SerieÜber die Zukunft der 115
In Köln fand Ende April die sechste 115-Teilnehmerkonferenz statt. Unter dem Vorsitz von Hartmut Beuß, Beauftragter der Landesregierung Rheinland-Pfalz für Informationstechnik (CIO), tauschten sich Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der 115 aus. Klaus Vitt, Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern (BMI) und Bundes-CIO, legte als Vorsitzender des 115-Lenkungsausschusses den Tätigkeitsbericht 2015/2016 vor. Ein bedeutendes Etappenziel erreichte die Behördenrufnummer im August 2016: Mit dem Saale-Holzland-Kreis hat sich die erste Thüringer Kommune für die 115 entschieden. Seitdem ist die einheitliche Behördenrufnummer in allen Bundesländern vertreten. Einen Dämpfer musste der Verbund allerdings auch hinnehmen: 2016 konnte zum ersten Mal seit dem Start des Regelbetriebs das 115-Serviceversprechen nicht gehalten werden. Vitt führt das unter anderem auf das steigende Anrufvolumen – 3,4 Millionen Anrufe gingen bei den Service-Centern ein – bei gleicher Personalkapazität sowie die immer länger dauernden Gespräche zurück.
In den kommenden Jahren soll die 115 weiter wachsen. „Bis 2021 wollen wir auf zehn Millionen Anrufe pro Jahr kommen“, kündigte Vitt an. Außerdem habe der IT-Planungsrat den Auftrag erteilt, bis zum Jahr 2019 eine bundesweite Basisabdeckung zu erreichen. Mit Brandenburg, Bayern, Thüringen und Niedersachsen seien allerdings noch vier Bundesländer nicht Teil des 115-Verbunds, ebenso sollten weitere Kommunen mit ins Boot geholt werden. „Vor allem die Landkreise haben durch die Teilnahme kreisangehöriger Kommunen eine große Hebelwirkung“, sagte Vitt. „Das ist ein Ansatz, den wir künftig bei der Überzeugungsarbeit für neue 115-Teilnehmer genauer betrachten sollten.“ Eine weitere Herausforderung, der sich die Behördenrufnummer stellen müsse, sei die Digitalisierung (wir berichteten).
Impulse aus Estland
Impulse für die 115 gab Professor Gunnar Prause von der Tallinn University of Technologie. Im „Mekka des E-Government“ wie Prause das kleine Estland (31 Millionen Einwohner) bezeichnete, können die Bürger 99 Prozent der Verwaltungsdienste online abwickeln – dank hundertprozentiger WiFi-Abdeckung von überall. Und die Esten nutzen das digitale Angebot: 90 Prozent übermitteln ihre Steuererklärung online, immerhin 30 Prozent haben bei der letzten Wahl ihre Stimme elektronisch abgegeben. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen den deutschen und estnischen Bürgern: „Die Esten reden nur, wenn es unbedingt notwendig ist“, sagte Prause. „Wenn sie eine Frage haben, googlen sie lieber, als dass sie zum Telefonhörer greifen. In Deutschland ist der persönliche Kontakt ungleich wichtiger.“ Trotzdem muss mit der 115 ein Multi-Channel-Ansatz verfolgt werden. „Das Telefon alleine reicht nicht“, so der Professor. Dabei könnte auch über eine Zweisprachigkeit der Online-Services in deutsch und englisch nachgedacht werden.
Nicht nur über die Herkunft, sondern insbesondere über die Zukunft der 115 tauschten sich die Teilnehmer des ersten 115-Alumnitreffens aus. Vor allem pensionierte Verwaltungsmitarbeiter kamen dafür im Rahmen der Teilnehmerkonferenz zusammen, darunter Cornelia Rogall-Grothe, 115-Botschafterin und Staatssekretärin a.D., Guido Kahlen, Kölner Stadtdirektor a.D. oder Harald Lemke, hessischer Staatssekretär im Innenministerium a.D.. „Bei den Treffen werden wir uns damit beschäftigen, was wir erreichen wollten, was wir erreicht haben und wie es mit der 115 weitergehen kann“, beschrieb Rogall-Grothe das Ziel des neuen Alumninetzwerks, das nicht zuletzt dazu beitragen könne, die 115 bekannter zu machen. Die Verwaltungen müssten hier aktiver werden. „Zu selten findet sich die Nummer beispielsweise auf dem Briefpapier der Verwaltung, an prominenter Stelle auf den Websites oder in den E-Government-Konzepten von Kommunen“, regt Rogall-Grothe an. Auch müsse mehr dafür getan werden, dass die 115 wie geplant andere zentrale Einwahlnummern der Verwaltung ersetzt.
Flächendeckung bleibt wichtigstes Ziel
Über die nächsten Schritte der 115 diskutierte Rogall-Grothe mit Guido Kahlen, Harald Lemke und Hartmut Beuß auf dem Podium. Um den Grundgedanken der 115 zu verdeutlichen, erinnerte Harald Lemke an die Anfänge: Wie die Idee aus New York nach Deutschland kam, wie dort zunächst mühsame Überzeugungsarbeit für das Vorhaben zu leisten war und wie im Oktober 2006 ein Beitrag in der Bild-Zeitung letztlich alles richtig ins Rollen brachte. „Treiber der 115 waren dann die Kommunen“, beschrieb Beuß die Weiterentwicklung des Projekts. Und Cornelia Rogall-Grothe hält mit Blick auf den Status quo fest: „Heute sind die Teilnehmerzahlen beachtlich. Sie zeigen aber auch, was wir bislang nicht erreicht haben: Die Flächendeckung.“ Dass diese weiterhin eines der wichtigsten Ziele der 115 ist, darüber waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Vorreiter ist hier Nordrhein-Westfalen, das als bislang einziges Flächenland eine 115-Basisabdeckung vorweisen kann. „Das kann aber nur ein erster Schritt sein“, meint CIO Hartmut Beuß. „Wir müssen zu einer Vollabdeckung kommen. Aufgabe der kommenden zwei Jahre muss es deshalb sein, die zur Teilnahme zu überzeugen, die bislang nicht im 115-Verbund sind.“ Die fehlende Flächendeckung erschwert es laut Guido Kahlen auch, die Behördenrufnummer präsenter zu machen: „Denn ohne Flächendeckung können wir nicht das Marketing umsetzen, das es braucht, um die 115 ins Zentrum zu rücken.“ Davon abgesehen brauche die 115 klarere Rahmenbedingungen. Das sei auch der Wunsch vieler Mitarbeiter. „Ich habe immer wieder die Rückmeldung bekommen, dass es zu frustrierend ist, sich stets nach bestimmten Zielen auszurichten, aber keine klaren Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten zu haben. Derzeit fehlt das Fundament, um die Zukunft der 115 zu organisieren“, so der Stadtdirektor a.D.
Überzeugungsarbeit leisten
Kennzeichnend für die 115 ist das Freiwilligkeitsprinzip: Kein Gesetz zwingt zur Teilnahme, stattdessen ist Überzeugungsarbeit zu leisten. Das sollte laut Hartmut Beuß auch so bleiben. Etwas mehr Druck durch ein Gesetz oder den IT-Planungsrat könnte zwar hilfreich sein. „Ich denke aber nicht, dass wir mit Zwang weiterkommen würden – zumal ein Gesetz nicht auf Befehl und Anordnung abgestimmt werden kann.“ Cornelia Rogall-Grothe spricht sich auch deshalb für die Freiwilligkeit aus, weil sie ein Ausdruck von Spontanität und unbürokratischem Vorgehen ist – Grundgedanken, mit denen die 115 aus der Taufe gehoben wurde. „Und vielleicht entwickeln sich die Dinge in die gewünschte Richtung, wenn wir darüber nachdenken, wie die 115 mit anderen Kanälen zusammengeführt und zu einem einheitlichen Konzept verknüpft werden kann. Meine Hoffnung ist, dass so der faktische Zwang entsteht, sich dem Verbund anzuschließen.“
In spätestens zwei Jahren soll erneut Bilanz gezogen werden. Dass der 115-Verbund bis dahin gewachsen ist, dafür will der Vorsitzende der dann siebten Teilnehmerkonferenz, Michael Richter, Staatssekretär im Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt, sorgen. Er kündigte an, dass sein Bundesland dann eine Flächendeckung vorweisen will.
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