StudieTreiber der Transformation
Herr Baptist, die Digitalisierung ist das beherrschende Thema im öffentlichen Sektor, heißt es im aktuellen „Branchenkompass Public Services 2018“ von Sopra Steria. Warum erst jetzt?
Die Digitalisierung hat natürlich schon länger eine große Relevanz für Kommunen und Behörden. Allerdings hat das Tagesgeschäft die Digitalisierungsprojekte immer wieder in den Hintergrund gedrängt. Inzwischen ist jedoch auf politischer Ebene das Bewusstsein da, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern einen Wettbewerbsnachteil hat, wenn die Digitalisierung nicht stärker vorangetrieben wird.
Welche Faktoren treiben die Digitalisierung insbesondere an?
Ein entscheidender Treiber, das zeigt unser Branchenkompass deutlich, ist die Gesetzeslage. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) nennt einen klaren Zeithorizont, bis wann bestimmte Digitalisierungsziele erreicht sein müssen. Das ist momentan der Beschleuniger des Transformationsprozesses. Zudem bringen neue Technologien auch neue Optionen für digitale Projekte der öffentlichen Hand. Es müssen immer größere Datenmengen verarbeitet werden, das ist mit klassischen Methoden nicht mehr leistbar. Business-Intelligence-Lösungen und Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) können hier ihre Stärken ausspielen. Ebenfalls ein Treiber ist das Thema IT-Sicherheit.
Auf welche Projekte legen die Kommunen und Behörden derzeit den Fokus?
Hier ist die Antwort der für den Branchenkompass Befragten eindeutig: Neben dem dauerhaft zentralen Thema der IT-Sicherheit ist die Einführung der E-Akte die wichtigste Aufgabe. 55 Prozent der Entscheider nennen die elektronische Aktenführung als zentrales Projekt – und zwar auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung. Mobile Government ist ein weiteres Thema, das Kommunen und Behörden umtreibt. Beispiele sind die Mängelmelder-Apps vieler Kommunen oder der Pilotbetrieb eines mobilen Arbeitsplatzes bei der Polizei Rheinland-Pfalz.
575 Verwaltungsdienste sollen laut Onlinezugangsgesetz bis zum Jahr 2022 elektronisch zur Verfügung stehen. Ist das zu schaffen?
Diese Frage stellen sich in der Tat viele Verwaltungen. Und tatsächlich sagt mehr als die Hälfte der Befragten, dass es schwierig wird, den Zeitrahmen einzuhalten. Ich persönlich glaube, dass es machbar ist, weil die Verwaltungen mitziehen werden. Wie schon erwähnt, erhöht das OZG hier den Druck.
In der digitalen Verwaltung ist IT-Sicherheit ein zentrales Thema. Sind die Behörden darauf vorbereitet, ihre IT-Systeme und Daten wirksam zu schützen?
Der Branchenkompass zeigt, dass 95 Prozent der Verwaltungen die IT-Sicherheit als wichtiges Thema bei der Digitalisierung erkannt haben. Nur 53 Prozent geben jedoch an, dass sie in diesem Bereich die Vorgaben bereits weitgehend erfüllen. Das zeigt: Eine hohe Sensibilität für das Thema ist da, und vielen ist bewusst, dass sie noch nicht so weit sind. Man kann daraus ableiten, dass den Entscheidungsträgern klar ist, dass IT-Sicherheit eine Daueraufgabe ist.
Welche Rolle spielt Cloud Computing in diesem Zusammenhang?
Die Ämter und Behörden sind daran interessiert, IT-Leistungen kostengünstig zu nutzen und somit grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber dem Konzept des Cloud Computing. Trotzdem gibt es Bedenken, weil die Verwaltungen ja ihre Verantwortung wahrnehmen sollen und die Hoheit über die Daten nicht einfach abgeben können. Für den öffentlichen Sektor kommen deshalb nur datenschutzkonforme Cloud-Lösungen mit starker Verschlüsselung und der Einhaltung aller Sicherheitsstandards infrage. Wenn das gewährleistet ist, erreichen die Behörden durch Cloud-Angebote sogar einen Sicherheitsgewinn.
„Viele Befragte sagen, dass sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung noch nicht als ausreichend erachten.“
Wie bewerten die Verantwortlichen im Public Sector die Trendthemen künstliche Intelligenz und Blockchain?
In der Breite sind diese Themen bei den Verwaltungen noch nicht angekommen. Es wird gesehen, dass das interessante Techniken sind, aber nur vereinzelt ist ein Bewusstsein dafür da, dass künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologien das Verwaltungshandeln von morgen prägen werden.
Welche Einsatzbereiche sehen Sie für KI?
Für KI sind mannigfaltige Einsatzmöglichkeiten denkbar. Neben typischen, aus der Privatwirtschaft bekannten Anwendungen denke ich im öffentlichen Sektor auch an verwaltungsbezogene Prozesse. Ein Beispiel wäre die Unterstützung bei Planfeststellungsverfahren. Hier gehen eine riesige Anzahl von Einwänden bei den Behörden ein. Diese zu sortieren und zu strukturieren ist mithilfe künstlicher Intelligenz deutlich einfacher möglich. Die Einwände können sozusagen mit einem Schlag gewichtet werden, das erhöht die Effizienz dieser Beteiligungsverfahren enorm.
Wie sieht es beim Thema Blockchain aus?
Wenn man das Wesen einer Blockchain betrachtet, kommt einem sofort die öffentliche Verwaltung in den Sinn. Denn diese Technologie eignet sich ganz ausgezeichnet dafür, die Echtheit digitaler Dokumente festzustellen. Die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, führt derzeit ein Projekt durch, bei dem Autovermieter Führerscheine über eine blockchainbasierte Registerauskunft automatisch überprüfen können. Das wäre ohne Weiteres auch bei anderen Registerauskünften möglich.
Gibt es im diesjährigen Branchenkompass auffällige Änderungen gegenüber früheren Studien?
Der letzte Branchenkompass wurde vor zwei Jahren veröffentlicht. Im Vergleich zeigt sich, dass heute mehr Befragte organisatorische Themen als Herausforderung einstufen, dass Prozess-Management und gesetzliche Neuerungen an Bedeutung gewinnen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Das Thema Effizienzsteigerung wird zunehmend wichtiger. Dadurch steigt auch die Zahl der Verwaltungen, die mit privaten Dienstleistern kooperieren. Im Branchenkompass 2016 gaben 36 Prozent an, mit privaten Unternehmen zusammenzuarbeiten, jetzt sind es mehr als 50 Prozent.
Wo besteht noch Handlungsbedarf bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung – und wo liegen die wesentlichen Hindernisse?
Handlungsbedarf besteht beispielsweise im Bereich der elektronischen Identifizierung. Mit dem neuen Personalausweis gibt es in Deutschland zwar eine sehr gute Infrastruktur, diese wird jedoch kaum genutzt. Auch Open Government befindet sich noch am Anfang, 76 Prozent geben an, dass sich entsprechende Projekte noch gar nicht oder nur teilweise in der Umsetzung befinden. Hindernisse bilden noch vorhandene Medienbrüche, die Schnittstellen-Problematik und fehlende Standards. Auch die Rechtslage ist immer wieder umstritten. Obwohl die Gesetzgebung ein Treiber ist, sagen viele Befragte, dass sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung noch nicht als ausreichend erachten.
Dieses Interview ist in der August-Ausgabe 2018 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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