Donnerstag, 5. Dezember 2024

E-VergabeWas Bieter wissen müssen

[29.07.2019] Die Umstellung auf die E-Vergabe beschäftigt auch die Rechtsprechung. Urteile der Vergabekammern betreffen beispielsweise die Pflicht zur Verschlüsselung von Angeboten, den Zugang zu Vergabeunterlagen sowie den technischen Ablauf von Vergabeverfahren.
E-Vergabe beschäftigt auch die Rechtsprechung.

E-Vergabe beschäftigt auch die Rechtsprechung.

(Bildquelle: vegefox.com/Fotolia.com)

Seit Einführung der E-Vergabe beschäftigt sich auch die Rechtsprechung zunehmend mit der Thematik – unter anderem mit der Pflicht zur Verschlüsselung, die ebenso bei der Abgabe von Teilnahmeanträgen gilt.
Bei einer europaweiten Ausschreibung wurde beispielsweise der Neubau eines Schulzentrums im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben. Die Teilnahmeanträge durften nur über einen vorgeschriebenen Kanal abgegeben werden. Ein Unternehmen nutzte jedoch ein einfaches Kommunikationsformular zur Abgabe des Antrags. Bei der Übertragung des Formulars fand keine Verschlüsselung statt. Der Auftraggeber schloss das Unternehmen aufgrund von Formfehlern aus. Dies rügte das Unternehmen und reichte einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Lüneburg ein.

Verschlüsselung ist Pflicht

Die Vergabekammer gab dem Auftraggeber recht, da die Form nicht gewahrt worden war. Der Teilnahmeantrag muss ebenso wie ein Angebot verschlüsselt abgegeben werden, um die geforderte Datensicherheit zu gewährleisten. Zudem ist zu verhindern, dass auf Teilnahmeanträge vor Ende der Teilnahmefrist zugegriffen werden kann. Über den Weg, den das Unternehmen gewählt hatte, wurde der Antrag hingegen unverschlüsselt übermittelt, und es konnte auf diesen jederzeit vor Fristende zugegriffen werden. Auf dem Vergabeportal standen zwar zwei Formulare zur Verfügung, das vom Bewerber verwendete Kommunikationsformular war jedoch eindeutig nur für Fragestellungen vorgesehen. Das zweite Formular diente der Abgabe des Teilnahmeantrags. Alle anderen Bewerber haben dies eindeutig erkannt und sind korrekt vorgegangen. Weder der öffentliche Auftraggeber, noch der Anbieter eines E-Vergabe-Systems müssen in den Vergabeunterlagen mehr erklären, als in § 13 EU VOB/A beschrieben ist, so die Vergabekammer (VK Lüneburg, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – VgK-50/2018).

Zugang zu Vergabeunterlagen

In einem weiteren Beschluss hat die Vergabekammer Bund zudem noch einmal klargestellt, was es mit dem Zugang zu Vergabeunterlagen nach § 41 Vergabeverordnung (VgV) auf sich hat (siehe auch Seite 20). In einem offenen Verfahren schrieb ein öffentlicher Auftraggeber die Lieferung von 40.000 elektronisch höhenverstellbaren Bildschirmarbeitstischen aus. In der Auftragsbekanntmachung wurde eine Website angegeben, über welche die zwei relevanten technischen Lieferbedingungen (TL) veröffentlicht wurden. Um diese einzusehen, mussten die Unternehmen jedoch verschiedene Links aufrufen und in eine Suchmaske die Nummer der beiden TL eintragen. Zudem sollten die Zeichnungssätze erst bei Angebotsaufforderung/Auftrag oder auf besondere Anforderung herausgegeben werden. Die Stelle, bei der man diese erhalten sollte, wurde nicht genannt.
§ 41 VgV verpflichtet den Auftraggeber jedoch, Vergabeunterlagen über einen Link direkt und vollständig den interessierten Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Diese zwingenden Vorgaben wurden im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Zum einen mussten die Unternehmen sich mehr oder weniger zu den TL durchklicken, zum anderen standen die für eine Angebotsabgabe notwendigen Zeichnungssätze an dieser Stelle nicht zur Verfügung. Im Gegenteil, das klagende Unternehmen erfuhr erst über Umwege, wie und wo es diese anfordern konnte. Überraschend kommt hinzu, dass der Verweis auf die TL unter den Eignungsvorgaben zu finden war. Damit hatte das Bieterunternehmen nach Auffassung der Vergabekammer nicht zu rechnen (VK-Bund, Beschluss vom 19. Juli 2018 – VK 2-58/18).

Software darf nicht mitentscheiden

Elektronische Vergabeplattformen sorgen für einen effizienten Ablauf von Bieterverfahren. Wenn die Software aber beginnt, inhaltlich mitzuentscheiden, sind Grenzen zu ziehen und zu beachten. So war ein Bieter aufgrund technischer Schranken der Vergabeplattform von der Angebotsabgabe ausgeschlossen worden. Das Unternehmen wollte fristgerecht ein Angebot abgeben, wurde aber vom E-Vergabe-System abgelehnt: Das Angebot konnte aufgrund fehlender Produktangaben nicht hochgeladen werden. Das Fehlen speziell dieser Angaben sei aber eine Frage der Prüfung und Wertung, so die Meinung des Bieters. Das System dürfe die Abgabe eines formgerechten elektronischen Angebots nicht von vornherein aufgrund des Fehlens dieser Angaben unterbinden.
Die Vergabekammer Südbayern hat den Ausschluss des betroffenen Angebots im Ergebnis zwar bestätigt – der Ausschluss war rechtmäßig, weil der Bieter sein Angebot aufgrund der technischen Schwierigkeiten in Papierform zugestellt hatte, obwohl ausschließlich die elektronische Einreichung zugelassen worden war – in der Sache folgte die Kammer aber der Rechtsauffassung des Unternehmens. Eine materielle Frage der Prüfung und Wertung eines Angebots dürfe nicht umgangen werden, indem unvollständige Angebote gar nicht erst in den Machtbereich des Antragsgegners gelangen. Die von einem System vorgenommene Sperre der Angebotsabgabe wegen fehlenden Produktangaben ist folglich unzulässig (VK Südbayern, Beschluss vom 4. Mai 2018 – Z3-3-3194-1-05-03/18). Der Auftraggeber setzte daraufhin das Verfahren in den Stand vor der Submission zurück, womit sich das Vergabenachprüfungsverfahren erledigte. Die Vergabeplattform hatte er schon während des laufenden Verfahrens technisch nachgebessert und eine Schaltfläche „unvollständige Angebote akzeptieren“ eingefügt. Damit kann die Vergabe-Software den Prozess der Abgabe unterstützen, aber sie entscheidet nicht mit.

Technik-Kenntnisse werden vorausgesetzt

Mit einem weiteren Beschluss hat die Vergabekammer Südbayern in der Ausschreibungswelt für einigen Wirbel gesorgt. Bieter sind demnach gut beraten, vor Teilnahme an einem E-Vergabe-Verfahren genau zu prüfen, welche technischen Voraussetzungen zur Angebotsabgabe notwendig sind. Im Zweifel sollte ein klärendes Gespräch mit der eigenen IT oder dem Kunden-Support der jeweiligen Vergabeplattform stattfinden.
Der Fall: Ein öffentlicher Auftraggeber hat eine Baumaßnahme in einem EU-weiten, offenen Verfahren elektronisch ausgeschrieben. Die Vergabeunterlagen waren vergaberechtskonform über einen Link vollständig und direkt abrufbar. Zudem wies der öffentliche Auftraggeber in der Bekanntmachung darauf hin, dass für die elektronische Kommunikation „die Verwendung von Ins­trumenten und Vorrichtungen erforderlich“ sind, „die nicht allgemein verfügbar sind“. Diese waren über einen Link, der ebenfalls genannt wurde, kostenfrei zugänglich. Im Übrigen waren nur elektronische Angebote zugelassen, die über die vom Auftraggeber verwendete Vergabeplattform versendet wurden. Hierfür war eine Registrierung notwendig. Für das Herunterladen und Bearbeiten der Angebote wurde ein entsprechender Bieter-Client zur Verfügung gestellt.
Bis zur Angebotsfrist gab ein Bieter ein elektronisches Angebot ab. Ein anderer Bieter, die Antragstellerin, telefonierte nach Ablauf der Angebotsfrist mit einem Mitarbeiter der Vergabestelle und informierte diesen über technische Schwierigkeiten bei der Angebotsabgabe. Anschließend übersandte die Antragstellerin das Angebot per E-Mail. Dieses wurde mit der Begründung ausgeschlossen, dass es nicht der geforderten Form entsprach. Die Antragstellerin hatte vor der Vergabekammer Südbayern keinen Erfolg. Aus Sicht der Vergabekammer wurden allen Bietern eine funktionierende Vergabeplattform sowie die erforderlichen Informationen über die technischen Voraussetzungen zur elektronischen Angebotsabgabe zur Verfügung gestellt.
Während der mündlichen Verhandlung zeigte sich, dass die technischen Probleme aufseiten der Antragstellerin lagen. Diese verwendete ein veraltetes Programm und ignorierte den Hinweis auf notwendige Updates. Nach Auffassung der Vergabekammer kann davon ausgegangen werden, dass Unternehmen, die an EU-weiten Vergabeverfahren teilnehmen, bekannt ist, dass das Unterlassen von durchzuführenden Updates zu Funktionseinbußen bei Computer-Programmen führen kann (VK Südbayern, Beschluss vom 19. März 2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17).

Ralf Stötzel LL.M. ist Fachanwalt für Vergaberecht und Internationales Wirtschaftsrecht bei der Kanzlei Göhmann Rechtsanwälte und Notare.




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