[20.7.2017] Eine Machbarkeitsstudie zur E-Vergabe hat die Kommunale Datenverarbeitung Region Stuttgart (KDRS) durchgeführt. Diese beleuchtet unter anderem, welche Vor- und Nachteile der Aufbau eines kommunalen Vergabekompetenzzentrums bieten würde.
Die öffentliche Auftragsvergabe ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: So werden innerhalb der Europäischen Union jährlich öffentliche Aufträge im Wert von über 1,5 Billionen Euro vergeben. Allein in Deutschland führen Bund, Länder und Kommunen jedes Jahr rund 2,4 Millionen Vergaben mit einem Volumen von 150 bis 480 Milliarden Euro durch. Der Anteil der Kommunen daran beläuft sich auf 40 bis 60 Prozent – also auf bis zu 300 Milliarden Euro.
Durch die entsprechenden EU-Vergaberichtlinien und den Entwurf der Unterschwellenvergabeordnung zur Vergabe öffentlicher Aufträge für Liefer- und Dienstleistungsaufträge ist es notwendig, die Vergaben zu digitalisieren. Sämtliche Kommunen und Unternehmen in den Mitgliedstaaten der EU sind verpflichtet, spätestens ab dem 18. Oktober 2018 ihre Vergabeverfahren auf elektronischem Weg durchzuführen. Digitalisiert wird der gesamte Vergabeprozess von der Bekanntmachung bis zur Zuschlagserteilung.
Leitfaden für Kommunen zum Ziel
Nachdem feststand, dass die E-Vergabe zwingend eingeführt werden muss, lag es für die Kommunale Datenverarbeitung Region Stuttgart (KDRS) nahe, gemeinsam mit der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg einen Leitfaden für die Kommunen im Land zu erstellen. Zuvor war im Rahmen dieser Kooperation bereits der Leitfaden für das E-Government-Gesetz Baden-Württemberg entstanden. Für die Machbarkeitsstudie erarbeiteten Fachleute der KDRS unter der Leitung von Christoph Ludwig gemeinsam mit Studenten des Vertiefungsstudiengangs „Angewandtes eGovernment“ sowie dem betreuenden Professor Robert Müller-Török, welche Herausforderungen mit der E-Vergabe auf die Kommunen zukommen und welche Lösungsansätze es dafür gibt.
Rahmenbedingungen und Begrifflichkeiten festhalten
Die Machbarkeitsstudie zur E-Vergabe erläutert, inwiefern es notwendig und machbar ist, dass der Zweckverband KDRS die Mitgliedskommunen bei der elektronischen Auftragsvergabe unterstützt. Neben den vergaberechtlichen Rahmenbedingungen und Begrifflichkeiten beleuchtet die Studie den Beschaffungs- und Ausschreibungsprozess aus der kommunalen Praxis. Darauf aufbauend werden die technischen und organisatorischen Anforderungen nach den neuen oder künftigen Bestimmungen erörtert. Außerdem hebt die Studie den Nutzen und Mehrwert von Unterstützungsleistungen für die kommunalen Partner hervor. Ein operatives Einführungsszenario der E-Vergabe hilft bei einer späteren Umsetzung. Abgerundet wird die Studie durch die Bewertung der Stärken und Schwächen eines kommunalen Vergabekompetenzzentrums.
Komplexe Vergabeverfahren händeln
Um die aktuellen rechtlichen Änderungen und die damit einhergehenden komplexen Herausforderungen richtig anzuwenden, müssen die zuständigen Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sich sehr genau im Vergaberecht auskennen. Zwischen 50 und 300 Ausschreibungen fallen je nach Kommune jährlich an. Die Vergabeverfahren sind, je nach gesetzlicher Vergabeart, mit bis zu 13 einzelnen Schritten sehr komplex. Da es in den meisten Kommunen niemanden gibt, der über das entsprechende Know-how verfügt, liegt es nahe, eine interkommunale Beschaffungs- und Vergabestelle einzurichten. Kleinere Kommunen greifen bereits heute auf die Angebote zentraler Beratungsstellen zurück. Die meisten nutzen momentan die Papierform, nur sehr wenige Städte und Gemeinden haben bereits auf die E-Vergabe umgestellt.
Viele kleinere Kommunen im Ländle
In Baden-Württemberg gibt es sehr viele kleinere Kommunen – von insgesamt 1.101 politisch selbstständigen Gemeinden weisen 999 weniger als 20.000 Einwohner auf – und somit eine entsprechend ressourcensparsame Verwaltung. Für diese ist es aus personellen Gründen nahezu unmöglich, die E-Vergabe selbst zu bewältigen. Daher bietet es sich an, auf Vergabedienstleistungen zurückzugreifen. Als Unterstützung gibt es zurzeit Angebote auf dem Markt, die entweder die elektronische Vergabe auf einer eigenen Plattform komplett übernehmen oder aber Software, mit der die Kommunen eine eigene E-Vergabe realisieren können.
Damit die gesetzlichen Vorgaben auch in der elektronischen Umsetzung eingehalten werden können, müssen dafür Lösungsmöglichkeiten gefunden werden. Beispielsweise kann durch die verschlüsselte Speicherung und Öffnung durch eine Vergabekommission gewährleistet werden, dass die Angebote nicht vorzeitig geöffnet werden. In einem Online-Dokumentenarchiv können die eingereichten Unterlagen aufbewahrt und bei Bedarf überprüft werden. Über die Umsatzsteuer ID können Kommunen und Unternehmen eindeutig identifiziert werden.
Dezentrale oder zentrale Vergabestelle
Als kommunales Vergabekompetenzzentrum wäre entweder eine dezentrale Beschaffungs- und Vergabestelle oder eine zentrale Vergabestelle denkbar. Bei einer dezentralen Beschaffungs- und Vergabestelle wäre die Kommune für die Ausschreibung und Auftragsvergabe selbst zuständig. Das kommunale Vergabezentrum würde die technische Vergabeplattform anbieten und die Infrastruktur betreiben. Das Dienstleistungsangebot könnte die projektierte Einführung der E-Vergabe, die Produktentwicklung und -pflege, sowie Qualifizierungsseminare der teilnehmenden Kommunen umfassen. Beim zweiten Lösungsmodell, der zentralen Vergabestelle, würden die Ausschreibung und die Auftragsvergabe beim kommunalen Vergabekompetenzzentrum als Dienstleister liegen. Für die abschließende Auftragsvergabe wären weiterhin die Kommunen zuständig.
Zusätzliche Dienstleistungen anbieten
Aufgrund der Komplexität der öffentlichen Auftragsvergabe empfiehlt die Studie zunächst den Aufbau einer dezentralen Beschaffungs- und Vergabestelle, die gegebenenfalls zu einer zentralen Vergabestelle weiterentwickelt werden könnte. In einem ersten Schritt vor der Einführung eines Vergabekompetenzzentrums müsste geklärt werden, wie weit dessen Leistungen gehen, welche Teile implementiert und welche zusätzliche Dienstleistungen angeboten werden sollten.
Maria Bieber ist Geschäftsbereichsleiterin Unternehmenskommunikation bei der Kommunalen Datenverarbeitung Region Stuttgart (KDRS).
http://www.kdrs.dehttp://www.hs-ludwigsburg.deDieser Beitrag ist in der Juli-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren (Deep Link)
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Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation