InterviewStrategie zur Digitalisierung
Herr Huesmann, wie weit sind die Behörden bei der Digitalisierung ihrer Verwaltungsdienstleistungen?
Öffentliche Verwaltungen sind offener für Innovationen als viele vermuten. Es mangelt nicht an interessanten Ansätzen. In Bonn wurde beispielsweise die Diskussion zum Haushalt 2015 über das Internet geführt; die Bürger konnten sich einbringen und Vorschläge kommentieren. Und die Stadt Braunschweig bietet im Internet Informationen über die Grundwasserverunreinigung im Stadtgebiet an. Ämter und Behörden haben in den vergangenen Jahren ihr Internet-Angebot ausgebaut. Die Bereitstellung von Informationen ist aber nicht alles. Es sind weitere Maßnahmen gefragt, denn Bürger und Unternehmen erwarten heute eine nutzerfreundliche und sichere elektronische Abwicklung von Behördengängen. 83 Prozent der Unternehmen nutzen hierzulande E-Government-Angebote. Damit liegt Deutschland trotz vieler guter Beispiele im EU-Vergleich noch deutlich hinten. Die Stadt Erlangen etwa forcierte bereits 2009 die Verwaltungsmodernisierung mit der Einführung unserer Software in den Fachbereichen Archiv, Umwelt und Organisation, durch die Umsetzung eines Einheitlichen Ansprechpartners sowie mit der Teilnahme am De-Mail-Behördenpilotprojekt.
Verfolgen Ämter und Behörden jeweils eine bestimmte Strategie, um ihre E-Government-Vorhaben umzusetzen?
Die Verwaltung ist selbst daran interessiert, effizienter und transparenter zu arbeiten und einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Wie weit eine Behörde ist, hängt oft davon ab, ob sie eine E-Government-Strategie konzipieren konnte. Die Digitale Agenda, das neue Programm „Digitale Verwaltung 2020“ der Bundesregierung, das E-Government-Gesetz sowie die De-Mail-Einführung rücken das Thema in den Vordergrund und treiben den Digitalisierungsprozess voran.
Wo liegen die Hindernisse bei der Umsetzung?
Die Umsetzung von E-Government-Vorhaben ist oft sehr aufwendig und personalintensiv. Neue Infrastrukturen müssen geschaffen und Prozesse optimiert werden. Meistens sind organisatorische und personelle Anpassungen erforderlich. Am erfolgreichsten sind deshalb Kommunen, die eine Stabsstelle oder einen E-Government-Beauftragten etablieren konnten. Wenn dann auch die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, werden Kommunen ihre Ziele bezüglich E-Government sicher erreichen.
„Ohne digitale Akten und Prozesse ist kein E-Government möglich.“
Wie kann das Unternehmen Optimal Systems diesen Wandel unterstützen?
Der Datenaustausch zwischen Behörden, Unternehmen und Bürgern ist noch ausbaufähig. Die Digitalisierung vieler Verwaltungsabläufe steht bei vielen Ämtern noch aus. Häufig erleben wir folgendes Szenario: Ein Online-Formular wird heruntergeladen und am Computer ausgefüllt. Dann wird es ausgedruckt, in einen Umschlag gesteckt und per Post verschickt. Im Amt wird der Umschlag geöffnet, das Dokument eingescannt und zentral gespeichert. Im schlimmsten Fall werden die Daten auch noch manuell übertragen und das Dokument irgendwo abgeheftet. Diese Papierflut bringt einen enormen Bearbeitungsaufwand mit sich: Sie bindet Platz, Zeit und Ressourcen – und verhindert so, dass medienbruchfreie Angebote erstellt werden. Ohne digitale Akten und Prozesse ist kein E-Government möglich. Hier kommt Optimal Systems mit seiner breiten Produktpalette für die öffentliche Verwaltung ins Spiel. Mit unserer Software bieten wir viel mehr als ein Dokumenten-Management-System (DMS), um eine einheitliche Informationsmanagement-Plattform für alle Verwaltungsprozesse – von der einzelnen Fachabteilung bis zur kommunalen Gesamtlösung – zu ermöglichen.
Welche Verwaltungsprozesse können am einfachsten digital abgebildet werden?
An möglichen Nutzungsszenarien mangelt es nicht. Reisepass, Bauantrag, An- oder Abmeldung beim Umzug oder die Anmeldung von Fahrzeugen sind Prozesse, die sich relativ einfach mit vielen Vorteilen für Bürger und Verwaltung digitalisieren lassen. Die Stadt Erlangen ermöglicht darüber hinaus ihren Bibliotheksnutzern im Gesamtbestand zu recherchieren, Medien vorzumerken, Gebühren und Leihfristen zu überblicken und die Ausleihe online zu verlängern.
Ist mobiles Arbeiten und die mobile Verfügbarkeit von Informationen auch ein Thema in der Verwaltung?
Mobilität ist ein großes Thema. Einerseits entwickeln viele Kommunen eigene Apps, um Bürgern den Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Andererseits sind Apps wichtige Werkzeuge für die Mitarbeiter der Verwaltung und der Eigenbetriebe. So nutzt beispielsweise die Stadt Wetzlar unsere mobilen Lösungen im Ordnungsbereich. Bei den Eigenbetrieben der Stadt Witten wird die elektronische Hausanschlussakte auf Basis unserer ECM-Software ebenfalls mobil verwendet.
Welcher Ihrer Kunden ist sehr weit mit der Digitalisierung seiner Dienstleistungen und Prozesse?
Die Stadt Witten verfolgt seit dem Jahr 2006 eine konsequente Strategie, um Papierberge abzubauen und um Prozesse zu digitalisieren und zu beschleunigen. Ein wesentliches Anliegen war, eine Informationsmanagement-Plattform einzuführen, die verwaltungsweit eingesetzt werden kann. Das sollte verhindern, dass jeder Bereich eine eigene Insellösung einsetzt. Damit wurde in Witten aus meiner Sicht der Grundstein für den digitalen Wandel gelegt. Witten hat mit unserer Software enaio eine Basisinfrastruktur aufgebaut, welche die Stadt in die Lage versetzt, den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden. Das ist aber nur eines von vielen Beispielen.
Dieser Beitrag ist im Titel der April-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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