Donnerstag, 5. Dezember 2024

InterviewStets offen bleiben

[26.05.2017] Perlebergs Bürgermeisterin Annett Jura schätzt den direkten Kontakt mit den Bürgern. Als weitere Möglichkeit, sich mit Anfragen und Hinweisen an die brandenburgische Stadt zu wenden, hat sie vor einigen Monaten das Mängelmeldersystem Maerker eingeführt.
Perlebergs Bürgermeisterin Annett Jura.

Perlebergs Bürgermeisterin Annett Jura.

(Bildquelle: Stadt Perleberg)

Frau Bürgermeisterin Jura, als eine von inzwischen fast 100 Kommunen nutzt Perleberg die Plattform Maerker Brandenburg, über die Einwohner Probleme im öffentlichen Raum melden können. Wie kommt das Angebot bei den Bürgern an?

Unser Eindruck ist, dass es die richtige Entscheidung war, den Maerker für Perleberg einzuführen. Seit dem Start im Mai 2016 sind 66 Anfragen eingegangen. Damit erreichen uns pro Monat durchschnittlich sechs Anfragen. Das ist zwar weniger, als wir erwartet hatten, hierzu muss man aber wissen, dass das Projekt nicht unumstritten war. Während sich mir sofort die Vorteile des Systems erschlossen, gab es unter meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchaus auch Bedenken. Es war ja nicht abzusehen, wie häufig uns Anfragen und Hinweise erreichen würden. Nachdem uns aber die Erfahrungsberichte anderer Kommune vorlagen, gab es im gesamten Haus die Überzeugung für die Einführung des Maerkers. Mein Motto ist: Wenn wir es nicht versuchen, werden wir nicht wissen, ob es funktioniert. Wir müssen als Verwaltung stets offen bleiben für neue technische Entwicklungen. Der Maerker gehört für mich dazu.

Welche Themen und Probleme stehen beim Mängelmelder im Vordergrund?

Von den seit der Einführung insgesamt eingegangenen 66 Meldungen betrafen allein 38 den aktuellen Zustand von Straßen und Wegen. Hierbei bezogen sich die Anmerkungen oder Anfragen insbesondere auf die Straßenbeleuchtung, die Ablagerung von Müll sowie auf unsere öffentlichen Grünanlagen und Spielplätze. Die Bürgerinnen und Bürger melden vor allem Schäden an Gehwegen oder Straßen, defekte Straßenlampen, ausgefallene Ampelanlagen oder beschädigte Bänke. Es erreichten uns aber auch Hinweise zu Parkverstößen oder die Anfrage nach einem neuen Parkplatz.

Wie hat sich das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürgern geändert?

Die Bürger können den Maerker erst seit wenigen Monaten nutzen. Insofern ist der Einfluss des Mängelmelders bisher sicher minimal. Meines Erachtens ist der Maerker aber hilfreich, um Hürden abzubauen. Es ist ein niedrigschwelliges Angebot und hat viele Vorteile: Man kann anonym bleiben, die Meldungen von zu Hause aus oder über die App direkt von unterwegs aus erledigen und muss die Verwaltung nicht aufsuchen. Zu den zwei wichtigsten Vorteilen gehören zudem das Serviceversprechen der Verwaltung, eine Anfrage innerhalb von drei Werktagen zu bearbeiten, und die Transparenz über den Bearbeitungsstatus, die über ein Ampelsystem gegeben ist.

„Wir haben festgestellt, dass das Interesse der Bürger an Projekten der Stadt wieder gestiegen ist.“
Stellen Sie auch in anderen Bereichen ein gesteigertes Bürgerengagement fest?

In Perleberg gibt eine außerordentlich engagierte Bürgerschaft. Das spiegelt sich schon in der sehr aktiven und breit aufgestellten Vereinsarbeit wider. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an Projekten der Stadt, insbesondere an Bauvorhaben oder strategischen Konzepten, in den vergangenen Jahren wieder gestiegen ist. Nachdem es über viele Jahre hinweg nur einige wenige Teilnehmer bei Workshops oder Diskussionsabenden gab, hat sich das in jüngster Zeit wieder geändert. Ich begrüße das, wenngleich uns dieses Engagement natürlich vor neue Herausforderungen stellt. Ich möchte keine Versprechungen machen, welche die Stadtverwaltung nachher nicht einlösen kann. Ein offener und ehrlicher Umgang ist daher ausgesprochen wichtig.

Perleberg bietet außerdem ein Ratsinformationssystem für die Bürger an. Ist auch dadurch das Interesse an der Kommunalpolitik gestiegen?

Ich kann ganz klar sagen: Unser Ratsinformationssystem wird reichlich genutzt. Das bestätigt sich regelmäßig im Rahmen unserer Einwohnerfragestunde in den Ausschüssen und Stadtverordnetenversammlungen. Die Bürger bereiten sich mithilfe der dortigen Veröffentlichungen vor. Auch Verbesserungsvorschläge zum System haben uns schon erreicht.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie, die Bürger durch Online-Instrumente an Entscheidungsprozessen der Stadt zu beteiligen?

Es ist tatsächlich so, dass sich sowohl Herausforderungen als auch Chancen ergeben. Die große Chance beim Einsatz von Online-Instrumenten besteht darin, dass man eine ganz neue Zielgruppe erreicht und vor allem innerhalb kürzester Zeit die Möglichkeit hat, eine große Anzahl von Personen einzubinden. Demgegenüber steht die Verwaltung dann vor der Herausforderung, eine möglicherweise große Anzahl von Anregungen, Fragen und Ideen bündeln zu müssen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich mitgenommen fühlen. Aus diesem Grund halte ich es für besonders wichtig, den gesamten Prozess transparent zu gestalten und den Bürgern immer deutlich zu sagen, was geht und was eben nicht oder was auf anderem Wege möglich ist. Es sind in jeder Gemeinde die demokratisch legitimierten Abläufe einzuhalten und dazu zählen nun einmal die Beschlüsse, die durch die Stadtverordnetenversammlung gefasst werden.

Welche Möglichkeiten nutzen Sie persönlich, um engeren Kontakt zu den Bürgern zu halten?

Ich persönlich schätze den direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern sehr. Mich stört es auch nicht, wenn ich beim Wochenendeinkauf im Supermarkt angesprochen werde. Wir sind eine kleine Stadt mit rund 12.300 Einwohnern. Hier kennt jeder jeden. Außerdem habe ich seit meinem Wahlkampf ganz bewusst die Kommunikation über Facebook beibehalten. So kann ich die Bürger an meinem Arbeitsalltag teilhaben lassen. Darüber hinaus habe ich eine Bürgersprechstunde eingeführt, zu der ich im wöchentlichen Wechsel mit dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung einlade.

Interview: Alexander Schaeff


Stichwörter: E-Partizipation, Perleberg


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