausschuss für Kommunale Fragen zu Gast

[18.03.2025] Bei einer Sitzung des Innenausschusses im LSI standen die Bedrohungslage im Cyberraum und Schutzmaßnahmen für Bayerns IT im Fokus. LSI-Präsident Geisler stellte die Unterstützungsangebote für Kommunen vor, bevor die Abgeordneten das Lagezentrum und das Labor besichtigten. mehr...

Landrätin Dagmar Schulz und Stabsstellenleiterin Digitalisierung Sabrina Donner mit der Auszeichnung des Silicon Valley Europe

Kreis Lüchow-Dannenberg: Ausgezeichnete Digitalisierungsstrategie

[17.03.2025] Für seine herausragende Digitalisierungsstrategie hat der Landkreis Lüchow-Dannenberg das Qualitätssiegel „Top-Organisation 2025“ des Netzwerks Silicon Valley Europe erhalten. mehr...