Donnerstag, 21. November 2024

InterviewWeg vom betulichen Image

[16.09.2014] Stadtverwaltungen müssen sich heutzutage aktiv um die besten Köpfe bemühen, sagt Ulms Erster Bürgermeister Gunter Czisch im Kommune21-Interview. Personalentwicklung und -Marketing werden deshalb immer wichtiger.
Ulms Erster Bürgermeister Gunter Czisch will Erfahrungswissen erhalten.

Ulms Erster Bürgermeister Gunter Czisch will Erfahrungswissen erhalten.

(Bildquelle: Stadt Ulm)

Herr Bürgermeister Czisch, Personalexperten warnen immer wieder, dass sich der demografische Wandel auch stark auf die öffentliche Verwaltung auswirkt. Was kommt aus Ihrer Sicht konkret auf die Kommunen zu?

Zum einen wird sich unsere „Kundschaft“ verändern und damit auch deren Nachfrage. Um es ganz plakativ zu sagen: Wir werden wahrscheinlich weniger Kinderbetreuungsangebote brauchen, aber vermutlich mehr Angebote für ältere Menschen. Zum anderen hat der demografische Wandel erhebliche Auswirkungen auf unser eigenes Personal: Alle Kommunen – das gilt zumindest für Baden-Württemberg – haben bereits heute einen relativ hohen Altersdurchschnitt bei ihren Beschäftigten. In den nächsten zehn, fünfzehn Jahren ist die Zahl derjenigen, die in den Ruhestand gehen werden, hoch – gerade auch bei den Leitungspositionen.

Was bedeutet dies für das Personalwesen einer Stadtverwaltung?

Personalentwicklung und Personal-Marketing werden immer wichtiger. Früher hat es vielleicht ausgereicht, abzuwarten, wer sich bewirbt. Heute müssen wir uns aktiv um die besten Köpfe bemühen. Neben dem Finden geht es aber auch um das Binden: Wie schaffen wir es, gute, talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten? Ein weiteres Feld, auf dem wir heute stärker als früher aktiv sind: Arbeitsfähigkeit erhalten. In Zeiten, in denen Arbeitsabläufe immer verdichteter werden und die Anforderungen an unsere Mitarbeiter steigen, müssen wir schauen, wo wir ihnen Unterstützung und Entlastung bieten können. Und schließlich: Langjährige Mitarbeiter verfügen immer auch über einen großen Erfahrungsschatz. Darum befassen wir uns natürlich auch mit der Frage, wie wir dieses wertvolle Erfahrungswissen erhalten können, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausscheiden, wenn sie in den Ruhestand gehen. Eine Antwort darauf lautet: Wir brauchen ein Wissensmanagement, das festlegt, wie beispielsweise etwas dokumentiert wird.

Mit welchen Instrumenten begegnet die Stadt Ulm diesen Herausforderungen?

Wir suchen verstärkt aktiv nach Mitarbeitern: Bei Bildungsmessen, über soziale Netzwerke wie Facebook oder Xing, wir verstärken die Kooperationen mit den Hochschulen, stellen auch über Bedarf ein, wenn wir den Eindruck haben, da ist Potenzial vorhanden, und bieten Trainee-Stellen an. Wir tun bereits heute vieles, um für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich zu machen. Das fängt an bei flexiblen Arbeitszeiten, geht weiter über Ferienbetreuung für Mitarbeiterkinder bis hin zu Weiterbildungsangeboten für Mitarbeiter in Familienzeit. Für einen „Betrieb“ unserer Größe mit mehr als 2.000 Mitarbeitern ist es heute schon fast selbstverständlich, dass wir eine Betriebskita haben. Weil der demografische Wandel natürlich vor den Familien nicht haltmacht, ist heute bei vielen Arbeitnehmern neben der Kinderbetreuung auch die Angehörigenpflege ein wichtiges Thema. Meines Wissens sind wir derzeit die einzige Kommune im Land, die außerdem eine innerbetriebliche Jobbörse anbietet, wo sich Mitarbeiter über ihre individuellen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten beraten lassen können. Ein ganz wichtiges Instrument ist die dabei eingesetzte Potenzialanalyse, um zu erkennen, wo stehe ich heute, wo will ich hin, was sind meine Stärken? Unser Ziel ist es, allen Mitarbeitern die Chance zu geben, sich beruflich weiterzuentwickeln, auch mithilfe von individuellen Feedback-Gesprächen. Einen hohen Stellenwert hat für uns unser betriebliches Gesundheitsmanagement. Dies reicht deutlich über die gesetzlich geforderten Wiedereingliederungsmaßnahmen hinaus.

„Fachkräftemangel ist kein Abstraktum in der Zukunft, in einigen Bereichen haben wir bereits heute damit zu kämpfen.“
Stichwort Fachkräftemangel: Was kann eine Kommune noch tun, um junge Menschen für die Arbeit in der Verwaltung zu begeistern?

Diese Frage treibt uns gerade sehr um, denn der Fachkräftemangel ist kein Abstraktum in der Zukunft, sondern in einigen Bereichen haben wir bereits heute damit zu kämpfen. Das gilt beispielsweise für Ingenieure, für IT-Leute oder für pädagogische Fachkräfte – da ist der Arbeitsmarkt weitgehend leergefegt. Das ist kein Ulmer Problem, vor dieser Aufgabe stehen alle Kommunen. Darum sollten wir sie auch gemeinsam angehen. Auf unsere Anregung hin plant der baden-württembergische Städtetag, eine neue Arbeitsgruppe zum interkommunalen Personal-Marketing ins Leben zu rufen. Es ist ja nicht mit einer zündenden Werbekampagne getan, sondern unser Ziel, das Ziel aller Kommunen, sollte es sein, nachhaltig unser Image als Arbeitgeber zu verbessern. Dazu müssen wir deutlich machen, welche Vielfalt an Aufgaben wir haben, wie vielfältig auch die Berufsfelder sind, die wir anbieten, und dass es bei uns darum geht, Zukunft ganz konkret, vor Ort zu gestalten. Das etwas betuliche Image, das die öffentliche Verwaltung immer noch in den Köpfen der Leute hat, müssen wir loswerden.

Sind die Ansätze der Stadt Ulm auch auf andere, kleinere Kommunen übertragbar?

Prinzipiell ja. In der Praxis muss man aber sehen, das kleinere Kommunen oft nicht die Ressourcen haben, um eine professionelle Personalentwicklung zu betreiben, wie wir es tun. Bitte unterschätzen Sie nicht den dafür erforderlichen Aufwand. Andererseits geht es nicht ohne eine Strategie. Aus meiner Sicht kann daher die Lösung nur sein, sich mit anderen zusammenzuschließen.

Interview: Alexander Schaeff


Stichwörter: Personalwesen, Ulm


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