Mittwoch, 8. Januar 2025

InterviewWeil der Mensch bequem ist

[19.09.2017] Nicht nur die Industrie, auch die öffentliche Verwaltung wird stark von der Digitalisierung geprägt sein, sagt Dominic Multerer. Kommune21 sprach mit dem Buchautor und Experten für den digitalen Wandel zur Kommune 4.0.
Dominic Multerer: Die Kommune 4.0 wird von Digitalisierung geprägt sein.

Dominic Multerer: Die Kommune 4.0 wird von Digitalisierung geprägt sein.

(Bildquelle: Stefan Veres)

Herr Multerer, wir leben mittlerweile in einer digitalen Welt, die immer mehr Bereiche des Lebens durchdringt. Welche Auswirkungen hat das auf das Verhalten von Menschen?

Es hat enorme Auswirkungen, die wir im Alltag gar nicht mehr wahrnehmen, weil vieles für uns bereits normal ist – wer kann sich heute zum Beispiel Reisen ohne E-Ticket vorstellen? Ab dem Jahr 2020 werden 50 Prozent aller Geschäftsreisenden der so genannten Generation Y angehören. Diese wurde mit dem Internet groß und hat ein völlig anderes Nutzer- und Konsumverhalten. Sehr viel wird online geregelt. Die Wirtschaft stellt sich nach und nach darauf ein, nur die Verwaltung hinkt dem gesellschaftlichen Wandel ein wenig hinterher. Was können Sie heute online bei Ihrer Verwaltung erledigen oder bezahlen? Leider lautet die Antwort meist „nichts“ oder „wenig“. Dabei geht es weniger um Bürgerservice als um Ressourceneffizienz.

Worum geht es bei der Digitalisierung aus Ihrer Sicht?

Das Thema Digitalisierung ist eng mit der Industrie 4.0 verbunden. Industrielle Revolutionen hat es schon immer gegeben: Von der Dampfmaschine über die Fließbänder bis hin zu Fabrikrobotern. Bei Industrie 4.0 geht es um die Vernetzung von Maschinen, die sich – im nächsten Schritt – durch künstliche Intelligenz selbst optimieren können. Kurz gesagt: Bei der Digitalisierung dreht sich alles um Ressourceneffizienz, Schnelligkeit und vor allem Vereinfachung. Ein wesentlicher Punkt, der diesen Prozess vorantreibt, ist der Kostendruck. So könnte der Versandriese Amazon ohne den Einsatz von Robotern sein Produkt Amazon Prime – also das Zustellen von Waren innerhalb von 24 Stunden – gar nicht anbieten. Von der Bestellung bis zur Auslieferung ist eine Amazon-Prime-Lieferung ein vollautomatisierter Prozess. Dennoch bleibt die Frage, warum die Digitalisierung forciert wird. Die Antwort: Der Mensch mag es bequem und einfach.

„Bei der Digitalisierung dreht sich alles um Ressourceneffizienz, Schnelligkeit und vor allem Vereinfachung.“
Hat der öffentliche Sektor diese Entwicklung unterschätzt?

Das ist so. Im Hinblick auf die Digitalisierung geht es um innovative Zukunftsgestaltung in Kommunen – und das oft bei eingeschränktem Personalbestand und knappen finanziellen Rahmenbedingungen. Wie dramatisch das aussehen kann, zeigt das Beispiel der hessischen Stadt Hanau, die eine Schutzschildkommune ist. Der Kommunale Schutzschild ist ein Programm des Landes Hessen zur Teilentschuldung der überschuldeten Gemeinden und Landkreise. Hanau muss innerhalb der nächsten vier Jahre rund ein Viertel der Stellen einsparen und das bei weiter steigenden Anforderungen. Die Hanauer Verwaltung ist vor diesem Hintergrund gezwungen, intelligente Wertschöpfungsketten zu bilden. Prozesse müssen durch Prozess-Management und die entsprechende Software vereinfacht werden, um die Vorgaben zu erreichen. Die Gemeinde muss also digitalisieren. Allgemein formuliert: Die öffentliche Verwaltung wird zunehmend mehr Aufgaben mit immer weniger Menschen erfüllen müssen. Ebenso wie die Industrie 4.0 wird auch die Kommune 4.0 von Digitalisierung geprägt sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Nur so können die zu erbringenden Leistungen und Services im Kontext einer sich permanent verändernden Gesellschaft künftig garantiert werden. Der positive Nebeneffekt: Bei Prozessen, in die der Bürger eingebunden ist, zum Beispiel die Mülltonnenbestellung via Internet, wird die Erwartungshaltung erfüllt, da der Kunde Online-Bestellungen gewohnt ist.

Vor welche Herausforderungen stellt das die Kommunen?

Natürlich ist die Umstellung auf digitale Prozesse zunächst recht arbeitsintensiv, denn alles, was analog ist, muss entsprechend transformiert werden. Aber auf lange Sicht wird eine Kommune davon profitieren: Durch Bürokratieabbau, Entlastung oder Einsparung – wenn nötig von Personal – sowie eine verbesserte Organisationsübersicht, mit der vielfach auch eine Prozessoptimierung einhergeht. Services werden durch die Technik bürgernah und Ressourcen generell eingespart, weil Analysen jederzeit und in jeder Form durchgeführt werden können. Die Düsseldorfer Feuerwehr beispielsweise setzt die Lösung mpsINPRO des Anbieters mps ein, um ämterübergreifend Adressdateien zu nutzen. Ferner gehen Brandschadensberichte direkt an die Bauaufsicht. Angesichts der vielfach angespannten Haushaltsbudgets ist jedoch eine Ad-hoc-Volldigitalisierung natürlich zunächst utopisch. Mit Modulen ist es jedoch realistisch, schrittweise in Richtung Kommune 4.0 zu gehen.

Wie sieht ein modularer Aufbau aus?

Im Bauhofbereich kann die Software mpsARES eingesetzt werden. Damit ist es möglich, die Auftragsabwicklung, die Leistungserfassung und -abrechnung, die Personalverwaltung sowie das Termin- und Ressourcen-Management abzuwickeln. Durch die erweiterbare mobile Datenerfassung können Mitarbeiter direkt vor Ort den Bedarf dokumentieren und sofort an die Zentrale weiterleiten.

Was ist also zu tun?

Zum einen muss die Verwaltung eine Vereinfachung anstreben. Prozesse müssen automatisiert werden, denn künftig werden von zehn Mitarbeitern nur noch fünf das gleiche Arbeitsaufkommen erfüllen müssen. Zum anderen verändert sich das Verständnis von Bürgernähe.

Interview: Alexander Schaeff


Stichwörter: Panorama, Digitalisierung


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama
Screenshot, der die drei Webinarteilnehmer zeigt.
bericht

Kommune21 im Gespräch: Mammutprojekt RegMo

[08.01.2025] Im jüngsten Webinar aus der Reihe Kommune21 im Gespräch diskutierten Jasmin Deling, Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie NRW, sowie Hartje Bruns von Governikus die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Registermodernisierung. mehr...

Lübeck: Faxgeräte abgeschaltet

[08.01.2025] Die Hansestadt Lübeck hat zum Jahresende 2024 die analogen Faxgeräte abgeschaltet. Feuerwehr und der Bereich Wahlen bleiben weiterhin über Fax erreichbar. mehr...

Logo des Ko-Pionier-Preises auf dunkelblauem Hintergrund

Ko-Pionier-Preis: Verwaltungslösungen besser nachnutzen

[07.01.2025] Der neue Ko-Pionier-Preis würdigt Verwaltungen, die bewährte Lösungen erfolgreich übernehmen. Die Initiative Re:Form will damit Nachnutzung fördern und Verwaltungsabläufe effizienter gestalten. Die Preisvergabe erfolgt im März 2025 in Berlin. mehr...

Winterlandschaft Nordschweden

In eigener Sache: Wir machen Winterpause

[23.12.2024] Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, erholsame Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr. Aktuelle Meldungen gibt es hier wieder ab dem 6. Januar 2025. mehr...

Marcus Witzke vom Fraunhofer FOKUS, Beauftragte Regina Vollbrecht und Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner beim Start der Indoor-Navigation everGuide im Bezirksamt Reinickendorf.

Berlin: Bezirksrathaus mit Indoor-Navi

[13.12.2024] Im Rathaus in Berlin-Reinickendorf erleichtert eine barrierefreie Indoor-Navigation die Orientierung. Die App everGuide vom Fraunhofer FOKUS ermöglicht Besucherinnen und Besuchern – ob blind oder sehend – eine präzise Navigation zu Räumen, Aufzügen und Ausgängen. mehr...

Screenshot aus dem Bayernportal

Regensburg: Bei der Digitalisierung weit vorne

[12.12.2024] Regensburg bietet inzwischen 327 digitale Verwaltungsleistungen an und erreicht Platz 2 im bayerischen Digitalranking. Bei den Bürgerinnen und Bürgern kommen die Services gut an, wie die Nutzerzahlen zeigen. mehr...

Illustration in hellen, freundlichen Farben: Blick in einen Kita-Raum aus Vogelperspektiv, auf dem Boden spielen Kinder und viel Spielzeug liegt herum.

Magdeburg: Kitas präsentieren sich neu im Netz

[09.12.2024] Magdeburger Eltern, die ihre Kinder bei einer kommunalen Kita anmelden möchten, finden die benötigten Informationen nun gebündelt und übersichtlich auf einer neu eingerichteten Website. mehr...

Das Bild zeigt den belebten Markplatz von Halle (Saale), im Hintergrund sind die fünf Türme der Händelstadt zu erkennen.

Halle (Saale): Gesundheitsamt wird digital

[06.12.2024] Das Modellprojekt Digitales Gesundheitsamt in Halle (Saale) wurde erfolgreich abgeschlossen. Ziel war es, den Fachbereich Gesundheit der Stadt mit digitalen Lösungen nutzerfreundlicher und effizienter zu gestalten. Die Einführung neuer Systeme legt zudem ein Fundament für künftige Innovationen. mehr...

Potsdam: Onlinedienst für Fundsachen

[03.12.2024] Verlorene oder gefundene Gegenstände können in Potsdam jetzt auch online gemeldet werden. Der neue Service erleichtert das Verfahren sowohl für Finderinnen und Finder als auch für Suchende. mehr...

Augsburger Altstadt aus der Vogelperspektive.

Augsburg: Digitaler Stadtplan zur Barrierefreiheit

[26.11.2024] Mit dem digitalen Stadtplan Augsburg barrierefrei hat die bayerische Kommune ein neues Projekt gestartet, das Menschen mit Behinderung detaillierte Informationen zur Barrierefreiheit von Orten und Gebäuden bietet. Alle Angaben wurden durch Begehungen vor Ort überprüft und digital erfasst. mehr...

Baustelle: Blick durch Zaundraht auf einen Pumpenkran zum Heben und Gießen von Beton, im Hintergrund ein Gebäude, das eine Schule sein könnte.

Leipzig: Baumaßnahmen-Dashboard ist online

[26.11.2024] Die Stadt Leipzig hat ein Online-Dashboard zur Schul- und Kitabaustrategie veröffentlicht. Es bietet aktuelle Einblicke in laufende und geplante Baumaßnahmen im Bildungsbereich, übersichtlich dargestellt auf einer Stadtkarte mit detaillierten Informationen zu jedem Projekt. mehr...

Oberbürgermeister Marcus König und Eugenia Strasser halten gemeinsam die Auszeichungsurkunde.

Nürnberg: E-Government-Beauftragte der Stadt ausgezeichnet

[19.11.2024] Nürnbergs E-Government-Beauftragte, Eugenia Strasser, ist mit dem WIN-Award der Vogel IT-Akademie ausgezeichnet worden. Sie belegt somit den zweiten Platz als Woman of the Year 2024. mehr...

Illustration: Klemmbrett mit einem Formular und einem Stift daneben vor hellblauem Hintergrund.

Köln: Bürgerfreundliche Bescheide ausgezeichnet

[18.11.2024] Das Public Service Lab hat die Stadt Köln für ihr Projekt Formularwerkstätten mit dem Preis für gute Verwaltung 2024 ausgezeichnet. Das Kölner Innovationsbüro hilft Fachämtern dabei, Formulare verständlicher zu gestalten und so den Zugang zu staatlichen Angeboten zu verbessern. mehr...

Illustration: Symbolbild für den Public Sector. Mehrere klein dargstellte Menschen arbeiten zwischen einem überdimensionalen Laptop, Tablet und anderen Gegenständen.

Bitkom: Neuer Geschäftsbereich „Public Sector“

[15.11.2024] Der Digitalverband Bitkom strukturiert sich neu: Die Geschäftsbereiche „Public Sector“ und „Digitale Gesellschaft“ werden eigenständige Kompetenzbereiche. Themen wie Künstliche Intelligenz und Digitale Souveränität rücken stärker in den Fokus. mehr...

Historishcer Marktbrunnen der Stadt Eisenach, im Hintergrund das moderne Gebäude der Stadtverwaltung.
bericht

Immobilienmanagement: Stadt Eisenach setzt Maßstäbe

[11.11.2024] Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen verpflichtet Kommunen zum sicheren Betrieb ihrer Immobilien. Die Stadt Eisenach hat durch Digitalisierung und Prozessoptimierung die Verwaltung ihrer Immobilien neu strukturiert. Dabei setzte die Kommune auf externe Unterstützung und internen Kompetenzaufbau. mehr...