InterviewZusammenarbeit als Schlüssel
Frau Benz, Sie sind unter die Autorinnen gegangen. Was hat Sie dazu inspiriert, ein Buch über smarte Kommunen zu schreiben?
Das Buch knüpft an meine Dissertation an, die ich Anfang 2023 veröffentlicht habe. Bekanntlich sind viele Teile einer wissenschaftlichen Arbeit, beispielsweise der Stand der Forschung oder die Methodik, für Praktikerinnen und Praktiker in Kommunen weniger relevant. Es war jedoch von Anfang an mein Anspruch, ein Thema zu bearbeiten und Fragen zu beantworten, die auch in der Praxis relevant sind und Erkenntnisse zu liefern, die für die tägliche Arbeit von Digitalisierungsverantwortlichen einen Mehrwert bringen. Auf Anregung des Verlags war dann schnell die Idee geboren, aus der Dissertation ein praxisorientiertes Buch zu machen – weniger umfangreich und angereichert mit vielen praktischen Tipps, Tricks, Beispielen und Werkzeugen, die in der Dissertation so nicht enthalten sind.
Wer von Smart City spricht, denkt an Großstädte wie Hamburg, München oder Darmstadt. Sie konzentrieren sich aber auf kleinere Kommunen. Warum?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst ist festzustellen, dass von 11.000 Kommunen in Deutschland etwa 10.000 Gemeinden weniger als 20.000 Einwohner haben. Viele Menschen in unserem Land leben also in kleineren Gemeinden und nicht in Großstädten. Wenn wir über den digitalen Staat reden, dann muss dieser folglich auch für die Gruppe der kleineren Kommunen funktionieren. Also brauchen wir auch für sie Konzepte, Beispiele, Handlungsanleitungen und praktische Hilfestellungen. Als ich mit meiner Dissertation begonnen habe, gab es relativ wenig Material für diese Zielgruppe.
Was sind die größten Herausforderungen für diese kleinen Kommunen?
Eine große Herausforderung ist sicherlich der Mangel an Ressourcen – Geld, Personal und Zeit. Hinzu kommt oft ein Mangel an technischem Verständnis und IT-Kenntnissen in den kleineren Kommunalverwaltungen. Eine weitere Herausforderung ist die praktische Überforderung vor Ort. Digitale Themen sind sehr komplex und können lokale Strukturen und Prozesse schnell überfordern, zum Beispiel Entscheidungsfindungsprozesse im Gemeinderat oder die Vorstellungskraft der Bürgerschaft. In größeren Städten gibt es beispielsweise oft engagierte zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich mit digitalen Themen beschäftigen. In kleineren Gemeinden sind solche Initiativen selten zu finden. Dementsprechend weniger ausgeprägt sind dort auch Sensibilität, Problembewusstsein und Steuerungsnotwendigkeiten in der digitalen Transformation.
Wie können diese Hürden – begrenztes technisches Know-how und fehlende Ressourcen – überwunden werden?
Ich glaube, der Schlüssel liegt in der interkommunalen Zusammenarbeit. Dieses bewährte Prinzip muss auch auf die Digitalisierung übertragen werden. Es gibt bereits vielversprechende Beispiele, wo sich Kommunen zusammengeschlossen haben, um gemeinsam an digitalen Themen zu arbeiten. Diesen Weg müssen wir flächendeckend gehen. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass wir an vielen Stellen auch mehr Zentralisierung von Leistungen auf Landes- oder Bundesebene brauchen.
In Ihrem Buch stellen Sie praxisorientierte Ansätze und Bausteine für die Entwicklung von Smart Cities vor. Können Sie dies näher erläutern?
In meinem Buch schlage ich eine Art Mindeststandard an Bausteinen vor. Diese Empfehlungen sollen aufzeigen, wie man mit begrenzten Ressourcen vorankommen kann. Ich gebe also Hinweise, wie innerhalb der für kleinere Kommunen geltenden Rahmenbedingungen die Strategieentwicklung vom ersten Impuls über die Zieldefinition bis hin zum Beteiligungsprozess, der Kommunikation und der Maßnahmenauswahl gelingen kann. Die in meinem Buch vorgestellten Module sind selbstverständlich an vielen Stellen erweiterbar. Mir ging es aber darum, das absolute Minimum aufzuzeigen, auf das nicht verzichtet werden kann und das für jede Gemeinde machbar ist.
Eine Strategie zu entwickeln ist das eine, sie umzusetzen das andere. Welche organisatorischen Strukturen sind notwendig?
Wir können dazu in der Praxis unterschiedliche Ansätze beobachten. Einige kleinere Kommunen haben etwa eine zentrale Zuständigkeit im Hauptamt oder in der IT-Abteilung, andere haben Digitalisierungsbeauftragte in jedem Fachbereich. Manche gründen sogar eigene Ämter für Digitalisierung oder kommunale Gesellschaften. Und dazwischen gibt es natürlich viele Schattierungen und Grautöne. Wichtig ist, dass das Thema als Querschnittsaufgabe in der Verwaltung etabliert wird. Außerdem ist zwingend eine federführende Zuständigkeit notwendig, um die Digitalisierung kraftvoll und koordiniert voranzutreiben.
Gibt es erfolgreiche Beispiele, die Sie in Ihrem Buch erwähnen?
Wenn wir bei den organisatorischen Strukturen bleiben, möchte ich die Gemeinde Heddesheim im Rhein-Neckar-Kreis in Baden-Württemberg als gutes Beispiel nennen. Der damalige Bürgermeister hat schon vor vielen Jahren in allen Fachbereichen Digitallotsen ernannt, diese Personen entsprechend qualifiziert und in einen gemeinsamen Arbeitskreis integriert. Dieses Vorgehen war sehr erfolgreich, weil die Digitalisierung auf diese Weise als Querschnittsthema, das alle angeht, in der Verwaltung angekommen ist.
Es gibt viele neue technologische Ansätze wie KI und Start-ups, die Lösungen für Kommunen entwickeln. Können sie kleineren Kommunen helfen?
Ja, ich sehe gerade für kleinere Kommunen große Vorteile in der Zusammenarbeit mit Start-ups. Im Vergleich zu großen Städten sind etwa in kleinen Gemeinden Entscheidungswege oft kürzer und Zuständigkeiten weniger zersplittert, sodass Projekte schneller umgesetzt werden können. Start-ups wiederum sind flexibler und anpassungsfähiger als große Unternehmen. Das kommt der Arbeitsweise und den Bedarfen kleinerer Kommunen sehr entgegen. Ein perfektes Match könnte man also sagen. KI und damit verbunden ein gutes Datenmanagement bieten Kommunen unabhängig von ihrer Größe enorme Möglichkeiten und Potenziale für die Entscheidungsfindung und politische Steuerung, zur Automatisierung von Routineaufgaben und in Planungsprozessen.
Welche Rolle spielen die kommunalen IT-Dienstleister in diesem Prozess?
Kommunale IT-Dienstleister spielen insbesondere bei der Digitalisierung in kleineren Kommunen eine zentrale Rolle. Viele einwohnerschwächere Kommunen verfügen kaum über eigene IT-Expertise und sind daher auf die Leistungsfähigkeit und die Angebote der kommunalen IT-Dienstleister angewiesen. Wir sehen hier in der Praxis starke Abhängigkeiten.
„Eine federführende Zuständigkeit ist zwingend notwendig, um die Digitalisierung kraftvoll und koordiniert voranzutreiben.“
Wie kann interkommunale Zusammenarbeit organisiert werden?
Zum Beispiel können Landkreise oder Regionalverbände eine Bündelungs-, Koordinierungs- und Servicefunktion übernehmen, es gibt aber auch andere Modelle wie Clusterinitiativen, lose Netzwerke und Städteverbünde, die unabhängig von Landkreis- oder Landesgrenzen zusammenarbeiten. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Kooperationen werden auch gerne kommunale Gesellschaften als Träger von Projekten gegründet. Wichtig ist, dass die unterschiedlichen Kooperationsmodelle die jeweiligen kommunalen Besonderheiten berücksichtigen. Nicht jedes Modell funktioniert überall.
Wie wichtig sind die Führungskräfte für den Erfolg der Digitalisierung in kleinen Gemeinden?
Führungskräfte sind auf allen Ebenen und in Kommunen jeglicher Einwohnergrößenklasse von entscheidender Bedeutung. Ohne Unterstützung und Engagement von oben wird es für Digitalisierungsbeauftragte oder Digitalteams auf der Arbeitsebene schwierig, erfolgreich zu arbeiten. Insbesondere die Stadtspitze muss das Thema aus eigener Überzeugung engagiert vorantreiben, ansonsten scheitern Digitalisierungsverantwortliche früher oder später an Widerständen, die sie auf ihrer Hierarchieebene nicht mehr ausflösen können. Das lässt sich leider in der Kommunalpraxis an vielen Stellen beobachten.
Welche Rolle spielt die Bürgerschaft beim Thema Smart City in kleinen Gemeinden?
Auch in kleinen Gemeinden gibt es einzelne Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Digitalisierung interessieren und engagieren. Es ist wichtig, diese Menschen zu identifizieren, sie einzubinden, zu stärken und ihre Expertise bestmöglich zu nutzen. Die Praxis zeigt, dass Bürgerbeteiligungsveranstaltungen Menschen brauchen, die der Diskussion auf Basis ihrer Expertise eine inhaltliche Richtung geben können. Andernfalls besteht ein hohes Risiko, dass die Veranstaltung in einem bunten Wünsch-dir-was endet. Darüber hinaus beteiligen sich digitalaffine Bürgerinnen und Bürger auffällig häufig auch an der späteren Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen. In den allermeisten Strategieprozessen auf kommunaler Ebene sind Elemente der Bürgerbeteiligung bereits integriert und werden in der Regel gut angenommen. Das ist eine sehr gute Entwicklung.
Wie sieht eine smarte kleine Gemeinde in einer idealen Welt aus?
Es muss sich nicht um eine hochtechnisierte Kommune handeln. Wichtiger ist, dass lokale Verwaltung und Politik die Technik sinnvoll zur Unterstützung ihrer Aufgaben, zur Steuerung und zur Politikumsetzung einsetzen. Sensoren zur Messung von Luftqualität, Pegelständen oder in der Abfallentsorgung – die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und sie werden mit dem technologischen Fortschritt immer größer. Entscheidend ist, dass diese Technologien verantwortungsvoll, partizipativ und klug eingesetzt werden, um die kommunalen Aufgaben, insbesondere Leistungen der Daseinsvorsorge, auch in Zukunft noch in hoher Qualität erfüllen zu können.
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