FachverfahrenWahlen sind hochsensibel
Nach der Wahl ist vor der Wahl, so ein geflügeltes Wort. Irgendwo wird immer schon die nächste Kommunal-, Landtags- oder die Bundestagswahl vorbereitet. In den 1990er- und 2000er-Jahren träumte man noch von der elektronischen Stimmabgabe an Wahl-Computern – bis der Chaos Computer Club diese Initiative durch eine Bundestagspetition zu Fall brachte und das Bundesverfassungsgericht im März 2009 entschied, dass der Einsatz von Wahl-Computern bei der Bundestagswahl 2005 verfassungswidrig war. Wahlen müssen öffentlich und verifizierbar sein, und was im Inneren eines Rechners vorgeht, so das zentrale Argument, ist letztlich durch Wähler oder auch Wahlvorstände nicht nachvollziehbar.
Vorbereitung von Wahlen
Gleichwohl hat sich die digitale Unterstützung bei Wahlen durchgesetzt. Heute wird vor allem im Vorfeld und bei der Auswertung der Wählerstimmen Software eingesetzt: Vielerorts ist das der votemanager der Firma vote iT, einer Tochter des Aachener IT-Dienstleisters regio iT und weiterer kommunaler Gesellschafter wie AKDB, KDO und ekom21. Der votemanager dient der Vorbereitung von Wahlen, von der Einteilung des Wahlgebiets über die Organisation von Wahllokalen bis hin zum Wahlhelfer-Management. Die gesamte Personalplanung für den Wahltag kann darüber abgewickelt werden, alle dafür notwendigen Formulare und Unterschriftenlisten sind hinterlegt. Die Software merkt sich sogar die Teams der vorherigen Wahl und die bevorzugten Funktionen der einzelnen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer.
Wahlzettel händisch erfasst
Ebenso unterstützt der votemanager Kreise und kreisangehörige Kommunen bei der Zusammenarbeit. Am Wahltag selbst kommt die Software vor Ort jedoch nicht zum Einsatz. In den Wahllokalen stehen keine Computer – die abgegebenen Stimmzettel werden von den Wahlhelfern händisch erfasst und ausgezählt. Die Wahlleiter vor Ort übermitteln das Ergebnis jedes einzelnen Wahllokals telefonisch an das Rathaus, bei der Bundestagswahl an den Kreiswahlleiter. Dort erst wird das Stimmverhältnis in den votemanager getippt und auf Plausibilität geprüft. Nur in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz, wo Kumulieren und Panaschieren möglich und die Stimmzettel bis zu 1,80 Meter lang sind, werden diese mithilfe des so genannten Stimmzettelmoduls elektronisch erfasst, wobei der aktuelle Status (gültig, ungültig, Stimmenverteilung) den Angaben des Herstellers zur Folge jederzeit sichtbar bleibt.
Zwölf Prüfungen
Heiner Jostkleigrewe, stellvertretender Geschäftsführer und Prokurist bei vote iT, verweist auf die Effizienzgewinne beim Einsatz der Software: „Die Ergebnisse werden während der Eingabe auf mathematische Richtigkeit geprüft. So müssen etwa die gültigen und ungültigen Stimmen die Summe der Wähler ergeben und die Wähler müssen kleiner oder gleich den Wahlberechtigten sein. Wenn das exakt gleiche Wahlergebnis in einem zweiten Wahlbezirk eingegeben wurde, führt auch dies zu einem Warnhinweis. Insgesamt zwölf Prüfungen zur Steigerung der Qualität der Ergebniseingaben und viele weitere Plausibilitätsprüfungen sind implementiert.“
Mängel beseitigt
Auf dem letztjährigen Weihnachtskongress des Chaos Computer Club haben zwei IT-Sicherheitsexperten des Fraunhofer Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit auf Sicherheitsmängel in der Software votemanager hingewiesen. Die beiden waren Wahlhelfer bei der bayerischen Kommunalwahl 2020, und dabei waren ihnen unzulängliche Administratorenrechte aufgefallen. Zudem beanstandeten sie, dass die Software von keiner unabhängigen Stelle kontrolliert werde. Schon bei der hessischen Kommunalwahl im März 2021 waren die Mängel beseitigt, wie seinerzeit der hessische Wahlleiter Wilhelm Kanther bestätigte. Denn vote iT hatte unmittelbar, nachdem es darauf hingewiesen wurde, reagiert und technische Veränderungen veranlasst. Auch wurden so genannte Penetrationstests durch eine unabhängige Firma durchgeführt und einige Auffälligkeiten beseitigt. Ohnehin betrafen die Mängel ausschließlich die Stimmzettelerfassung und nicht den votemanger, hebt Jostkleigrewe hervor: „Das Thema Sicherheit steht für uns an erster Stelle und das führt teilweise dazu, dass wir Funktionalitäten, die die Wahlämter früher nutzten und die bequem waren, nicht mehr anbieten können, weil sie nicht sicher sind.“
Umfangreiche Wahl-Tests
In diesem Jahr stehen noch eine Kommunalwahl, vier Landtagswahlen und die Wahl zum deutschen Bundestag an. Bei der Kommunalen Datenverarbeitung Oldenburg (KDO) laufen die Vorbereitungen für die niedersächsischen Kommunalwahlen am 12. September bereits auf Hochtouren. Weit über eine Millionen Wahlbenachrichtigungsbriefe werden von dem kommunalen IT-Dienstleister verschickt. Auch in Niedersachsen wird die Software votemanager nahezu flächendeckend genutzt. „Wir setzen auf Hochleistungssysteme in einem ISO-zertifizierten Rechenzentrum“, erläutert Rolf Beyer, Verbandsgeschäftsführer der KDO. „Im Vorfeld der Wahl werden umfangreiche Last- und Performance-Tests zur Absicherung durchgeführt. Darüber hinaus initiieren wir umfangreiche Wahltests unter Einbeziehung unserer Kunden – wir machen also eine große Generalprobe.“
Die Teilnahme an Wahltests wird den Kommunen ausdrücklich nahegelegt und zusätzliche Schulungen angeboten – denn Wahlen sind kein Tagesgeschäft, weder für Kommunen noch für deren IT-Dienstleister, sondern hochsensible Ereignisse.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juni 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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