Montag, 14. April 2025

GewerbesteuerbescheidDie kritische Masse erreichen

[14.03.2025] Von der flächendeckenden Einführung des digitalen Gewerbesteuerbescheids profitieren Kommunen, Unternehmen und Steuerberatungen. Norbert Rheindorf, Line of Business Public Sector beim HKR-Hersteller Nagarro, erklärt, worauf es bei der Umsetzung ankommt.
Porträtaufnahme von Norbert Rheindorf.

Norbert Rheindorf ist im Bereich Line of Business Public Sector beim HKR-Hersteller Nagarro tätig.

(Bildquelle: Nagarro)

Herr Rheindorf, vor einem Jahr ist der digitale Gewerbesteuerbescheid gestartet. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

Ein Drittel der HKR-Hersteller hat auf die Lösung umgerüstet, und rund 100 Kommunen in unterschiedlichen Bundesländern haben die Umsetzung pilotiert, umfassend getestet und das Ganze erfolgreich in die Praxis überführt. Das sind gute Zahlen, aber das Potenzial ist natürlich viel größer. Im nächsten Schritt kommt es darauf an, Erfahrungswerte zu nutzen und eine kritische Masse zu erreichen. Außerdem müssen Kommunen, die das Projekt bereits umgesetzt haben, mehr Steuerpflichtige und Steuerberater darauf aufmerksam machen, damit es flächendeckend bekannt wird.

Inwiefern unterscheidet sich der neue vom alten Prozess?

Seit einem Jahr können Steuerpflichtige direkt bei der Abgabe ihrer Gewerbesteuererklärung den digitalen Gewerbesteuerbescheid über das ELSTER-Portal beantragen. Dazu müssen sie einfach bei Mein ELSTER den so genannten Elektronischen Zustellwunsch auswählen. Sie erhalten den Bescheid dann nicht mehr per Post, sondern als PDF-Dokument mit eingebettetem XML (PDF/A-3) in das Postfach des ELSTER-Unternehmenskontos. Der maschinell lesbare, einheitliche XML-Datensatz ermöglicht eine direkte Weiterverarbeitung in den unterschiedlichen Softwarelösungen der Unternehmen und Steuerberatungen. Unternehmen können die Bescheide einfach und effizient durch den elektronischen Abgleich überprüfen und op­tional digital widersprechen.

Welche Vorteile bietet die Einführung den Kommunen?

Der digitale Gewerbesteuerbescheid verallgemeinert, verkürzt und optimiert verwaltungsinterne Prozesse. Unter anderem können Vorgänge zwischen Steuer- und Kassenamt leichter zugeordnet werden. Das Abtippen und Anheften von Informationen entfällt komplett. Neue Möglichkeiten beim Suchen und Filtern von Bescheiden nach bestimmten Kriterien verbessern zudem das Dokumentenmanagement. Unserer Erfahrung nach reduziert sich der monatliche bürokratische Aufwand um mehrere Stunden. Dadurch werden ohnehin knappe personelle Ressourcen für weitere Projekte im Zuge des OZG frei. Außerdem schafft das standardisierte und automatisierte Vorgehen mehr Transparenz. Der größte Vorteil ist, dass sich Kommunen zu einem attraktiven und konkurrenzfähigen Standort entwickeln können.

Der digitale Gewerbesteuerbescheid wird neuerdings als Fachmodul vom IT-Standardisierungsvorhaben XUnternehmen umgesetzt. Was bedeutet das? 

Zum einen wird dadurch eine verbindliche Nutzung und kontinuierliche Pflege des Datenmodells geschaffen. Zum anderen ermöglicht die Teilnahme an einem solchen XÖV-Standard auch nachhaltig eine reibungslose Datenübertragung zwischen verschiedenen Systemen und Organisationen. Somit können alle Verwaltungsprozesse, die im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer stehen, vereinfacht und automatisiert werden. Durch die Einbindung im XRepository werden Nutzer zudem automatisch über Updates und neue Versionen informiert. Fachliche Änderungsanträge können an ein Expertengremium aus führenden HKR-Herstellern wie uns gestellt werden. Somit haben Kommunen einen direkten Ansprechpartner für ihre Bedarfe. Letztendlich erfüllen Kommunen die aus dem OZG resultierende Verpflichtung zur elektronischen Bescheidbekanntgabe, für die jede ansonsten eine eigene Lösung umsetzen müsste.

„Der digitale Gewerbesteuerbescheid optimiert verwaltungsinterne Prozesse und bietet Unternehmen Standortvorteile.“

Inwiefern profitieren Unternehmen?

Der digitale Gewerbesteuerbescheid bietet ortsansässigen Unternehmen Standortvorteile und verringert den Aufwand bei der Datenerfassung. Bisher waren in den 11.000 Kommunen in Deutschland über 600 verschiedene Papierformate im Umlauf. Das führte nicht nur zu Medienbrüchen, sondern bedeutete auch einen hohen manuellen Aufwand für Unternehmen mit Standorten in verschiedenen Bundesländern und Gemeinden. Diese Digitalisierungslücke wird nun durch die deutschlandweit einheitlich aufgebaute XML-Datei geschlossen. Darüber hinaus läuft die Kommunikation zwischen Unternehmen und Behörden schnell und (rechts-)sicher über ein kostenfreies Postfach.

Welche Voraussetzungen müssen Kommunen für die Umsetzung schaffen?

Die Einführung des digitalen Gewerbesteuerbescheids ist komplex und geht mit der Digitalisierung innerhalb der Verwaltung einher. Dafür brauchen Kommunen genug Ressourcen und einen langen Atem. Unterstützung erhalten sie dabei von erfahrenen HKR-Herstellern, aus Länderarbeitskreisen und vom ServiceDesk Digitaler Gewerbesteuerbescheid. Hier gibt es die Möglichkeit, den Versand in einem Testsystem zu erproben und sich mit anderen Kommunen über deren Erfahrungen auszutauschen.

Sie haben die Stadt Essen als eine der ersten Kommunen in Deutschland bei der Umsetzung begleitet, welche Erfahrungen konnten Sie hierbei sammeln?

Die Stadt Essen ist das Projekt gemeinsam mit Nagarro im Rahmen ihrer Digitalstrategie angegangen. Ziel war es, ein gutes und modernes Dienstleistungsangebot bereitzustellen, das für alle einfach und standardisiert nutzbar ist. Seit etwa einem Jahr hat die Stadt nun die Möglichkeit, ihre rund 3.500 Bescheide im Monat vollumfänglich digital und flächendeckend an ansässige Unternehmen zu verschicken. Die ersten Eindrücke sind durchweg positiv: Es gibt keine Papierflut mehr, keine Postrückläufer durch ungültige Bescheide, keine Medienbrüche bei der Übermittlung, die Kosten für Papier und Porto sind deutlich gesunken, und der Arbeitsaufwand für die Sachbearbeitenden hat sich erheblich reduziert.

Ihr Rat an andere Kommunen?

Auch wenn der digitale Gewerbesteuerbescheid nicht verpflichtend ist, sollten Kommunen bei der kostenfreien Anbindung an ELSTER nicht zögern. Wer es schafft, rechtzeitig die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, kommt in eine strukturierte, koordinierte Umsetzung. Ein HKR-Hersteller, der auf die Kommunen eingeht und sie professionell begleitet, kann die Einführungszeit verkürzen und Effizienzen im Bereich Automatisierung heben.

Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte?

Eine spezielle Herausforderung im Gesamtprojekt stellt der Zerlegungsbescheid dar. Auch dieser Bescheid soll zukünftig den elek­tronischen Weg nehmen. Der neue PDF-Zerlegungsbescheid mit eingebettetem XML (PDF/A-3) löst die Formate „ELSTER-Schlüssel in K1“ und Papier in Nordrhein-Westfalen ab und ermöglicht einen deutschlandweiten, länderübergreifenden digitalen Versand der Zerlegungsbescheide vom Finanzamt an alle betroffenen Kommunen. Die flächendeckende Einführung in ganz Deutschland ist für dieses Jahr geplant. Perspektivisch ist auch für die Gewerbesteuer-Messbetragsmitteilung vom Finanzamt an die Kommunen eine Umstellung auf das Format PDF/A-3 angedacht. Die Stadt Dortmund führt mit Nagarro aktuell erste Tests mit Echtzeitdaten durch. Die Ergebnisse stellen wir anschließend allen anderen Bundesländern zur Verfügung.

Interview: Bettina Weidemann




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Finanzwesen

Bremerhaven: DIGITAL-Award für E-Rechnungsprojekt

[20.03.2025] Für ihr Projekt zur Umsetzung der E-Rechnung ist die Stadt Bremerhaven mit dem DIGITAL-Award 2024 ausgezeichnet worden. mehr...

Aachen: IT-Prüfung für 70 Kommunen

[13.03.2025] Die Stadt Aachen bietet eine IT-Prüfung auch für andere Kommunalverwaltungen an. Nun hat der Fachbereich Rechnungsprüfung seinen Jahresbericht 2024 über die IT-Prüfung in Aachen und 70 weiteren Kommunen vorgelegt. mehr...

Smartphone in der Hand eines Mannes, der an einem Tisch über einer Vielzahl an Papierdokumenten sitzt.
bericht

Prozessoptimierung: Effizienz im täglichen Tun

[03.03.2025] Im Finanzwesen treffen der Fachkräftemangel und neue gesetzliche Vorgaben auf umständliche, überholte Prozesse. Mit der Einführung intelligenter Lösungen lassen sich in der gesamten Organisation Zeit sparen, Abläufe beschleunigen und Mitarbeiter entlasten. mehr...

Großes Frachtschiff, davor fährt ein kleines Motorboot.
bericht

Rechnungsworkflow: Flexible Lösungen

[13.02.2025] Bei der Einführung von Rechnungsworkflows oder Archivlösungen steht für kleinere und mittlere Kommunen vor allem Effizienz im Vordergrund. Mit kleinen und flexiblen Werkzeugen lassen sich oft schnellere Erfolge erzielen als mit der Etablierung langwieriger Prozesse. mehr...

KDO: Finanzstatistiken mit einem Klick

[03.12.2024] Die Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO) hat eine neue Möglichkeit zum Datenaustausch für die Kassen- und Jahresrechnungsstatistik in KDO-doppik&more auf Basis von SAP S/4HANA integriert. mehr...

borkum_leuchtturm

Borkum: Darlehensverwaltung mit VOIS

[28.11.2024] Das Fachverfahren VOIS|DALE für die Darlehensverwaltung führt die ostfriesische Stadt Borkum ein. Eine entsprechende Bestellung ging bei Anbieter ab-data ein. mehr...

d.velop / Nagarro: Rechnungsprozesse in der Cloud

[14.10.2024] Die Unternehmen d.velop und Nagarro haben eine Kooperation vereinbart. Ziel ist es, den gemeinsamen Kunden durchgängig digitale Rechnungsprozesse basierend auf der SAP-S/4HANA-Cloud anzubieten, die über die SAP Business Technology Platform (SAP BTP) bezogen werden können. mehr...

Salzlandkreis: Neue Finanzmanagement-Lösung

[11.10.2024] Der Salzlandkreis arbeitet seit Jahresanfang mit der Finanzmanagement-Lösung der KDO. Der nächste Meilenstein ist der Wechsel auf SAP S/4HANA. mehr...

Detailaufnahme eines weißen Taschenrechners und eines Kugelschreibers, die auf einem Haufen ausgedruckter Tabellen mit Zahlenreihen liegen.
bericht

Gewerbesteuerbescheid: Digitalisierung nimmt Fahrt auf

[10.10.2024] Entwicklung, Anbindung und Erprobung des digitalen Gewerbesteuerbescheids kommen gut voran. Kommunen können von dem Verfahren stark profitieren – und erhalten noch bis Jahresende Unterstützung bei der Einführung. mehr...

Wie werden die Mittel künftig aufgeteilt? Transparenz und Bürgernähe will Hamburg mit der Veröffentlichung des Haushaltsplan-Entwurfs erzielen.

Hamburg: Haushaltsplan-Entwurf online

[23.07.2024] Der Haushaltsplan-Entwurf für die Jahre 2025 und 2026 der Freien und Hansestadt Hamburg ist jetzt online verfügbar. Neben dem aktuellen Entwurf sind nun auch die historische Entwicklung der Hamburger Finanzdaten ab dem Jahr 2017 und frühere Haushaltspläne einzusehen. mehr...

Dank E-Signatur ist der Rechnungsworkflow im Kreis Fürth nun schneller und weniger fehleranfällig.

Kreis Fürth: E-Signatur vereinfacht Rechnungsworkflow

[09.07.2024] Der Landkreis Fürth hatte sich im Jahr 2022 entschlossen, den Signaturservice der AKDB einzuführen und damit den Rechnungsworkflow zu beschleunigen. Mit dem Ergebnis ist die Kommune mehr als zufrieden. mehr...

Leipzigs Stadtverwaltung führt eine SAP-basierte Lösung zur Vertragserstellung und -verwaltung ein.

Leipzig: IT-gestütztes Vertragsmanagement

[03.07.2024] Mithilfe von IT-Dienstleister GISA führt die Stadtverwaltung Leipzig ein IT-gestütztes Vertragsmanagement ein. Die Lösung soll einen entscheidenden Beitrag zur Verwaltung von Verträgen in den verschiedenen Fachbereichen leisten. mehr...

Mit einer Digitalisierungsplattform alle Rechnungen im Blick behalten.

E-Rechnung: Pflicht als Chance

[25.06.2024] Das Wachstumschancengesetz verpflichtet in Deutschland ansässige Unternehmen ab 2025 zur elektronischen Rechnungsstellung für inländische B2B-Umsätze. Dies könnte auch für die öffentliche Verwaltung eine Chance sein, den digitalen Wandel voranzutreiben. mehr...

E-Rechnungsgipfel 2024 beschäftigte sich besonders mit den rechtlichen Aspekten.

E-Rechnungsgipfel 2024: Rechtliche Aspekte im Fokus

[21.06.2024] Insbesondere mit den rechtlichen Vorgaben und Anforderungen im Zusammenhang mit der Pflicht zur Einführung der E-Rechnung hat sich der diesjährige E-Rechnungsgipfel beschäftigt. mehr...