InterviewWeg und Ziel nicht verwechseln
Herr Dr. Ziemons, wie sah die Situation der Gesundheitsämter im März 2020 in Aachen aus, als die Corona-Pandemie begann? Welche Rolle spielte das Faxgerät?
Wir benutzen im Gesundheitsamt in Aachen schon seit 20 Jahren eine digitale Fachanwendung. Als die Corona-Pandemie begann, fehlte es vor allem in Laboren und Arztpraxen an Möglichkeiten, Fälle digital so zu melden, dass sie bei uns in die Fachanwendung passen. Insofern quoll wirklich jeden Morgen das Faxgerät über. Wir waren auf Infektionskrankheiten wie Masernausbrüche und Tuberkulosefälle vorbereitet, aber nicht auf eine Pandemie. Alles kam per Fax an und musste händisch in die Fachanwendung getippt werden. Das dauerte pro Fall zehn bis 15 Minuten. Auch Fallzahlen digital ans Robert Koch-Institut (RKI) zu melden, funktionierte nicht. Wir konnten Fälle digital erfassen und eine digitale Fallakte führen, haben dann aber eine E-Mail an das Landeszentrum für Gesundheit (LZG) in Bochum geschickt und von dort wurde ans RKI gemeldet.
Die Überlastung der Gesundheitsämter hat den schlechten Ausstattungszustand der Behörden offenbart. Mangelte es nur an IT-Ausstattung?
Es gab schon einige Gesundheitsämter, die mit einer Fachanwendung gearbeitet haben, viele Kolleginnen und Kollegen in anderen Kommunen haben aber auch Excel-Tabellen genutzt. Auch bei uns hat es eine gewisse Zeit gebraucht, bis unsere Computer-Firma die neue Infektionskrankheit Covid-19 und alle Tools wie ein Symptomtagebuch und so weiter dazu programmiert hatte. Es waren aber nicht alleine die Gesundheitsämter, bei denen es zunächst schleppend lief. Auch die Labore waren nicht in der Lage, ihre Fälle digital zu melden. Wir haben hier in der Städteregion sogar ein Labor, das bis heute nur mit Fax arbeitet, obwohl das gesetzlich gar nicht mehr erlaubt ist.
Die kommunalen Spitzenverbände haben als Kernproblem die mangelnde digitale Vernetzung identifiziert…
Ein Fehler war sicherlich, digitale Vernetzung nur auf der horizontalen Ebene zu betrachten. Lange stand der digitale Austausch zwischen den Gesundheitsämtern im Fokus. Mindestens genauso wichtig ist aber die vertikale Ebene: vom Arzt ins Labor, vom Labor ans Gesundheitsamt, vom Gesundheitsamt ans LZG, vom LZG ans RKI. Diese Kette funktioniert bis heute nicht ordentlich und zu umständlich.
Was hat sich in den vergangenen zwei Jahren verändert?
Es ist sehr viel geschehen. Wir haben uns hier mit unserer Software so aufgestellt, dass wir alles digital bearbeiten können: von der Meldung und Erfassung von Fällen über Kontakt- und Symptomtagebücher bis hin zum Monitoring von Ausbrüchen. Wir können sogar eine Geokarte erstellen und darauf erkennen, wo wie viele Fälle sind. Und selbstverständlich sind wir in der Lage, Fälle digital auszutauschen. Jetzt brauchen wir noch eine datensparsame und sichere Lösung, um Veranstaltungen zu erfassen. Aber bitte nicht mit der unsicheren Luca-App. Ich wundere mich ständig, dass die noch nicht gehackt wurde. In Nordrhein-Westfalen haben wir uns für IRIS connect entschieden, eine Schnittstelle, an die sich verschiedene technische Lösungen wie etwa die Darfichrein-App andocken können.
„Die Instrumente des Pakts für den öffentlichen Gesundheitsdienst sind viel zu kompliziert.“
Warum nutzen Sie nicht die einheitliche SORMAS-Lösung, die den Gesundheitsämtern vom Bund zur Verfügung gestellt wurde?
Auch wir haben SORMAS aufgrund erheblichen politischen Drucks auf unsere Systeme gespielt und einen Vertrag mit dem Helmholtz-Institut geschlossen. Aber wir haben die Software niemals benutzt, weil man damit keine anderen Infektionskrankheiten erfassen kann. Wir müssten dann mehrere Programme nebeneinander laufen lassen. Ich würde behaupten, dass 90 Prozent der Gesundheitsämter, die SORMAS installiert haben, es am Ende nie genutzt haben. Aus meiner Sicht wurden Weg und Ziel verwechselt. Das Ziel ist, dass alle Gesundheitsämter digital und medienbruchfrei Fälle austauschen können. Der Weg dahin ist aber keine Einheitslösung, sondern sind kompatible Schnittstellen. Man muss jedoch unterscheiden zwischen Eigen- und Fachanwendungen. Es gab tatsächlich Gesundheitsämter, die sich quasi als Hobbyprogrammierer betätigt haben und mit einer sehr aufwendigen Excel-Tabelle hantieren. Im Vergleich dazu stellt SORMAS natürlich eine Verbesserung dar. Für jedes Gesundheitsamt, das eine professionelle Software eingesetzt hatte, war es allerdings ein Rückschritt. Ich verstehe diese Freude am Monopol hierzulande nicht.
Immerhin ein öffentliches Monopol…
Der Hersteller ist ein Forschungsinstitut, das anderen Handlungslogiken folgt, als auf dem Markt zu bestehen, und andere Interessen hat als ein Gesundheitsamt. Wenn ich ein digitales Formular benötige, damit Patienten und Kontaktpersonen ihre Daten eintippen können, dann setzt das unser Software-Hersteller binnen zwei Wochen um. Das Helmholtz-Institut sagt womöglich, dass sie Ausbrüche monitoren und keine Servicelösungen für Bürger entwickeln wollen. Übrigens entspricht SORMAS auch nicht dem Datenschutz, da die Software nicht in der Lage ist, Dateien nach den geltenden Fristen rechtzeitig zu löschen. Wären der Aufwand und das Geld, das wir in SORMAS gesteckt haben, für IRIS connect verwendet worden, hätten wir keine Probleme bekommen.
Was müsste jetzt im Gesundheitswesen dringlich bezüglich der Digitalisierung noch alles geschehen?
Ich mache mir große Sorgen über die allgemeine Impfpflicht. Wenn sie kommen sollte, muss jedem klar sein, dass die Gesundheitsämter das nicht kontrollieren können. Ein Weg könnte die elektronische Patientenakte sein, dann sind aber die Krankenkassen in der Pflicht. Ich bin überzeugt, dass man mit viel Engagement auch definieren kann, wer auf welche Daten zugreifen darf. Das ist ja bislang das Problem. Dringlich ist natürlich auch weiterhin die schlechte Ausstattung mit Geräten. Die Instrumente des Pakts für den öffentlichen Gesundheitsdienst sind viel zu kompliziert, weil wir sehr aufwendige Anträge schreiben müssen. Darüber hinaus gibt es noch genügend Bereiche im Gesundheitsamt, die einen Digitalisierungsschub vertragen. Wir brauchen Lösungen, wie sie der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit aufgestellt hat, beispielsweise IRIS connect. Bei allen Digitalisierungslösungen, die jetzt kommen, müssen wir immer den Datenschutz im Blick haben. Personenbezogene Gesundheitsdaten sind für viele Branchen sehr attraktiv. Deswegen müssen wir sie besonders schützen und nur sichere und datensparsame Lösungen einsetzen.
Potsdam: Onlinedienst für Fundsachen
[03.12.2024] Verlorene oder gefundene Gegenstände können in Potsdam jetzt auch online gemeldet werden. Der neue Service erleichtert das Verfahren sowohl für Finderinnen und Finder als auch für Suchende. mehr...
Augsburg: Digitaler Stadtplan zur Barrierefreiheit
[26.11.2024] Mit dem digitalen Stadtplan Augsburg barrierefrei hat die bayerische Kommune ein neues Projekt gestartet, das Menschen mit Behinderung detaillierte Informationen zur Barrierefreiheit von Orten und Gebäuden bietet. Alle Angaben wurden durch Begehungen vor Ort überprüft und digital erfasst. mehr...
Leipzig: Baumaßnahmen-Dashboard ist online
[26.11.2024] Die Stadt Leipzig hat ein Online-Dashboard zur Schul- und Kitabaustrategie veröffentlicht. Es bietet aktuelle Einblicke in laufende und geplante Baumaßnahmen im Bildungsbereich, übersichtlich dargestellt auf einer Stadtkarte mit detaillierten Informationen zu jedem Projekt. mehr...
Nürnberg: E-Government-Beauftragte der Stadt ausgezeichnet
[19.11.2024] Nürnbergs E-Government-Beauftragte, Eugenia Strasser, ist mit dem WIN-Award der Vogel IT-Akademie ausgezeichnet worden. Sie belegt somit den zweiten Platz als Woman of the Year 2024. mehr...
Köln: Bürgerfreundliche Bescheide ausgezeichnet
[18.11.2024] Das Public Service Lab hat die Stadt Köln für ihr Projekt Formularwerkstätten mit dem Preis für gute Verwaltung 2024 ausgezeichnet. Das Kölner Innovationsbüro hilft Fachämtern dabei, Formulare verständlicher zu gestalten und so den Zugang zu staatlichen Angeboten zu verbessern. mehr...
Bitkom: Neuer Geschäftsbereich „Public Sector“
[15.11.2024] Der Digitalverband Bitkom strukturiert sich neu: Die Geschäftsbereiche „Public Sector“ und „Digitale Gesellschaft“ werden eigenständige Kompetenzbereiche. Themen wie Künstliche Intelligenz und Digitale Souveränität rücken stärker in den Fokus. mehr...
Immobilienmanagement: Stadt Eisenach setzt Maßstäbe
[11.11.2024] Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen verpflichtet Kommunen zum sicheren Betrieb ihrer Immobilien. Die Stadt Eisenach hat durch Digitalisierung und Prozessoptimierung die Verwaltung ihrer Immobilien neu strukturiert. Dabei setzte die Kommune auf externe Unterstützung und internen Kompetenzaufbau. mehr...
Brandenburg: Werbekampagne für Onlinedienste
[08.11.2024] Eine Werbekampagne soll Brandenburgerinnen und Brandenburger auf die bereits verfügbaren digitalen Verwaltungsdienste aufmerksam machen. Das Land stellt für Kommunen Printmaterialien und Downloads bereit, mit denen Bürgerinnen und Bürger ohne großen Aufwand über verfügbare Online-Dienste informiert werden können. mehr...
Wiesbaden: Vernetzt zur digitalen Transformation
[05.11.2024] Die Stadt Wiesbaden ist dem Netzwerk NExT beigetreten, um durch Austausch mit über 2.000 Fachleuten innovative Ansätze für eine bürgerorientierte Verwaltung zu entwickeln und Best Practices anderer Städte zu nutzen. mehr...
Brake: Gewerbesteuerbescheid wird digital
[29.10.2024] Die Stadt Brake (Unterweser) ist die erste Kommune Niedersachsens, die Gewerbesteuerbescheide digital über ELSTER versendet. Das Pilotprojekt von Axians Infoma und KDO zeigt, wie medienbruchfreie Verwaltungsprozesse die Verwaltung, aber auch die Steuerpflichtigen selbst entlasten können. mehr...
Frankfurt am Main: Erweiterung für die Urbane Datenplattform
[28.10.2024] Die Stadt Frankfurt am Main hat ihre Urbane Datenplattform weiterentwickelt, diese ermöglicht jetzt auch den Zugang zu Echtzeitdaten über die Lufttemperatur. Die Plattform setzt auf die Smart-City-Lösung von ekom21, um Umwelt- und Klimadaten öffentlich zugänglich zu machen und um sich besser für anstehende Klimaveränderungen zu rüsten. mehr...
NExT-Studie: Networking als Ressource
[28.10.2024] Netzwerken kann bei der Verwaltungstransformation ein echter Motor für Veränderungen sein. Empirisch erforscht ist dieser Effekt bisher noch nicht. Das will eine Studie des netzwerks NExT jetzt ändern. Für eine Online-Umfrage werden noch Mitwirkende gesucht. mehr...
Nordrhein-Westfalen: Ausflugsziele mit der App entdecken
[25.10.2024] Die App entdecke.nrw fördert den Regionaltourismus in Nordrhein-Westfalen und bietet Informationen zu über 500 Ausflugszielen. Nutzer können Orte wie Museen und Naturschutzgebiete entdecken, unterstützt durch eine praktische Umgebungssuche und einen integrierten Routenplaner. mehr...
Digitalisierung: Chancen nutzen, Herausforderungen meistern
[24.10.2024] Kommunen stehen zunehmend unter Druck, ihre Dienstleistungen digital anzubieten. Und es gibt durchaus ungenutzte Potenziale, die Bund, Länder und Kommunen erheblich entlasten könnten. mehr...
Nordrhein-Westfalen: Starkregenschutz aus der Hosentasche
[24.10.2024] In Nordrhein-Westfalen wurde eine App entwickelt, die Bürgern helfen soll, den Überflutungsschutz ihrer Häuser zu überprüfen und sich über Schutzmaßnahmen ihrer Kommune zu informieren. Die FloodCheck-App, bisher nur in ausgewählten Städten verfügbar, wird nun landesweit ausgerollt. mehr...