Sonntag, 22. Dezember 2024

Social-Media-StrategieVon der Kommune zur Community

[29.04.2024] Soziale Medien sind mehr als Unterhaltung – sie dienen auch der Meinungsbildung und Information. Kommunen und Behörden nutzen die Möglichkeiten von Social Media aber noch viel zu wenig. Dabei sind die Einstiegshürden niedriger als oft angenommen.
Kommunen sollten auf Social Media präsent sein.

Kommunen sollten auf Social Media präsent sein.

(Bildquelle: Mirko Vitali/stock.adobe.com)

Rund 54 Millionen Deutsche nutzen soziale Medien. Für viele sind sie auch das wichtigste Informationsmedium, und das betrifft längst nicht nur junge Menschen – ein breites Publikum also, das über Facebook, Instagram, TikTok & Co. erreicht werden könnte. Dennoch halten sich viele Kommunen und Ämter auf sozialen Plattformen zurück. Sie kommen dort, und wohl auch im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, nicht vor. „Wer auf Social Media nicht präsent ist, ist nicht existent“, sagt der Kommunikationsprofi Wolfgang Ainetter, der Behörden und Kommunen zum Thema Social Media berät und mit Co-Autorin Christiane Germann auch ein Buch zum Thema verfasst hat.
Dabei sind die Vorteile, die Kommunen durch gut gemachte Social-Media-Auftritte haben, immens. „Bürgerservice per Social Media kann andere kommunale Stellen konkret entlasten, etwa wenn Bürgerinnen und Bürger nicht zur Sprechstunde antreten müssen“, sagt Ainetter. Chatbots sind kein Ersatz für diesen bürgernahen Dialog: „Die wichtige Aufgabe des Vertrauensaufbaus kann nur von Menschen erledigt werden.“

Planvoll und kontinuierlich vorgehen

Wenn Bürgerinnen und Bürger wissen, dass sie sich auf Informationen ihrer Kommune verlassen können, zahlt sich das auch jenseits des Tagesgeschäfts aus, etwa bei Naturereignissen und anderen kritischen Großlagen. Kommen Kommunen dann dem hohen Informationsbedürfnis mit faktenbasierter Social-Media-Kommunikation nach, können sie die Lage besser managen und Rückhalt gewinnen. Daneben bieten sich soziale Medien auch an, um sich als spannender Arbeitgeber zu zeigen und um freie Jobs zu kommunizieren. Über soziale Medien können Jobsuchende persönlicher angesprochen werden als mit einer (teuren) Stellenanzeige.
All diese Benefits bekommt man als Kreis, Stadt oder Gemeinde jedoch nicht geschenkt – und nicht von Heute auf Morgen. Zwar leben soziale Medien von Spontaneität und Tempo. Um erfolgreich zu sein, müssen Kommunen ihr Engagement jedoch planvoll und kontinuierlich verfolgen. Und das sollte eigentlich jede Kommune tun, nicht nur wegen der offenkundigen Vorteile.

Kommunen sind das Herzstück Deutschlands

Wolfgang Ainetter sieht kommunale Social-Media-Arbeit inzwischen als wichtige, demokratieerhaltende Aufgabe: „Es gilt, Fake News entgegenzusteuern und als Staat mediale Präsenz zu zeigen.“ Zwar sei auch der Großteil der Ministerien und großen Behörden auf Social Media aktiv, aber Kommunen seien agiler und näher an den Bürgerinnen und Bürgern, so Ainetter. „Kommunen machen mich zuversichtlicher als die Ministerien, die oft nur Phrasen und steife Handshake-Fotos posten. So etwas möchte keiner mehr sehen. Oft fehlt es beim Social-Media-Engagement auch an Echo – da wachsen keine Communities. Kommunen hingegen sind das Herzstück Deutschlands. Eine Kommune hat die große Möglichkeit, direkt mit ihren Bürgern ins Gespräch zu kommen. Sie kann Fragen stellen, die die Bürger bewegen und direkt das Leben der Bürger besser machen.“
Doch wie gelingt der Einstieg? Wichtig, so Ainetter, ist eine Gemeinde- oder Behördenspitze, die voll hinter dem Vorhaben „Wir machen jetzt Social Media“ steht. Kommunikation über soziale Medien braucht flache Hierarchien und einen direkten Draht nach oben. Ist dies nicht gegeben, kann auch ein gutes Social-Media-Team nur wenig bewirken. Ein großes Budget braucht Social-Media-Arbeit aber nicht: Schon mit einem Handy lässt sich guter Content produzieren. Erwartet werden Authentizität und Lebendigkeit – keine Videos in Studio­qualität.

Starthilfe von außen, dann selbst weiter machen

Kommunen können und sollten ihre Social-Media-Arbeit gut selbst machen. Übernimmt eine Fremdagentur die Social-Media-Arbeit komplett, passieren schneller Fehler, auch die Authentizität bleibt leicht auf der Strecke. Wenn eine Kommune schon Schritte in Richtung professionelle Qualität gehen wolle, sei es oft sinnvoller, selbst einen Video- oder Grafikprofi anzustellen, statt eine teure Full-Service-Agentur zu verpflichten, so Ainetter. In jedem Fall sei es ratsam, sich Starthilfe von außen zu holen. Steht die Strategie und sind die ersten Weichen gestellt, sollte aber schnell Unabhängigkeit angestrebt werden. Man müsse auch nicht gleich die ganze Bandbreite der möglichen Kanäle abdecken. Besser sei es, nur ein oder zwei Netzwerke zu bespielen – dies aber gut. Der Entscheidung für die genutzten Plattformen sollte eine sorgfältige und vorurteilsfreie Analyse vorausgehen, die verrät, wo die primäre Zielgruppe anzutreffen ist.
Klein und trotzdem gut mit Social Media zu starten, ist also möglich. Dennoch ist die Personalfrage für viele Behörden und Kommunen der Grund für Social-Media-Abstinenz oder einen stagnierenden Community-Aufbau („Bei uns hat niemand Zeit, um Kommentare zu beantworten.“).

Social Media gehen nicht nebenher

In jedem Fall sollten sich Kommunen für die Social-Media-Kommunikation jemanden gönnen, rät Ainetter. Auch für eine vorhandene Pressestelle sei es schwierig, „Social Media mal eben mitzumachen“. Im Idealfall sollten für Social-Media-Arbeit genauso viele Stellen vorhanden sein wie für die klassische Pressearbeit. Um geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese Aufgabe zu finden, müsse man nicht unbedingt nur in der eigenen Kommunikationsabteilung suchen. Manchmal fänden sich Naturtalente auch in anderen Abteilungen, wie ein Blick in die Privat-Accounts zeige. „Obwohl die Behörden so wenig Leute haben, ist da noch viel Potenzial“, so Ainetters Erfahrung. Wichtig sei, dass man für die gefundenen Kommunikationstalente dann auch Freiräume schaffe. Davon profitiere nicht nur die Social-Media-Kommunikation: Das gewährte Vertrauen verbessere den Talenten das berufliche Leben und binde sie an ihre Arbeitsstelle.

Shitstorms sind selten

Ein weiterer Grund, der Kommunen daran hindert, sich auf Social Media zu engagieren, ist die Befürchtung, Hassbotschaften, Verschwörungstheorien oder gar einer Empörungswelle nicht angemessen begegnen zu können. Eine gute Vorbereitung nimmt hier den Druck. Dazu gehören angepasst formulierte, öffentlich einsehbare Benimmregeln (Netiquette), ein aktives Community Management und ein auch fachlich gut vorbereitetes Social-Media-Team. „Die Hetzer, Hasser und Demokratieverächter im Netz sind laut – aber die dankbaren Stimmen auch“, sagt Wolfgang Ainetter. Hat man sich erst einmal eine solide Fanbase erarbeitet, kommt bei Angriffen nicht selten auch Hilfe aus deren Reihen. Manche der – im Übrigen sehr seltenen – Shitstorms haben sogar positive Folgen: Wer dann transparent und besonnen reagiert, kann auch neue Fans gewinnen.
Kommunen und Ämter müssen dem radikal veränderten Mediennutzungsverhalten der Bevölkerung gerecht werden und sollten den Schritt in die Social-Media-Kommunikation wagen. Ainetter: „Ihre eigene Arbeit zu erklären, ist eine der wichtigsten Aufgaben, die eine Kommune gegenwärtig hat.“ Werden soziale Medien ernst genommen, kann das auch gelingen.

Sibylle Mühlke


Stichwörter: Social Media,


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