Mittwoch, 29. Januar 2025

REPORTWege in die Cloud

[09.05.2011] Ist Cloud Computing ein attraktives IT-Dienstleistungsmodell für die öffentliche Verwaltung oder ein Sicherheitsrisiko? Auf dem Forum Kommune21 der Messe DiKOM Süd beantworteten die Referenten diese Frage aus verschiedenen Blickwinkeln.

Auf der kommunalen IT-Messe DiKOM Süd, die am 3. und 4. Mai 2011 in Frankfurt am Main stattfand, befasste sich das Forum Kommune21 mit dem derzeit heißesten Thema der IT-Branche: Cloud Computing. Auch die öffentliche Verwaltung kann von Cloud Computing profitieren, denn die Hersteller können attraktive Preise anbieten, da sie über hochskalierende, kosteneffiziente Infrastrukturen verfügen. Außerdem werden nur tatsächlich in Anspruch genommene Leistungen bezahlt. Die sensiblen Daten, Anwendungen und Prozesse von Ämtern und Behörden erfordern allerdings ein hohes Maß an Informationssicherheit. Vor diesem Hintergrund nahm sich das Kommune21-Forum der Frage an, ob Cloud Computing ein attraktives IT-Dienstleistungsmodell für die öffentliche Verwaltung ist oder ein Sicherheitsrisiko darstellt.

Keynote von Hessens CIO

Die Keynote des Forums Kommune21 hielt Horst Westerfeld, Staatssekretär im Hessischen Ministerium der Finanzen und Bevollmächtigter der Hessischen Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie. Der CIO des Landes Hessen forderte schlankere E-Government-Strukturen auf allen staatlichen Ebenen. In seinem Vortrag stellte er dar, wie ein wirtschaftlicher IT-Betrieb der öffentlichen Hand durch Ressourcenbündelung und Cloud Computing zu erreichen ist. Westerfeld sagte, das Land Hessen könne durch die Konzentration von IT-Diensten in Shared Service Centern rund 100 Millionen Euro einsparen. Hessens CIO zeigte sich zudem überzeugt, dass von den 400 Rechenzentren der öffentlichen Hand in Deutschland mindestens 300 überflüssig seien.

Geschäftsmodell für IT-Dienstleister

Im Anschluss referierte Ulrich Künkel, Geschäftsführer von ekom21, über Cloud Computing als Geschäftsmodell für kommunale IT-Dienstleister. Künkel nannte die Unterschiede zwischen klassischem Rechenzentrumsbetrieb und Cloud Computing wie Self-Service, Flexibilisierung der Leistungsabnahme oder nutzungsbezogene Abrechnungsmethoden. Die kommunalen IT-Dienstleister müssten für Cloud-Computing-Angebote die eigene Infrastruktur, also Server, Storage und Netze, erweitern, könnten diese dann jedoch besser auslasten. Zudem müssten die Unternehmen neue Abrechnungsmethoden und Wartungskonzepte entwickeln sowie neue Vertriebs- und Preismodelle gestalten. Dann könnten auch neue Kundengruppen wie Kliniken und Schulverwaltungen angesprochen werden. Cloud Computing könne auch dazu beitragen, autonome Städte wieder als Kunden der kommunalen Rechenzentren zu gewinnen, so die Hoffnung des ekom21-Geschäftsführers.

Private Cloud für die Berliner Verwaltung

Während der IT-Dienstleister der hessischen Kommunen noch in der Konzeptionsphase ist, baut das ITDZ Berlin bereits an einer so genannten Private Cloud für die Berliner Verwaltung. In der Hauptstadt sollen Ämter und Behörden künftig über eine geschützte Cloud-Umgebung auf Rechenleistung oder Software-Lösungen zugreifen können. Das ITDZ Berlin hat dafür im Dezember 2010 eine Testplattform in Betrieb genommen. Nach Abschluss des Probebetriebs soll eine ausgereifte Cloud-Computing-Lösung für die Berliner Verwaltung zur Verfügung stehen. Welche Vorteile die Lösung bietet und welche IT-Services in die Cloud verlagert werden, erklärte Thomas Feike, Leiter Produktmanagement Integrationsprodukte beim ITDZ Berlin. Derzeit bietet das ITDZ Infrastructure as a Services (IaaS) in der Private Cloud an. Mehr als 170 virtuelle Server seien bereits im Einsatz, so Feike. Wesentlicher Vorteil für die Kunden, also die Berliner Bezirksverwaltungen, seien eine deutliche Kostenreduzierung und die schnelle Bereitstellung standardisierter Services. Thomas Feike machte auch auf die ökologischen Aspekte von Cloud Computing aufmerksam. Weniger Hardware und eine optimale Ressourcenauslastung sparten auch Strom. Als nächsten Schritt wird das ITDZ Software as a Service anbieten. Das Ziel am Horizont: goBerlin, ein Dienste-Ökosystem in der Cloud mit ganzheitlicher Abbildung von E-Government- und Wirtschaftsprozessen.

Die Stuttgarter Cloud

Am Nachmittag des ersten Forumstages ließ Frank Wondrak, Chef des Rechenzentrums Region Stuttgart (RZRS), keinen Zweifel daran aufkommen, dass Cloud Computing die Zukunft der kommunalen Datenverarbeitung ist. Standardisierung, Konsolidierung, Virtualisierung und Automatisierung sowie die Zusicherung der Daten- und Systemsicherheit sind dabei die Schlüsselfaktoren. Wondrak berichtete über die Stuttgarter Cloud, über die das Rechenzentrum seinen Kunden nicht nur Server und Arbeitsplatzrechner virtualisiert anbietet, sondern auch die Software Microsoft Exchange und ein SAP-basiertes Personalwirtschaftssystem. Frank Wondrak ist überzeugt, dass eine Industrialisierung des IT-Betriebs der kommunalen Gebietsrechenzentren bevorsteht und diese ihre Geschäftsmodelle auf Cloud-Angebote umstellen. Für die IT-Abteilungen in den Kommunen bedeutet dies, dass der IT-Leiter zum Chief Information Officer aufsteige, der sich mehr um IT-Strategie als den laufenden Betrieb kümmern werde.

Datenschutz und Sicherheit

Am zweiten Tag des Forums Kommune21 auf der DiKOM Süd referierte Marit Hansen vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) über Anforderungen an Datenschutz und Sicherheit von Cloud-Dienstleistungen. Die stellvertretende Leiterin des ULD warnte, dass viele Cloud-Angebote die Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen der öffentlichen Hand noch nicht erfüllen. Zu beachten sei insbesondere, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten außerhalb der EU generell unzulässig ist. Bei der Auswahl von Cloud-Dienstleistern sei höchste Sorgfalt geboten. Bei Auftragsdatenverarbeitung bleibe der Auftraggeber verantwortlich, könne aber die Sicherheitsmaßnahmen nicht mehr selbst bestimmen und auch nicht immer nachvollziehen. Das Fazit der schleswig-holsteinischen Datenschützerin: Die öffentliche Verwaltung müsse die Kontrolle über die eigenen Daten behalten. Verträge über die Auftragsdatenverarbeitung müssten die Risiken berücksichtigen, auch die Verschlüsselung der Daten sollte unter eigener Kontrolle erfolgen.

Cloud-Dienste der IT-Industrie

Dass Sicherheit und Datenschutz ein Hindernis für Cloud-Dienste sein können, ist der IT-Industrie bewusst. IBM Deutschland etwa hat vertrauenswürdige Cloud-Ansätze entwickelt. Stefan Henze, als Direktor bei IBM Global Technology Services für das Geschäft mit der öffentlichen Verwaltung verantwortlich, stellte auf dem Forum Kommune21 das Projekt Cloud Cycle vor. Damit sollen Betreiber von Rechenzentren in die Lage versetzt werden, Dienste bei garantierter Sicherheit und Compliance, also der Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und Datenschutzvorgaben, kostengünstig und skalierbar für Kunden der öffentlichen Verwaltung bereitzustellen. IBM arbeitet in dem Projekt mit dem kommunalen IT-Dienstleister regio iT aachen und der Kommunalen Informationsverarbeitung Baden-Franken (KIVBF) zusammen. Ziel ist es unter anderem, eine Bildungs-Cloud für Schulverwaltungen und eine E-Government-Cloud für Kommunen aufzubauen.
Ausgewählte Beispiele von Cloud-Services für die Kommunalverwaltung stellte anschließend Christian Hahn von Microsoft Deutschland vor. Vier Cloud-Dienste bietet Microsoft über ein Hochsicherheitsrechenzentrum in Dublin bereits an: Microsoft Exchange (E-Mail, Kalender, Kontakte), SharePoint Online (Intranet-Portale, Dokumentenverwaltung, Team-Arbeit), Office Live Meeting (Web-Konferenzen, Online-Schulungen, virtuelle Meetings), und Office Communications Online (Instant Messaging und interne Audio- und Videokonferenzen). Als Beispiele für cloudbasierte Bürgerdienste nannte Hahn, bei Microsoft für Geschäftsfeldentwicklung Cloud Computing für die öffentliche Hand zuständig, das Umweltinformationsportal Eye On Earth und das Bürgerinformationsportal Miami 311, die auf dem „Cloud-Betriebssystem“ Windows Azure und Bing Maps basieren. Eine Private Cloud auf Basis von Microsoft-Technologien nutze auch das Landratsamt Bayreuth. Die Kreisverwaltung verwendet die Virtualisierungslösung Hyper-V, um Kosten zu reduzieren und die IT-Sicherheit zu erhöhen.

Gelebte Cloud der Stadt Bergheim

Zum Abschluss des Forums am zweiten Messetag gaben Wolfgang Berger, Fachbereichsleiter Personal, Organisation, Ordnung, Sport und Kultur der Stadt Bergheim, und IT-Leiter Theo Kratz einen lebendigen Einblick in die Praxis und berichteten über das Projekt „Gelebtes Cloud Computing“. Die nordrhein-westfälische Stadt (rund 62.000 Einwohner) hat in Zusammenarbeit mit der Kommunalen Datenverarbeitungszentrale (KDVZ) Rhein-Erft-Rur eine sichere Cloud-Computing-Lösung entwickelt und setzt nun auf das Modell Software as a Service (SaaS). Zunächst war bei der Verwaltung eine sehr umfängliche hausinterne Anwendungsvirtualisierung durchgeführt worden, bei der überwiegend Thin Clients an den Arbeitsplätzen zum Einsatz kamen. Schon mit diesen Maßnahmen konnten etwa 25 Prozent der IT-Kosten eingespart werden. Durch die Zentralisierung des IT-Betriebs bei der KDVZ spart die Stadt fast 40.000 Euro jährlich. Und: Die hohe Verantwortung für den sicheren Betrieb liegt nun nicht mehr beim IT-Leiter. Berger und Kratz warnten jedoch: Virtualisierung sei kein einfaches Geschäft und verlange eine ganzheitliche Betrachtung der IT, nötig sei zudem Spezialwissen auf hohem Niveau. Ein Cloud-Projekt setze große Veränderungsbereitschaft bei allen Akteuren voraus, insbesondere bei den IT-Verantwortlichen. Das Fazit der Bergheimer: „Wir haben noch keine perfekte Cloud, aber transparente Kosten und ein sicheres IT-Umfeld.“
Die Vorträge des Forums Kommune21 zum Thema Cloud Computing auf der DiKOM Süd stehen auf unserer Website zum Download zur Verfügung. Auf der DiKOM Ost (13. bis 14. September 2011, Leipzig) geht es im Fachforum unserer Zeitschrift um Einsatz und Nutzen von Social Media in der öffentlichen Verwaltung.





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