Samstag, 22. Februar 2025

Neckar-Odenwald-KreisVorreiter im ländlichen Raum

[11.02.2021] Glasfaser flächendeckend bis in jedes Haus will der Neckar-Odenwald-Kreis bieten – und zwar schneller als von der Bundesregierung vorgesehen. Als ländlicher Raum mit Weitblick setzt die Kommune auf den privatwirtschaftlichen Ausbau.
Im Neckar-Odenwald-Kreis kommt die Glasfaser bis ins Haus.

Im Neckar-Odenwald-Kreis kommt die Glasfaser bis ins Haus.

(Bildquelle: Breitbandversorgung Deutschland (BBV))

Wie wichtig leistungsfähige Breitband-Infrastrukturen und die Digitalisierung für alle Lebensbereiche sind, zeigt mit aller Heftigkeit die Corona-Pandemie. Die Frage lautet deshalb nicht mehr ob, sondern wann und wie rasch in die Glasfaser investiert wird? Neue Wege beschreitet hierzu eine bundesweit bislang einzig­artige Kooperation im baden-württembergischen Neckar-Odenwald-Kreis: Bis zum Jahr 2024 will dieser gemeinsam mit der Breitbandversorgung Deutschland (BBV) und dem hinter dem Netzbetreiber stehenden britischen Investor Infracapital die Zukunftstechnologie im gesamten Kreis flächendeckend bis in jedes Haus bringen. Das Besondere: Der Ausbau wird komplett ohne Fördermittel und staatliche Gelder privatwirtschaftlich finanziert. Das Vorhaben ist somit eine wichtige Blaupause für den beschleunigten Glasfaserausbau und die schnellere Digitalisierung im ländlichen Raum.
Gigabitnetze gelten als Basis für die schrittweise Ausgestaltung der digitalen Gesellschaft und sollten allen Bürgern, Unternehmen und Institutionen zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung strebt daher bis zum Jahr 2025 den Ausbau von Gigabitnetzen in jeder Region und jeder Gemeinde an. Die meisten Experten erwarten allerdings, dass sich dieses ehrgeizige Ziel erst in zehn oder mehr Jahren realisieren lässt. Zum einen fehlen Tiefbaukapazitäten, zum anderen beschleunigen staatliche Fördermaßnahmen die Nachfrage und führen zu steigenden Ausbaukosten. Auch sind die Genehmigungszeiten zu lang und die in den vergangenen Jahren mit hohem Aufwand großflächig geförderte Aufrüstung der Kupfer­infrastrukturen via Vectoring blockiert die Glasfasernachfrage großer Bevölkerungsteile zusätzlich.

Ein ambitioniertes Leuchtturmprojekt

Nicht so lange warten wollen der Neckar-Odenwald-Kreis und die BBV Deutschland. Im engen Schulterschluss mit allen 27 Kommunen wollen sie erreichen, dass der gesamte Landkreis bis 2024 mit Glasfaser bis in jedes Haus versorgt wird. Ein anspruchsvolles Ziel, das so noch niemand angestrebt hat. Denn es geht um die Versorgung von knapp 44.000 Gebäuden und eine Gesamtfläche von mehr als 1.100 Quadratkilometern bei nur 144.000 Einwohnern. Die geschätzten Investitionskosten von 125 Millionen Euro bringt die BBV mittels ihres Gesellschafters Infracapital privatwirtschaftlich auf. Damit setzen die Beteiligten ein wichtiges Zeichen für den privatwirtschaftlichen Glasfaserausbau in ganz Deutschland, der ökonomisch immer Vorrang vor der staatlichen Förderung mit Steuergeldern haben sollte. „Wir konzentrieren uns auf Unternehmen, die auf den Glasfaserausbau spezialisiert sind“, erklärt Jürgen Hansjosten, Geschäftsführer der Infracapital Deutschland Holding, der deutschen Tochter von Infracapital. „Der Neckar-Odenwald-Kreis ist für alle Beteiligten und uns ein Leuchtturmprojekt, auf das derzeit viele – von der Politik bis hin zur gesamten Glasfaserbranche – mit großem Interesse schauen. Denn der neue Ansatz des flächendeckenden Glasfaserausbaus eines gesamten Landkreises bis in jedes Gebäude ist innovativ und verspricht viel früher zum Ziel bundesweit überall verfügbarer Gigabitnetze zu kommen.“

Win-win-Situation für alle

Im Vergleich zu vielen anderen kam der Neckar-Odenwald-Kreis im Breitband-Bereich bislang recht gut durch die Pandemie. Dank einer vorausschauenden Ausbaupolitik des Kreises und seiner Kommunen stehen seit dem Jahr 2018 für mehr als 97 Prozent aller Anschlüsse (über 65.000 Haushalte) mit den ausgebauten Kupferinfrastrukturen Geschwindigkeiten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) im Down- und bis zu 40 Mbit/s im Upload bereit. Mit dieser Leistungsfähigkeit belegen die Neckar-Odenwälder in der Breitband-Versorgung des ländlichen Raums in Baden-Württemberg einen Spitzenplatz. Allerdings haben Kupferinfrastrukturen angesichts der neuen Gigabitnetze eine zeitlich sehr begrenzte Zukunft. Landrat Achim Brötel sieht in dem neuen Ausbauvorhaben deshalb eine Jahrhundertchance für die Kommunen: „Wir erhalten wahrscheinlich als erster Flächenlandkreis im ländlichen Raum bundesweit einen Glasfaseranschluss direkt für jedes Gebäude.“ Basis für das Gelingen des Projekts ist die enge Kooperation aller Beteiligten. So unterstützt der Landkreis die BBV bei der Entwicklung eines landkreisweit flächendeckenden Konzepts, damit alle Kommunen gleichermaßen vom Glasfaserausbau profitieren. Zudem kann die BBV Synergieeffekte nutzen und muss nicht für jede einzelne Gemeinde alle Planungs- und Marketing-Phasen durchlaufen. Eine klassische Win-win-Situation für alle – auch für die Bürger und Gewerbebetriebe.

Neue Basis in der Vorvermarktung

Voraussetzung für den Ausbau im Landkreis sind die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens sowie eine gewisse Mitwirkungsbereitschaft der Hauseigentümer und Unternehmen. Bis Ende März 2021 läuft die Vorvermarktung der Glasfaser. Auch hier geht die BBV neue Wege: So galt bisher beim privatwirtschaftlichen Ausbau eine Vorvermarktungsquote um die 40 Prozent als Basis. Aufgrund des langfristigen Investitionsansatzes des Investors Infracapital startet der Ausbau im Neckar-Odenwald-Kreis hingegen bereits bei 20 Prozent. Das entspricht rund 14.000 Haushalten. Und das Erreichen dieses Ziels rückt näher: Mitte Januar hatten sich trotz pandemiebedingt widriger Vermarktungsbedingungen schon mehr als ein Drittel der notwendigen Haushalte und Unternehmen für das Angebot der BBV Deutschland entschieden. Wenn das Ziel erreicht ist und der Ausbau feststeht, rechnet die BBV mit einem weiteren Nachfrageschub, da viele potenzielle Kunden noch abwarten.
Darüber hinaus leben das Unternehmen und Infracapital den Open-Access-Gedanken. Der Zugang zum marktüblichen Preis auf ein großes, zusammenhängendes Netz ist für viele Breitband-Anbieter interessant, um eigene Dienste zu vermarkten. Langfristig sind so Penetrationsraten von 60 bis 70 Prozent oder mehr durchaus realistisch.

Nachfrage zieht an

Bis zum Ende der Vorvermarktung sind der Haus- und Glasfaser­anschluss sowie die ersten zehn Meter Ausbau von der Grundstücksgrenze bis zum Gebäude für die Kunden in der Regel kostenlos. Die BBV vermarktet über ihr Glasfasernetz unter der Marke toni Internet-, Telefonie- und TV-Dienste. Gemeinsames Kennzeichen aller angebotenen toni-Internet-Produkte sind deren symmetrische Geschwindigkeiten.
Das allgemeine Verständnis für die Notwendigkeit der Glasfaser ist durch Corona deutlich gewachsen. So zieht nach verhaltenem Beginn seit November 2020 die Nachfrage im gesamten Kreis deutlich an. Vorausplanungen laufen schon, denn der Ausbau eines ganzen Landkreises ist eine logistische und zeitliche Herausforderung. Tiefbaukapazitäten sind dabei aber kein Problem, da sich die BBV bereits vorvertraglich zahlreiche regionale und überregionale Tiefbauer gesichert hat.
Der Ausbau soll zeitgleich im Süden und Norden des Kreises beginnen, sich in der Mitte treffen und in den kommenden zwei bis drei Jahren geografisch in die Breite gehen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Stadt Buchen mit ihren bereits vorhandenen Glasfaserin­frastrukturen zu.

Thomas Fuchs ist freier Journalist in Gummersbach.




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