InterviewTeilhabe und Service
Frau Oberbürgermeisterin Weber, Augsburg gilt als digitale Vorzeigestadt. Welchen Stellenwert messen Sie der Digitalisierung für die weitere Entwicklung Augsburgs bei?
Der digitale Wandel ist eines der ganz großen Themen, welches Unternehmen, Institutionen und unseren gesamten Alltag maßgeblich prägt. Für uns als öffentliche Verwaltung ergeben sich dadurch viele Herausforderungen und gleichzeitig enorme Chancen. Als Verwaltung möchten wir die Digitalisierung nutzen, um die digitale Teilhabe und eine hohe Servicequalität für die Augsburger Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Institutionen zu gewährleisten. Ein orts- und zeitunabhängiger Zugang zur Verwaltung, digitale Kommunikationswege, schlanke und effiziente Prozesse mit transparenter Entscheidungsfindung – wir befinden uns bereits mittendrin in diesem Prozess, der das Ende von papierbasierten Vorgängen, von Ortsgebundenheit und ressourcenbedingter Absprachen zum Ziel hat.
Geht es dabei eher um soziale oder wirtschaftliche Aspekte?
Teilhabe und Zusammenhalt stärken, die regionale Wirtschaft fördern – das sind beides wichtige Zielsetzungen. Uns beschäftigen auch demokratiefördernde Aspekte der Digitalisierung. Wir arbeiten gerade an einer E-Partizipationsplattform, die traditionelle Bürgerbeteiligung auch digital ermöglicht. Grundlage dafür ist Open Data, ein Thema, das im Koalitionsvertrag meiner Regierung einen hohen Stellenwert hat. Durch das Zugänglichmachen von Daten können Bürger, Politik und Stadtverwaltung transparent zusammenarbeiten und somit potenziell bessere Entscheidungen treffen. Dass diese Daten dann auch Unternehmen und Start-ups neue Chancen bieten ist klasse. Auch eine Klimaneutralität der Städte wird ohne das Einbeziehen technischer Tools nicht erreichbar sein. Denken Sie etwa an die datenbasierte, intelligente Verkehrssteuerung. Damit können wir auf das Staugeschehen reagieren und die Schadstoffkonzentration reduzieren. Vergangenen Oktober haben wir als erste Stadt in Deutschland ein neues Parkleitsystem eingeführt, das den Verkehr im gesamten inneren Stadtgebiet gezielt zu freien Plätzen in Parkhäusern lenkt und so unnötigen Suchverkehr vermeidet.
Sie haben einen 30-köpfigen Digitalrat gegründet, der Sie berät. Wie kam es dazu?
Wie Bürgerinnen und Bürger das Thema Digitalisierung bewerten, ist eine elementare Frage. Daher haben wir in Augsburg auf meine Initiative hin im vergangenen Jahr den Digitalrat gegründet. Auf lokaler Ebene gab es das bis dahin nirgendwo in Deutschland. Unser Digitalrat ist paritätisch besetzt mit Vertreterinnen und Vertretern aus renommierten Augsburger Unternehmen, dem Stadtrat und anderen städtischen Beiräten wie dem Integrations-, dem Senioren- und dem Gleichstellungsbeirat. Das Gremium bildet also einen breiten Querschnitt der Stadtgesellschaft ab. Der Digitalrat soll einen ebenso praxisorientierten wie wissenschaftlich fundierten Beratungs- und Know-how-Transfer gegenüber Verwaltung und Politik gewährleisten. Er soll die Verwaltung und die Entscheidungstragenden bei den Zielen und Strategien für die digitale Transformation unterstützen. Die Stadt Augsburg setzt auf Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung. Digitalisierung ist nicht nur etwas Technisches, sondern vor allem auch etwas, das die Gesellschaft verbindet. Hier gibt der Digitalrat in seiner vielschichtigen Besetzung wichtigen Input.
„Wie Bürgerinnen und Bürger das Thema Digitalisierung bewerten, ist eine elementare Frage.“
Was ist der Stand der Digitalisierung in Augsburg?
Wir arbeiten derzeit an insgesamt über 200 Digitalisierungsvorhaben: Das fängt bei der Einführung der elektronischen Akte und von digitalen Workflow-Lösungen an und geht über Kollaborationslösungen für Videokonferenzen, Sharing, das Entwickeln von Chatbots, den Einsatz von Software Robotics und künstlicher Intelligenz bis hin zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Wir sind zudem dabei, eine Mängelmeldeplattform aufzubauen, um von den Bürgerinnen und Bürgern schneller und gezielter über Störungen und Hindernisse im öffentlichen Verkehrsraum informiert zu werden. Auch die Implementierung von digitalen Zugangskanälen bei Bauvorhaben und die Einführung des ELSTER-Unternehmenskontos stehen aktuell auf der Agenda – letzteres als Pilotprojekt für den Freistaat Bayern, damit Unternehmen digitale Verwaltungsleistungen einfacher in Anspruch nehmen können.
Was sind die größten Hindernisse bei der Digitalisierung?
Viele Entscheidungen zu notwendigen Digitalisierungen werden nicht lokal getroffen – nehmen Sie das Beispiel OZG –, müssen aber hier bei uns auf lokaler Ebene umgesetzt werden. Das stellt uns vor Fragen der Finanzierung. Weil Vorgaben fehlen, arbeitet jede Kommune potenziell allein. Augsburg hat daher eine Kooperation mit München und Nürnberg angestoßen. Unsere Fachabteilungen tauschen sich kontinuierlich aus. Der Punkt ist: Nicht alles, was digital möglich ist, ist auch für eine Kommune erlaubt. Eine hohe Erwartungshaltung an Features und einfache Nutzung stehen im Kontrast zu Datenschutz, Datensicherheit und teilweise immer noch vorhandenen Formerfordernissen. Auch müssen die Prozesse und Strukturen der Verwaltung angepasst, bestehende Hierarchien sowie Denk- und Verhaltensmuster aufgebrochen werden. Wir brauchen ein digitales Mindset. Die Veränderung der Organisations- und Führungskultur ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Gelingen dieses umfassenden Transformationsprozesses. Dabei ist es wesentlich, Führungskräfte und Mitarbeitende gleichermaßen in den Change-Prozess einzubinden.
Das Onlinezugangsgesetz läuft Ende des Jahres aus. Wie schätzen Sie seinen Erfolg ein?
Ohne das OZG wären wir digital nicht da, wo wir heute stehen. Durch die dort verankerte Umsetzungsfrist wurde die städtische Verwaltung gefordert, ihr Angebot an Online-Diensten rasant zu erweitern. Der Erfolg ist anhand der Nutzungszahlen deutlich sichtbar. Um die Vielzahl der geforderten Verwaltungsleistungen digital verfügbar zu machen, setzen wir auf verschiedene Strategien. Zum Einsatz kommen neben bayerischen Lösungen Einer-für-Alle-Dienste. Und natürlich wird die Digitalisierung in Augsburg auch nach Ablauf der Umsetzungsfrist fortgeführt, um bestehende Dienste weiterzuentwickeln, neue Leistungen verfügbar zu machen und Prozesse zu optimieren. Die vom Gesetzgeber beim Onlinezugangsgesetz aufgestellten Mindestanforderungen haben die Erreichbarkeit der Behörden im Fokus. Für den weiteren Prozessweg nach der Antragstellung enthält das OZG kaum Vorgaben. Aber gerade hier steckt das größte Potenzial der Digitalisierung für die Steigerung der Effizienz in der Verwaltung: Medienbruchfreie Datenübernahme und digitale Sachbearbeitung stellen die Basis dar, um mit einem stabilen Personalkörper möglichst auch künftig kostenbewusst immer mehr Services anzubieten und die Rechtsfragen von Bürgerinnen und Bürgern erfolgreich bearbeiten zu können.
Um das Thema „Wie Digitalisierung in Augsburg gelebt wird“ geht es auch in Teil 4 der Stadtteilgespräche, einem Podcast der Stadt Augsburg.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2022 von Kommune21 im Schwerpunkt Geodaten-Management erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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