WürselenVom Scheitern zum Erfolg
Von der gescheiterten Laptop-Klasse zum „digitalen Bildungspreis delina 2017“ – das hat das Gymnasium in Würselen geschafft. Mit dem Innovationspreis zeichnet der Digitalverband Bitkom vorbildliche Projekte und Initiativen im Bereich des digitalen Lehrens und Lernens aus. Das Gymnasium in der nordrhein-westfälischen Stadt konnte sich in der Kategorie School durchsetzen. Mit dieser Auszeichnung erreicht die Würselener Erfolgsgeschichte ihren vorläufigen Höhepunkt. Den Auftakt zur Digitalisierung der Bildungseinrichtungen in Würselen bildete im Jahr 2002 das Projekt zum Lernen mit modernen Medien online (Lemmon). Die neun Schulen an elf Standorten mit rund 3.700 Schülern wurden vernetzt und mit WLAN sowie elternfinanzierter Hardware ausgestattet. Lemmon sollte an allen Schulen möglich sein. Der Startschuss am Gymnasium Würselen fiel im Jahr 2008. Die Leitungen lagen, das Netz war eingerichtet und die Laptops schnell angeschafft. Jetzt aber begannen die Probleme. Das Netz stand weder sicher, noch war es leistungsfähig genug. Die Laptops wiederum waren zu schwer und hatten zu kurze Akkulaufzeiten. Nach der vierten Unterrichtsstunde war deshalb Schluss mit Lemmon.
Neustart statt Resignation
Das fehlende didaktische Konzept wog neben den technischen Unzulänglichkeiten am schwersten, weiß Projektleiter Frajo Ligmann, Lehrer für Mathematik und Informatik mit Schwerpunkt Medienpädagogik, rückblickend. Anstatt das Projekt aber auslaufen zu lassen, packte Ligmann gemeinsam mit dem Kollegium das Thema erneut an. Zum Neustart wurde das Vorhaben auf drei Säulen gestellt: Die technische Betreuung übernahm ab dem Jahr 2012 der kommunale IT-Dienstleister regio iT. Didaktisch wurde das Projekt nun intensiv von der RWTH Aachen betreut und nach Abschluss des ersten Schuljahres 2015/2016 auch ausgewertet. Frajo Ligmann schließlich war für die Konzepterstellung und die praktische Medienarbeit zuständig. Vor dem Neubeginn musste der Pädagoge allerdings bei seinen Kollegen Überzeugungsarbeit leisten. Dabei setzte er auf Anschauungsunterricht und schaffte es, 15 iPads als Leihgabe zur Verfügung gestellt zu bekommen. Mit diesen überzeugte er die Mehrheit des Kollegiums. Mit viel Elan wurden anschließend die Rahmenbedingungen für einen weiteren Versuch formuliert. So sollte eine Lernplattform eingeführt und wesentliche Elemente der Schulorganisation über die Plattform abgebildet werden. Eine weitere Rahmenbedingung war ein verbindliches Mediencurriculum für alle Fächer. Außerdem wurde der Neustart des Medienprofils mit Tablet-Klassen geplant. Für diese Klassen sollten didaktische Szenarien gründlich vorbereitet werden. Parallel zur ersten iPad-Klasse hat der Fachdidaktik-Lehrstuhl Deutsch in Absprache mit dem Gymnasium das Seminar Tablets im Deutschunterricht angeboten und eine Unterrichtsreihe zum Thema Balladen in der ersten iPad-Klasse 7i durchgeführt. Evaluiert und begleitet hat das Projekt der RWTH-Lehrstuhl i9 Learning Technologies. „Das war ein langer und auch mühsamer Prozess“, erinnert sich Ligmann. Aber der Aufwand hat sich gelohnt: Das Konzept konnte in den vergangenen beiden Jahren in den Schulalltag integriert und etabliert werden. Dazu hat unter anderem die Schaffung einer einzelnen iPad-Klasse beigetragen. Im Lemmon-Projekt hingegen starteten sechs Laptop-Klassen.
Säulen des Erfolgs
Bevor die iPad-Klasse an den Start gehen konnte, sorgte regio iT für funktionierende technische Rahmenbedingungen, bringt es Willi Poschen, Leiter des Centers eSchool bei regio iT auf den Punkt. „Wir haben dem WLAN Beine gemacht“, berichtet er augenzwinkernd. Leistungsstärkere Komponenten sorgen für eine bis heute auch überregional einzigartige und leistungsfähige Ausstattung. Schließlich sollten zu Beginn einer Schulstunde auch in kürzester Zeit alle im Netz sein und Zugriff auf die neu geschaffene Lernplattform haben. Teil zwei des Projekts war laut Poschen die Auswahl und Implementierung der Lernplattform Fronter. Zu dieser haben alle Schüler Zugang – auch jene, die nicht die iPad-Klasse besuchen. Die Materialauswahl ist inzwischen sehr umfangreich, nach Fächern aufgegliedert und noch einmal unterteilt in Einführung, Basiswissen und Vertiefung. Flankiert wird die Lernplattform von einer Reihe fachspezifischer Apps, die rege genutzt werden. Und das mit Erfolg, wie die Auswertung von Nadine Bergner und Michaela Inden vom Lehr- und Forschungsgebiet Lerntechnologien der RWTH Aachen zeigte. Das didaktische Konzept, die systematische Integration eines Lern-Management-Systems und regelmäßige schulinterne Fortbildungsangebote für Lehrer sowie ein ausgezeichneter technischer Support sind die Säulen des Erfolgs in Würselen. „Die Schule der Zukunft vereint eine ausgezeichnete digitale Infrastruktur mit innovativem Unterricht und motivierten Lehrern und Schülern“, ließ Bitkom-Geschäftsleiter Joachim Bühler im Rahmen der delina-Preisverleihung wissen. „Das breite Engagement des Gymnasiums Würselen hat die Jury besonders beeindruckt und macht das Gymnasium zu einer Smart School.“
Zum Kurzinterview mit Frajo Ligmann, Projektleiter der iPad-Klasse am Gymnasium Würselen
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