Digitale IdentitätVertrauen aufbauen
Im Jahr 2020 gaben 86 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher an, Opfer von Identitätsdiebstahl und damit verbundenem Kredit- und Debitkartenbetrug oder einer Datenschutzverletzung geworden zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, das Vertrauen in digitale Identitäten langfristig aufzubauen und zu festigen. Die Dienstleistung Identitätsmanagement als Aufgabe des Staates lässt sich die Gesellschaft auch etwas kosten, denn ein sicheres Identitätsmanagement hat seinen Preis. Je höherwertiger der resultierende Identitätsnachweis ist, desto teurer ist in der Regel auch das Identitätsmanagement.
Die Idee hinter der Einführung der Online-Ausweisfunktion – oft auch als eID-Funktion bezeichnet – war es, ein staatliches eID-System ins Internet zu bringen. Die Online-Ausweisfunktion wird seit dem 1. November 2010 auf dem Personalausweis, seit 2011 auf dem elektronischen Aufenthaltstitel und seit 2021 auf der neuen eID-Karte für Unionsbürgerinnen und -bürger ausgestellt. Mit der Online-Ausweisfunktion wurde eine komplette Infrastruktur eingeführt. Sie sollte sicherstellen, dass nur vom Staat ausdrücklich autorisierte Organisationen und Unternehmen die Daten auf dem Chip des Ausweises auslesen können. Darüber hinaus sollte eine Software sowohl aufseiten der Nutzerinnen und Nutzer als auch aufseiten der auslesenden Organisationen und Unternehmen eine sichere Datenübertragung gewährleisten.
Potenzial ist den Bürgern oft unbekannt
Manches am neuen Ausweis war auf den ersten Blick als neu erkennbar, wie etwa das Scheckkartenformat. Anderes war auf den ersten Blick nicht sofort ersichtlich. So war nur wenigen bekannt, dass das aufgedruckte grün-blaue Kreissymbol für die neue Online-Ausweisfunktion steht. Auch dass die Ausweise nun Chips mit auslesbaren Daten enthalten, war vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht bewusst. Eine breit angelegte Medienkampagne blieb leider aus, sodass sehr viele Menschen entweder nicht wussten, welcher Mehrwert in ihrer Geldbörse schlummert oder im Zweifelsfall keine Verwendungsmöglichkeit sahen. Vertrauen konnte so nicht aufgebaut werden. Anfangs war die Nutzung des Online-Ausweises zudem mit einigen Komplikationen verbunden, wie zum Beispiel der Notwendigkeit, ein externes Kartenlesegerät zu verwenden. Diese Zusatzaufwände sind inzwischen nicht mehr erforderlich. Wer schon einmal erfolgreich eine Kreditkarte auf seinem Smartphone eingerichtet hat, sollte mit dem Online-Ausweis keine Probleme haben.
Im Zusammenhang mit dem Online-Ausweis spielen die Nutzerkonten – perspektivisch für Privatpersonen einheitlich die BundID – eine wichtige Rolle. Die Nutzung des Online-Ausweises ermöglicht aufgrund des hohen Vertrauens- und Sicherheitsniveaus den Ersatz der Schriftform nach § 3a Verwaltungsverfahrensgesetz. Im Hinblick auf die Digitalisierung der Verwaltung können Bürgerinnen und Bürger damit medienbruchfrei Anträge stellen, rechtsverbindlich unterschreiben und so ihre Behördengänge bequem von jedem Ort aus erledigen.
Private Sector sollte mitwirken
Gleichzeitig können im Rahmen der Registermodernisierung notwendige Einwilligungen erteilt werden. Nach dem Once-Only-Prinzip können mit der Einwilligung bereits in der Verwaltung vorhandene Daten und Nachweise abgerufen werden. Auch diese Zustimmungen gelten als Willenserklärung, die mit dem Online-Ausweis und entsprechend verknüpften und gesiegelten Antragsdaten schnell, einfach und sicher erledigt werden können. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das eine deutliche Verbesserung der Nutzererfahrung. Bisher mussten sie sich Dokumente, Daten und Nachweise selbst beschaffen, um sie dann einer anderen Behörde wieder zur Verfügung zu stellen.
Ein wesentlicher Kritikpunkt an der aktuellen eIDAS-Verordnung ist, dass durch die Beschränkung auf den Public Sector nicht das volle Potenzial des Online-Ausweises ausgeschöpft wird. Zwar schließt die aktuelle Version der eIDAS-Verordnung die Nutzung im Private Sector nicht aus, stellt es den EU-Mitgliedstaaten aber frei, diese auf den Public Sector zu beschränken. Eine Nutzung im Private Sector erfordert derzeit diverse Einzelvereinbarungen und verhindert damit trotz einheitlicher technischer Voraussetzungen eine stärkere Verbreitung der Online-Ausweisfunktion.
Die Rahmenbedingungen rund um die Digital Identity Wallet der EU stellen die Nutzerinnen und Nutzer in den Mittelpunkt. Sie sollen entscheiden können, welcher Anbieter ihre Identitäten und weitere Attribute verwenden darf. Um eine solche Entscheidung treffen zu können, sind weitreichende Maßnahmen erforderlich, wie sie beispielsweise im eID-System mit Online-Ausweisfunktion bereits umgesetzt sind. Eine Schlüsselfunktion kommt hier beispielsweise der gegenseitigen Authentisierung zu. Sie sorgt dafür, dass die Nutzenden sicher sein können, an wen sie ihre Daten weitergeben.
Digital Identity Wallet in der Diskussion
Nutzende und Services profitieren von einer starken staatlichen Identität. Eine staatlich herausgegebene eID ist sowohl in der Interaktion zwischen privatwirtschaftlichen Diensten und ihren Nutzenden als auch zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Behörden von Vorteil, da sie den Zugang zu digitalen Diensten auf einem hohen Sicherheitsniveau ermöglicht. Eines der wichtigsten Argumente für eine staatliche Identität ist, dass der Staat damit keine Gewinnabsichten verfolgt. Die Bereitstellung einer sicheren hoheitlichen Identität gehört ebenso zu den Infrastrukturleistungen wie das Bildungssystem, das Gesundheitswesen oder das Straßennetz.
Aufbauend auf einer sicheren hoheitlichen digitalen Identität können Mehrwertdienste durch den Private Sector entstehen. Gerade hier eröffnet die Digital Identity Wallet die Möglichkeit, mit weiteren Attributen Mehrwertdienste zu schaffen, die eine alltagsrelevante Nutzung nicht nur ermöglichen, sondern sehr wahrscheinlich machen. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat mit dem Diskussionspapier Beyond EU Digital Identity Wallet zu einem öffentlichen Diskurs eingeladen. Ziel ist es, die Bedürfnisse von Bürgerinnen und Bürgern, staatlichen und privatwirtschaftlichen Organisationen beim Aufbau einer Infrastruktur für digitale Identitäten in Deutschland zu berücksichtigen. Bis Ende Juni dieses Jahres konnten entsprechende Positionspapiere eingereicht werden. Bis Mitte Juli gab sich das BMI Zeit, diese auszuwerten und dann der Öffentlichkeit vorzustellen. Anschließend sollen die Positionspapiere mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Interessengruppen im Rahmen von Workshops zum Thema digitale ID-Brieftasche aufbereitet werden. Eine Präsentation der Ergebnisse ist für Ende November 2023 geplant.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe August 2023 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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