DigitalisierungWeg vom Laubbläserprinzip
Die Digitalisierung in Deutschland kommt nicht so recht voran. Man verstrickt sich in Details, und es besteht eine sehr große Diskrepanz zwischen dem Gesagten und der Realität. So reden wir von Standardisierung – machen aber häufig das Gegenteil. Wir reden von digitaler Transformation – übersetzen jedoch lediglich einen analogen Prozess in ein technisches Format, was nichts mit Digitalisierung zu tun hat. Bereiche wie User Experience (UX) spielen in der Regel gar keine Rolle. Kurzum, die Digitalisierung im Public Sector ist vergleichbar mit einem Laubbläser: Er verlagert ein Problem von einem Ort zum anderen ohne es zu lösen, benötigt dafür viel wertvolle Energie und macht eine Menge Lärm.
Onlinezugangsgesetz (OZG) und Registermodernisierung sind im Grunde eine Chance, den Public Sector insgesamt neu zu gestalten, denn nur ganzheitlich betrachtet kann die Digitalisierung ein Erfolgsprojekt werden. Allerdings wissen wir inzwischen, dass das OZG 1.0 nicht zum Erfolg geführt hat – und auch das OZG 2.0 wird wohl kein Erfolg werden, weil man aus den Fehlern nicht lernt. Stattdessen wird hierzulande gern auf Fehler gewartet, um diese sodann in Diskussionen oder medial auszukosten, anstatt sie als etwas Positives zu betrachten und entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen. Ein eher gesamtgesellschaftliches Problem, welches in anderen EU-Ländern nicht in der Weise ausgeprägt ist, aber eben zu einer gewissen Inkonsequenz im Handeln führt, weil man auf Fehlervermeidung aus ist.
EfA ist das Beste
Das Beste am OZG ist das Einer-für-Alle(EfA)-Prinzip. Denn aus welchem Grund sollte man einen digitalen Service 16-mal oder rund 11.000-mal in Deutschland entwickeln? Das ist weder sinnvoll noch bezahlbar und hat mit Digitalisierung nichts zu tun. Doch was bedeutet Digitalisierung überhaupt und welche Akteure benötigt man dafür? Dass beim OZG bislang eben nicht die richtigen Akteure aktiv waren, sollte inzwischen erkannt worden sein. Punkte wie Schnittstellen-Management, medienbruchfreie und ganzheitliche Prozesse wurden zwar zu Beginn diskutiert, gerieten dann aber schnell wieder in Vergessenheit. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Wohngeld. Statt Entlastungen kommen Mehraufwände auf die Kommunen zu.
Es gilt also zunächst zu verstehen, was Digitalisierung überhaupt ist. Sie ist nämlich weder eine Wissenschaft noch ein IT-Projekt, sondern primär Ergebnis eines Prozess-Managements – hier speziell des Prozessdesigns neuer digitaler Lösungen – sowie eine organisatorische Herausforderung; diesen Teilbereich könnte man auch als Change Management bezeichnen. Das Land Rheinland-Pfalz hat das als erstes Bundesland erkannt und in seiner OZG-Presseerklärung öffentlich kommuniziert. Allerdings sollte diese Erkenntnis flächendeckend vorherrschen, wollen wir aus der Digitalisierung ein Erfolgsprojekt machen. Ansonsten ist man schnell wieder beim eingangs erwähnten Laubbläserprinzip angelangt und verwendet viel Energie und Geld für unzulängliche Lösungen.
Registermodernisierung: riesige Potenziale
Riesige Potenziale birgt auch die Registermodernisierung. Allerdings bleibt zu erwarten, dass hier – ähnlich wie beim OZG – die Konsequenz fehlen wird und somit zahlreiche Chancen verpuffen. Es wäre doch super, wenn wir aufgrund der Registermodernisierung keine Fachanwendungen mehr benötigen würden, keine Schnittstellenprobleme mehr diskutieren müssten, Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) im Sinne des EfA-Prinzips bundesweit einsetzten und so völlig agil und digital auf Knopfdruck staatliche Services anbieten könnten. Und das Ganze auch noch nutzerfreundlich. Das ist nicht Science Fiction, sondern eine realistische Vision und Chance.
Was OZG und Registermodernisierung gemeinsam haben, ist das Potenzial, digitale und zugleich medienbruchfreie Dienstleistungen designen, entwickeln und anbieten zu können. Das ist dringend erforderlich, weil in drei bis vier Jahren die demografischen Entwicklungen deutlich spürbar werden – laut dem Deutschen Beamtenbund wird in der öffentlichen Verwaltung dann rund 30 bis 50 Prozent weniger Personal im Einsatz sein. Das bedeutet Stand heute, dass die Kommunen de facto arbeitsunfähig sind.
Optimierung der Arbeitgebermarke
Zugleich versetzt die Digitalisierung den Public Sector in die Lage, seine Arbeitgebermarke wesentlich zu optimieren. Auch das ist nötig, weil sich laut einer aktuellen Umfrage lediglich 16 Prozent der befragten jungen Erwachsenen vorstellen können, aufgrund der Arbeitsplatzsicherheit im Public Sector zu arbeiten. Der daraus resultierende Fachkräftemangel ist bereits heute spürbar, von kleinen Gemeinden bis hin zu Großstädten. Das Phänomen lässt sich in den technischen Bereichen der Verwaltung schon seit etwa zehn Jahren beobachten – und auch im nichttechnischen Bereich wird die Luft inzwischen immer dünner. Diese Entwicklung hängt in der Regel mit den Bezahl- und Besoldungsstrukturen zusammen, weshalb sie immer von Klein nach Groß verläuft.
Die Lösung kann im Grunde nur darin bestehen, die digitale Transformation zu zentralisieren. Mögliche Gremien, wie zum Beispiel den IT-Planungsrat, gibt es ja bereits, sie müssten nicht erst neu gegründet werden. Notwendig wäre aber, dass künftig eine gewisse Verbindlichkeit von zentralen Entscheidungen und Beschlüssen existiert: Weg vom „Wünsch Dir was“, hin zum „Machen“. Hier könnten Standards festgelegt, digitale Prozesse designed und technisch umgesetzt werden.
Anpassung des Rechts
Auch die rechtlich erforderlichen Anpassungen wären in diesem Kontext anzugehen, denn das Recht muss an die digitalen Prozesse angepasst werden und nicht umgekehrt. Anschließend wären die Anpassungen nach dem EfA-Prinzip verbindlich auf die einzelnen Bundesländer und die Kommunen auszurollen – flankiert von einem Qualitätsmanagement, welches bundesweit neu zu etablieren wäre. Nur abgenommene Projekte sollten nach der Konzeptionsphase für die Umsetzung zugelassen und gefördert werden. Dazu braucht es neue Akteure, da die bisher eingefahrenen Strukturen keine großartigen Veränderungen erwarten lassen.
Auf diese Weise ließe sich das Silodenken durchbrechen, wir könnten Zuständigkeitsgrenzen abbauen und ein Stück weit die Angst vor Entscheidungen nehmen. Zugleich bringt ein solches Vorgehen diverse organisatorische Veränderungen auf allen Ebenen mit sich. Aufgaben werden sich verändern, Zuständigkeiten wegfallen. Auch die Rolle von IT-Dienstleistern oder Kommunen müsste neu definiert werden.
Im Grunde stellt die Digitalisierung somit die größte Verwaltungsstrukturreform dar, die es in der Geschichte je gegeben hat. Wenn man es richtig macht. Sollten wir uns darauf einlassen, werden sich dadurch viele Chancen bieten. Außerdem könnte Deutschland damit sein Entwicklungstempo bei der Digitalisierung erheblich erhöhen und in einigen Jahren sicherlich auch EU-weit auf Augenhöhe mithalten. Wären das nicht schöne Aussichten?
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