Donnerstag, 5. Dezember 2024

Smart CityStetig weiterdenken

[20.08.2020] Wollen die Städte hierzulande attraktiv bleiben, müssen sie dringend in ihre digitale Weiterentwicklung investieren. Dass das Konzept der Smart City nicht den Metropolen vorbehalten ist, zeigt das Beispiel der ostfriesischen Hafenstadt Emden.
Emden: Beim Thema Smart City können auch Klein- und Mittelstädte punkten.

Emden: Beim Thema Smart City können auch Klein- und Mittelstädte punkten.

(Bildquelle: Comofoto/stock.adobe.com)

Die Einschränkungen im Zuge der COVID-19-­Pandemie haben die CO2-Emissionen weltweit um zwischenzeitlich 17 Prozent gesenkt. In Deutschland wurde Anfang April sogar ein Rückgang von rund 26 Prozent verzeichnet. Dies geht aus einer Studie von 13 internationalen Klimaforschern hervor, die Mitte Mai veröffentlicht wurde. Den Forschern zufolge ist der wesentliche Grund für die massive Senkung der globalen Emissionen der stark eingeschränkte Transportsektor. Aber auch in der Industrie und der öffentlichen Infrastruktur wurde im Laufe des Monats März deutlich weniger CO2 ausgestoßen.
Was auf der einen Seite erfreulich ist, macht zugleich deutlich, wie groß die Herausforderungen noch sind, vor denen die Weltgemeinschaft steht: Soll das Klima auch in der Post-Corona-Zeit geschützt werden, müssen noch zahlreiche Maßnahmen ergriffen werden. Dazu kann unter anderem die Digitalisierung einen entscheidenden Beitrag leisten. Die Rede ist hier vom Thema Smart City – also einer intelligenten und zugleich nachhaltigen Stadtentwicklung. Dabei gilt es, sämtliche Bereiche des städtischen Lebens so zu vernetzen, dass nicht nur die Bewohner den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen können, sondern auch der Klimaschutz gestärkt wird.

Digitalisierungsgrad untersucht

Ein Beispiel: Verfügt eine Stadt über ein intelligentes Stromnetz, kann dieses die Versorgung mittels regenerativer Energien entscheidend erleichtern. Kommt also der Strom, der für die Aufladung von E-Fahrzeugen notwendig ist, aus grünen Energiequellen, wird die Umwelt gleich in doppelter Hinsicht geschont.
In der Theorie mag das gut klingen; in der Praxis ist die Vielzahl der Städte hierzulande jedoch noch weit davon entfernt, sich smart nennen zu dürfen. Dies zeigt auch das Ergebnis einer umfangreichen Smart-City-Studie, welche die Unternehmensberatung Haselhorst Associates 2019 veröffentlicht hat (wir berichteten). Demnach wiesen noch nicht einmal 100 der insgesamt 400 größten Kommunen in der Bundesrepublik einen Digitalisierungsgrad von über zwölf Prozent auf.
Für die Studie haben die Berater im vergangenen Jahr über 20.000 Datensätze von 400 deutschen Städten mit mindestens 30.000 Einwohnern hinsichtlich ihres Digitalisierungsgrads ausgewertet. Als Benchmark wurde dabei die nach heutigen Maßstäben perfekte Smart City mit 100 Prozent gleichgesetzt und jeder Kommune ein Prozentsatz der Zielerreichung unter Berücksichtigung von acht Smart-City-Segmenten zugeordnet. Dazu zählten unter anderem die Bereiche Strategie und Umsetzung, Smart Government und Smart Mobility. Ein Digitalisierungsgrad von zwölf Prozent entspricht demnach lediglich einem Achtel des möglichen Gesamtpotenzials. Darüber hinaus kommt selbst der Spitzenreiter Köln bislang noch nicht über die 50-Prozent-Marke; die rheinische Domstadt erzielte 2019 einen Digitalisierungsgrad von insgesamt 41 Prozent. Auf den vordersten Plätzen sind vor allem Metropolen vertreten: Berlin, Hamburg und München landeten allesamt unter den Top 10.

Vorreiter Emden

Dennoch soll an dieser Stelle kein falscher Eindruck erweckt werden: Smart City ist keineswegs ein Thema, das ausschließlich den Millionenstädten vorbehalten ist – im Gegenteil. Insbesondere die Klein- und Mittelstädte können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, das Leben in den Kommunen attraktiver zu gestalten.
Mit gutem Beispiel voran geht die ostfriesische Mittelstadt Emden (wir berichteten). Die rund 50.000 Einwohner zählende Kommune hat es sowohl 2018 als auch 2019 unter die Top 20 im Smart-City-Ranking von Haselhorst Associates geschafft. Darüber hinaus erzielte Emden im Bereich Strategie und Umsetzung im vergangenen Jahr den vierten Platz.
Den Erfolg hat sich die Stadt hart erarbeitet. Sie hat bereits 2016 begonnen, eine so genannte digitale Roadmap zu erstellen. Dabei ging es zunächst darum, sämtliche relevante Lebensbereiche in Emden zu identifizieren und diese anschließend in die Gesamtplanung zu integrieren. Das Ziel: Die Seehafenstadt will ihren Standort nachhaltig und zukunftssicher machen. Dazu wurden letztlich 15 Einzelprojekte herausgearbeitet, die es in den kommenden Jahren umzusetzen galt: von der Entwicklung einer intelligenten Energiestadt über die Förderung der lokalen Elektromobilität bis hin zum Glasfaserausbau.

Bedeutung von Glasfaser

Besonders letztgenanntes Projekt ist für die Fortentwicklung der Mittelstadt – sowie grundsätzlich aller Kommunen – entscheidend. Ohne eine entsprechende digitale Infrastruktur können smarte Ideen nämlich nur schwer in die Tat umgesetzt werden. Hier besteht in der Bundesrepublik noch ein erheblicher Nachholbedarf: Laut einer aktuellen OECD-Studie betrug der Glasfaseranteil an allen stationären Breitband-Anschlüssen im Juni 2019 lediglich 3,6 Prozent. Zum Vergleich: Der weltweite Spitzenreiter Südkorea erreicht eine Quote von 81,7 Prozent.
Inzwischen hat die niedersächsische Stadt Emden beim Glasfaserausbau ein gutes Stück an Boden gewonnen. Während 2018 bereits die ersten Gewerbegebiete mit Glasfaser versorgt werden konnten, folgten im vergangenen Jahr die ersten städtischen Wohngebiete. Auch die Bilanz der übrigen 14 Digitalprojekte kann sich sehen lassen: Sämtliche Maßnahmen sind inzwischen so weit fortgeschritten, wie es der ursprüngliche Zeitplan vorgesehen hatte.

Mit Roadmap 2.0 voran

Anstatt sich jedoch auf dem Erfolg auszuruhen, geht Emden noch einen Schritt weiter. Seit Februar 2020 wird die bestehende Digitalisierungs-Roadmap kritisch überarbeitet und ergänzt. Für die Beteiligten aus Stadt, Wirtschaft und Versorgungswerken steht fest: Stillstand ist keine Option – Smart City will stetig weitergedacht werden. Was das genau bedeutet, zeigt die Digitalisierungs-Roadmap 2.0. Zusätzlich zu den bestehenden Maßnahmen hat die Hafenstadt vier neue Bereiche identifiziert und dazu 35 neue Projekte herausgearbeitet. Dabei geht es um Themen wie intelligente Gebäude, LoRaWAN, digitale Bürgerservices und digitale Bildung, die in den kommenden Jahren adressiert werden sollen.
Um die Komplexität der geplanten Projekte zu verdeutlichen, hat die Stadt zudem das Konzept für die Roadmap in Form eines U-Bahn-Fahrplans visualisiert. Dieser zeigt, wie eng verwoben die einzelnen Ideen sind. Sollen die Maßnahmen tatsächlich verwirklicht werden, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen: Politik, Wirtschaft und Bürger.
Die Roadmap 2.0 ist jedoch keineswegs ein Plan, der sich nur auf die ostfriesische Mittelstadt anwenden lässt. Obwohl die lokalen Begebenheiten stets gesondert berücksichtig werden müssen, lässt sich die Strategie in ihren Grundprinzipien auch auf andere Städte übertragen.

Jürgen Germies ist Partner bei Haselhorst Associates und Co-Autor der Studie „Digitales Deutschland 2019“.




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