Facility ManagementVon der Industrie lernen
Während die Bezeichnung Industrie 4.0 auf eine Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung zurückzuführen ist und durch eine fortschreitende Konkretisierung mittlerweile auch von weiteren Fachgebieten übernommen wurde, bietet die öffentliche Verwaltung hauptsächlich das etwas zögerliche Begriffspendant Digitales Rathaus an. Argumentativ mag diese Zurückhaltung in dem mühsamen Vergleich zwischen der Daseinsfürsorge einer kommunalen Verwaltung und der profitorientierten Organisationsgestaltung der Industrie begründet liegen. Aber wieso überhaupt der Verweis auf die Industrie? Die Antwort findet sich in dem Fakt, dass beide Zweige bereits heute die gleichen Möglichkeiten haben, sich für den jeweiligen Bedarf und Zweck am identischen, innovationsgetriebenen Technologiestamm zu bedienen. Wieso also scheint es diese Diskrepanz zu geben?
Stillstand keine adäquate Option
An der Stelle lohnt ein Blick in die Vergangenheit: Um die Jahrtausendwende wurde Computer Aided Facility Management (CAFM) bereits erfolgreich von der Industrie eingesetzt, während von einer flächendeckenden Wahrnehmung seitens des kommunalen Gebäude-Managements erst Jahre später die Rede sein konnte. Neben fehlenden Erfahrungswerten waren sicherlich auch Bedenken bezüglich der verfügbaren Anwendungen für den kommunalen Bedarf maßgebliche Hemmschuhe.
Nachdem dieser Schritt vermehrt gemeistert wurde, trifft das Fachpersonal seit einiger Zeit auf den artverwandten Begriff Building Information Modeling (BIM). Und abermals werden die kommunalen Mitarbeiter mit der bekannten Problematik konfrontiert, entweder abzuwarten oder aber einen zögerlichen Schritt setzen zu müssen. Da Stillstand im digitalen Zeitalter keine adäquate Option darstellen kann, offenbart sich die Lösung in einem Blick nach vorne. Für den notwendigen Elan sorgen die Möglichkeiten, welche die moderne Erfassungstechnik mit sich bringt.
Realitätsgetreues und BIM-gerechtes Objektmodell
Doch wie definiert sich der Datenumfang, wenn zwar der akute Bedarf bekannt ist, zum Beispiel geplante Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen, die zukünftigen Anwendungsfälle allerdings oftmals noch nicht greifbar sind? Speziell im Bereich der geometrisch-visuellen Daten erlaubt der Einsatz von präzisen 3D-Laserscannern das Schlagen von zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Scanner erfassen geometrische Umgebungsdaten und generieren hochaufgelöste Punktwolken. Aus diesen kann anschließend ein realitätsgetreues und BIM-gerechtes Objektmodell gebildet werden. Zusätzlich werden durch eingebaute, kalibrierte Digitalkameras Bildinformationen vom Messobjekt und seiner Umgebung erfasst und zu einer 3D-Visualisierung verarbeitet. Durch die resultierende immersive Begehungsmöglichkeit der Objekte wird keine physische Vor-Ort-Präsenz mehr vorausgesetzt (siehe auch Seite 18). Die neuen Erfassungsmöglichkeiten beschränken sich indes nicht auf die begehbaren Bereiche, sondern können durch moderne Drohnentechnik erweitert werden. Bereits der Einsatz kleinformatiger Modelle mit anschließender intelligenter Weiterverarbeitung der Mess daten erlaubt die Generierung von multiplem Zusatznutzen, also unter anderem Zustandsbewertung, die Analyse von Photovoltaik-Dachflächenpotenzial und die Ermittlung versiegelter Flächen.
Statische Ergebnisse werden interaktiv
Während die Ergebnisse aus diesen Verfahren bereits Mehrwerte schaffen, spielen sie ihr enormes Potenzial erst durch ihre Integration in CAFM-Anwendungen aus. Bisherige statische Ergebnisse, zum Beispiel Grundrisspläne mit fest definiertem Informationsgehalt, werden zu interaktiven Modellen, die von den Benutzern entsprechend angesteuert werden können, also beispielsweise zur visualisierten Objektnavigation, flexiblen Bemaßung und Massenermittlung sowie zum Hinterlegen und Aufrufen von Metadaten. Das ist durch die Möglichkeit der Datenpräsentation innerhalb einer Browser-Umgebung sogar system-, orts- und tageszeit unabhängig. Ein Sujet ist das fest mit der Industrie 4.0 verbundene Prinzip der vorausschauenden Instandhaltung. Doch wo die Industrie auf Big-Data-Analysen setzen kann, wird auf kommunaler Ebene häufig bereits der Kampf mit dem Status quo zu einer Herausforderung. Neben dem Zwang zur Einhaltung einer gesetzlich vorgeschriebenen, partiell-präventiven Strategie in Bezug auf Regelwerke und Verordnungen reduziert sich oftmals haushaltsbedingt die darüber hinausgehende Instandhaltung bestenfalls auf reaktive Maßnahmen.
Kommunikationsnetzwerke mit verknüpfter Sensorik
Wie also wäre dieser Paradigmenwechsel realistisch zu meistern? Der Fokus sollte auf die Maßnahmen mit dem größten Einsparpotenzial gerichtet werden. Dieses liegt laut der Deutschen Energie-Agentur (dena) sowohl kosten- als auch emissionsbezogen in der energetischen Sanierung von öffentlichen Gebäuden und Liegenschaften. Auf Energieeffizienz ausgerichtete Kommunikationsnetzwerke mit verknüpfter Sensorik, die automatisiert Datenpakete in verschlüsselter Form beispielsweise an eine CAFM-Anwendung senden, bergen sogar bereits Optimierungspotenzial bei einer reaktiv angewandten Instandhaltungsstrategie: Leckagen in Wasserleitungen oder horrende Heizenergieverbräuche fallen dem Ableser nicht erst bei der nächsten händischen Erfassung auf, sondern lösen zeitnah über frei definierbare Warnschwellen Alarmierungsmechanismen aus.
Vorausschauende Zustandserfassung
Mit verhältnismäßig geringem Investitionsbedarf lassen sich auch bestehende Mess-Einrichtungen nachrüsten. Das Einbinden zusätzlicher Sensorik ebnet im Anschluss den Weg zur vorausschauenden Zustandserfassung. Anzuführen wären beispielhaft das Ableiten von zweckmäßigen Wartungsintervallen aus der Analyse von Betriebsstundenzählern und Anlagenausfällen oder die automatische Steuerung der kommunalen Straßenbeleuchtung. Die Anwendungsfälle sind vielfältig und noch nicht annähernd ausgeschöpft.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juni 2020 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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