GießenVier Grundfunktionen
Mit dem im August dieses Jahres verabschiedeten E-Rechnungs-Gesetz will die Bundesregierung die Vorgaben der europäischen Richtlinie 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung im öffent-
lichen Auftragswesen umsetzen. Auf dieser Grundlage werden weitere Regelungen auf Länderebene folgen, die auch für die Kommunen relevant sind. So begann die Stadtverwaltung Gießen bereits im Jahr 2014 zu prüfen, welche verwaltungsinternen Prozesse im Zuge der Einführung elektronischer Rechnungen eventuell angepasst werden sollten. Ein Ziel lag dabei auf der Hand: Eine elektronisch empfangene Rechnung sollte verwaltungsintern auch elektronisch weiterbearbeitet werden können.
Voraussetzungen für den Empfang von E-Rechnungen noch unklar
Vier Grundfunktionen hat die Stadtverwaltung definiert, die im Rahmen eines verwaltungsinternen Umsetzungsprojekts eingehalten werden sollten. Diese Grundfunktionen müssen nicht innerhalb einer bestimmten Software oder eines bestimmten Prozesses erfüllt sein. Sie können auch im Zusammenspiel mehrerer Software-Komponenten oder sogar mehrerer Software-Programme realisiert werden.
Zu den vier Grundfunktionen zählt die Gewährleistung, dass elektronische Rechnungen empfangen werden können. Schließlich hat das Projekt seinen Kern in der Umsetzung der Vorgaben aus der Richtlinie 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen. Es ist also darauf zu achten, dass die eingesetzten Software-Komponenten diese Vorraussetzung erfüllen oder mit Software-Komponenten kompatibel sind, die für den Empfang der elektronischen Rechnungen sorgen.
Welche konkreten Voraussetzungen für den Empfang elektronischer Rechnungen bestehen, ist noch nicht bekannt. Sie werden derzeit durch das Europäische Komitee für Normung (CEN) erarbeitet und festgelegt. Die Bekanntgabe der europäischen Norm ist für den 27. Mai 2017 avisiert. Die Stadt Gießen geht davon aus, dass es sich um eine Norm handelt, deren technische Umsetzung oder Einhaltung im Eigeninteresse aller Anbieter von ERP-Software im öffentlichen Bereich liegen wird. Hier wird eine ähnliche Entwicklung wie bei der SEPA-Umstellung erwartet. Gießen beginnt schon mit der Verarbeitung elektronischer Rechnungen im ZUGFeRD-Format, einige Auftragnehmer der Stadt stellen Rechnungen bereits auf diese Art zur Verfügung. Die von der Kommune eingesetzte Software newsystem der Firma Infoma bietet die Voraussetzungen zur Verarbeitung des Datenformats.
Rechnungsworkflow-Komponente ergänzend eingeführt
Für die Stadt Gießen war es von Beginn an wichtig, alle Vorgänge der internen Rechnungsbearbeitung ohne Papier zu gestalten. Bei Eingangsrechnungen umfasst das sämtliche Arbeitsschritte, die nach dem Posteingang der Rechnung bis zur Überweisung des fälligen Betrags erledigt werden müssen: Die Zuleitung der Rechnung an das zuständige Amt und den zuständigen Sachbearbeiter, die Kontierung der Rechnung mit sämtlichen notwendigen Buchhaltungsinformationen, die Feststellung und Anordnung der Rechnung sowie die Weiterleitung und Verbuchung im Buchhaltungsverfahren. Bei Ausgangsrechnungen wiederum umfasst die Bearbeitung alle notwendigen Schritte, um die Forderungen der Stadt zu verbuchen. Angestoßen werden diese Arbeitsschritte vom zuständigen Fachamt, inklusive der Weiterleitung und Verbuchung der Forderung im Buchhaltungsverfahren. In Gießen wurde in diesem Zusammenhang das bestehende Enterprise-Resource-Planning-Verfahren (ERP) um eine Rechnungsworkflow-Komponente ergänzt. Die Integration des Rechnungsworkflows in das Buchhaltungsverfahren hat aus Sicht der Stadt zahlreiche Vorteile, beispielsweise bei der einheitlichen Nutzung von Finanzadressen oder Buchhaltungsparametern wie Sachkonten, Kostenstellen oder Kostenträgern. Mittels des Rechnungsworkflows lässt sich die papierlose Vorgangsbearbeitung umsetzen.
Digitale Archivierung als abschließende Funktion
Die dritte definierte Grundfunktion lautet, dass haushaltsrechtliche Vorgaben beachtet werden. Die Hessische Gemeindeordnung beziehungsweise die Gemeindehaushalts- und die Gemeindekassenverordnung stellen zahlreiche Formvorschriften für das Rechnungsbearbeitungsverfahren auf. Das gilt unter anderem für die Trennung zwischen sachlicher Feststellung und Anordnung der Rechnung, das so genannte Vier-Augen-Prinzip, sowie die organisatorische Trennung zwischen Anordnung der Rechnung und Zahlbarmachung. Eine papierlose Vorgangsbearbeitung bietet im Rahmen eines Rechnungsworkflows keine Möglichkeiten, handschriftliche Unterschriften anzubringen. Gleichzeitig besteht die rechtliche Vorgabe zur Bestätigung bestimmter Rechnungsinhalte oder Kontierungen mittels Unterschrift.
Die vierte definierte Grundfunktion ist die digitale Archivierung. Die Stadt Gießen hat sich dafür entschieden, die revisionssichere Aufbewahrung mittels des vorhandenen Archivierungssystems umzusetzen. Deshalb war es notwendig, eine technische Schnittstelle zwischen der Buchhaltungs- und der Archivierungssoftware zu schaffen. Neben den ursprünglichen Belegen werden auch die Metadaten archiviert, in denen alle vollzogenen Bearbeitungsschritte innerhalb des Rechnungsworkflows dokumentiert und damit nachträglich rekonstruierbar gemacht werden. Ein besonderer Vorteil ist, dass bei Recherchen innerhalb des Buchhaltungsverfahrens auf die ursprünglichen Belege zugegriffen werden kann. Damit lässt sich der Arbeitsaufwand bezüglich der Papierablage reduzieren. Die Recherche im Papierarchiv entfällt für diese Belege ebenfalls.
Anfang September 2016 ist die elektronische Rechnungsverarbeitung in den ersten zwei Ämtern der Stadt Gießen in den Echtbetrieb gestartet. Bis zum 1. Januar 2017 sollen sämtliche Ämter der Stadtverwaltung auf den elektronischen Rechnungsworkflow umgestellt werden.
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