Freitag, 8. November 2024

InterviewVirtuell in Kontakt

[20.04.2021] Über digitale Bürgerbüros können Kommunen virtuelle Kontaktmöglichkeiten anbieten. Wie das funktioniert, wie groß der Aufwand ist und welche Services sich überhaupt digitalisieren lassen, erklären Frank Dittmar und Emanuel Graf von der Innovation Alliance.
Frank Dittmar

Frank Dittmar

(Bildquelle: Pan Dacom)

Herr Dittmar, Herr Graf, die Verwaltungen stehen unter Druck. Welche Maßnahmen müssen Kommunen ergreifen, um sich auch in Zukunft krisensicher und bürgernah aufzustellen?

Frank Dittmar: Kommunen sind in der Bringschuld: Bis Ende 2022 müssen Verwaltungen laut bundesweitem Gesetz bestimmte Leistungen auch online anbieten. Darüber hinaus wird der Wettbewerb der Kommunen untereinander schärfer. Wer sich modern und bürgernah aufstellt, glänzt als innovativer Vorreiter. Das ist gut für das Image. Wenn man überhaupt von einem Nutzen der Corona-Pandemie sprechen kann, dann ist es der, dass das Vertrauen in die Digitalisierung gestiegen ist. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass so viele Mitarbeiter effizient von zu Hause aus arbeiten können? Der Digitalisierungswille ist nun auch in den Verwaltungen angekommen. Viele Schritte bei behördlichen Prozessen lassen sich digital abwickeln. Das entlastet und ermöglicht auch für die Mitarbeiter der Behörde das Homeoffice.

Einige Kommunen betreiben bereits digitale Bürgerbüros. Was ist darunter zu verstehen?

Emanuel Graf: Bürgerämter setzen mit digitalen Bürgerbüros Online-Plattformen auf, die eine einfache Kontaktaufnahme ermöglichen – auch in Krisenzeiten. In bestimmten Fachbereichen lassen sich Behördengänge dann zusätzlich virtuell erledigen, zum Beispiel mit einer Eins-zu-eins-Videokonferenz. Der virtuelle Bürgerservice geht dabei über eine einfache Videoberatung hinaus: So lassen sich beispielsweise Dokumente über den Bildschirm teilen und gemeinsam bearbeiten. Ganz klar eignen sich Online-Bürgerdienste für beratungsintensive Bereiche wie Bauverfahren, Asylverfahren und Förderungen aber auch die Sucht- oder Schwangerschaftsberatung. Die meisten Ämter, die virtuelle Bürgerdienste anbieten, arbeiten übrigens im Hybridmodell aus Präsenz- und Videoterminen, wobei sie flexibel zwischen den beiden Beratungsformen wechseln. So kann ein Berater zum Beispiel vormittags ein virtuelles Büro betreiben, nachmittags aber Präsenztermine anbieten.
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Auch die Innovation Alliance bietet hier Lösungskonzepte. Können Sie einen Einblick in die Praxis geben?

Graf: Als Verbund von Digitalisierungsspezialisten für die öffentliche Verwaltung sowie kleine und mittlere Unternehmen beschäftigen wir uns intensiv mit pragmatischen Konzepten. Mit Kollaborationslösungen über Video, Chat und Audio lassen sich attraktive digitale Beratungskonzepte aufbauen, ohne dass IT-Experten vor Ort sein müssen. Genau diese Konzepte wenden wir auch bei den virtuellen Bürgerbüros an. Bei unseren Implementierungen dient die Collaboration-Plattform Cisco Webex als technische Basis. Darauf wird das digitale Bürgerbüro nahtlos in die Website, zum Beispiel die des Bürgerbüros, eingebunden. Kunden gelangen von dort zu den virtuellen Büros, bei denen die Öffnungszeiten vermerkt sind. Sie sehen, ob ein virtueller Stuhl frei ist und wie lange sie noch warten müssen. Der ganze Vorgang ist für den Nutzer sehr transparent und für den Behördenmitarbeiter einfach in der Handhabung. Sobald der Bürger im Büro den Knopf „Betreten“ drückt, wird automatisch eine Video- und Audioverbindung hergestellt und die Bildschirmfreigabefunktion aktiviert.

„In bestimmten Fachbereichen lassen sich Behördengänge zusätzlich virtuell erledigen.“
Was können digitale Bürgerbüros leisten und was nicht?

Dittmar: Digitale Bürgerbüros ermöglichen zusätzliche Kapazitäten bei Behördengängen. Denn unsere Lösung ersetzt bestehende Verfahren nicht, sondern unterstützt diese. Dadurch entlasten die Ämter ihre Mitarbeiter und treten gleichzeitig ihren Kunden gegenüber sehr serviceorientiert auf. Das bedeutet mehr Flexibilität und Transparenz sowohl für die Beschäftigten als auch für die Bürger. Digitalisierungsvorhaben müssen nicht kompliziert in der Umsetzung sein. Wir haben mit den digitalen Bürgerdiensten ein bewährtes Verfahren aus der virtuellen Team-Zusammenarbeit genutzt und an die Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung angepasst.

Sie sind aktuell mit vielen Verantwortlichen von Städten und Landkreisen im Gespräch. Was sind die größten Druckpunkte in Bezug auf die Digitalisierungsbestrebungen?

Graf: Eines der größten Themen ist sicherlich die Bereitschaft der Mitarbeiter, diesen Weg mitzugehen. Am Beispiel unseres Services ‚virtuelles Bürgerbüro‘ sehen wir aber, dass die Akzeptanz für solche Lösungen deutlich steigt. Denn für die Mitarbeiter wurde damit die attraktive Möglichkeit geschaffen, ihr virtuelles Büro auch vom Homeoffice aus zu öffnen. Das kommt gut an. Ein weiterer Aspekt ist das Thema Datenschutz und Datensicherheit. Das virtuelle Bürgerbüro ist dank Cisco Webex und Hosting in einem deutschen Rechenzentrum DSGVO-konform. Wir können unsere Kunden auch weiterführend individuell unterstützen, zum Beispiel zu Themen wie Security und Homeoffice.

Die Akzeptanz aufseiten der Nutzer ist also gut?

Graf: Die Akzeptanz ist insgesamt gut, ja. Bürgerbüros erweitern meist schnell ihr Online-Angebot. So war es auch beim Landratsamt Regensburg, das zügig vom Pilot- in den Regelbetrieb gewechselt ist. Die Lösung ist schnell zu implementieren und einfach in der Anwendung, der Schulungsaufwand verhältnismäßig gering. Bei behördlichen Mitarbeitern trifft das digitale Bürgerbüro deshalb auf große Zustimmung. Schließlich bringt es ihnen ja auch einen deutlichen Gewinn an Flexibilität und Entlastung. Für den Bürger entstehen zudem keine Kosten, um die virtuelle Sprechstunde zu nutzen. Benötigt wird lediglich ein Laptop oder PC mit Webcam und Mikrofon, ein Smartphone oder ein Tablet mit Internet-Verbindung. Übrigens: Sind die virtuellen Wartebereiche überfüllt oder Büros geschlossen, gibt es die Möglichkeit, Online-Termine zu vereinbaren. Über die Details wird per SMS und E-Mail informiert. Zum vereinbarten Zeitpunkt werden die Bürger dann über einen Link direkt mit einem Behördenmitarbeiter verbunden.

Auf welche weiteren digitalen Herausforderungen müssen sich Kommunen in Zukunft einstellen?

Dittmar: Wie die Privatwirtschaft in der Vergangenheit auch, stehen Behörden vor der Herausforderung, ihre Prozesse und Organisationen kundenfreundlicher und zudem effizienter gestalten zu müssen. Digitalisierung ist hierfür der richtige Weg. Bei Ämtern müssen sicherlich IT-Security- und Datenschutzthemen von Anfang an berücksichtigt und konsequent in die Umsetzung integriert werden. Digitale Authentifizierung und Identitätsprüfung werden auf dem Weg zur digitalen Behörde ebenfalls eine nicht unwesentliche Hürde darstellen.

Interview: Birgit Brabeck, freie Journalistin in Köln.




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