Dienstag, 25. März 2025

Bad OeynhausenKI automatisiert Prozesse

[25.03.2025] Zur Abwicklung von Widersprüchen im Rahmen der Grundsteuerreform setzt die Stadt Bad Oeynhausen auf KI-Prozessautomatisierung in Kombination mit einem lokalen LLM. Für die Sachbearbeitenden ist das mit einer deutlichen Zeitersparnis verbunden.
Julia Kleinert vom Team Organisation der Stadt Bad Oeynhausen und Patrick Höwener vom Team Steuern stehen vor einem an der Wand befestigten Whiteboard und erklären darauf den neuen Prozess mit EMMA.

Interne Vorstellung des neuen KI-basierten Prozesses in Bad Oeynhausen.

v.l.: Julia Kleinert, Team Organisation der Stadt Bad Oeynhausen; Patrick Höwener vom Team Steuern

(Bildquelle: Bad Oeynhausen)

Obwohl die Digitalisierung als Schlüssel zur Modernisierung gilt, zeigt der Alltag in der öffentlichen Verwaltung oft ein anderes Bild: stapelweise unstrukturierte Schreiben, die per Post eintreffen und immer wieder die gleichen Anliegen enthalten. Die mühsame Übertragung analoger Inhalte in digitale Systeme raubt nicht nur wertvolle Zeit, sondern führt auch zu Frustration bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei kann die Bearbeitung von Anträgen oder Widersprüchen durch Automatisierung wesentlich effizienter gestaltet werden.

Angesichts einer drohenden Flut von Widersprüchen im Rahmen der Grundsteuerreform haben Mitarbeitende aus den Teams Steuern, eGovernment und IT der Stadt Bad Oeynhausen einen Prozess entwickelt, um Daten aus unstrukturierten Schreiben automatisiert zu erfassen. Die neue Lösung basiert auf der KI-Prozessautomatisierung EMMA des Anbieters Wianco OTT Robotics, kombiniert mit einem lokal betriebenen Large Language Model (LLM). Der Prozess läuft dabei wie folgt ab: Zunächst werden eingehende Widersprüche per Stapelverarbeitung über die städtischen Großkopiergeräte gescannt. Die Geräte senden die eingescannten Dokumente im PDF-Format automatisiert an das E-Mail-Postfach von EMMA. Im nächsten Schritt ruft EMMA die E-Mails ab, speichert die Anlagen in einem definierten Ordner und wandelt die PDFs per OCR-Texterkennung in maschinenlesbaren Text um. 

Der extrahierte Text wird dann von EMMA an ein lokal betriebenes Large Language Model übergeben; in Bad Oeynhausen kommt das Modell Hermes 3 in der Variante 8B zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine feingetunte Version des Modells Llama-3.1, das der Konzern META veröffentlicht hat. Ausgeführt wird das Modell mit der Software Ollama auf einem Linux-Server. 

Halluzinationen werden vermieden

Abgesehen von EMMA ist die in Bad Oeynhausen verwendete Software quelloffen und unter verschiedenen Lizenzen, wie der GPL 3 oder der MIT-Lizenz, veröffentlicht. Der LLM-Server ist vom Internet getrennt, um den Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen. Besonders sensible Steuerdaten können so datenschutzkonform verarbeitet werden, da diese zu keinem Zeitpunkt die städtischen Systeme verlassen. In den Datenschutzinformationsblättern der Stadt wird transparent auf den Einsatz der KI-Prozessautomatisierung und eines lokalen LLMs hingewiesen.

Ein hinterlegter System Prompt, der als Anleitung für das Verhalten des LLM dient, gibt vor, wie das Modell relevante Stammdaten erkennen und strukturiert darstellen soll. Gleichzeitig definiert er klare Vorgaben für den Umgang mit fehlenden Daten, um so genannte Halluzinationen, ein typisches Phänomen bei LLMs, zu vermeiden. Die vom LLM ausgegebenen strukturierten Daten werden anschließend von EMMA eingelesen und in die Widerspruchsliste des Teams Steuern übertragen. EMMA validiert sodann die Daten mithilfe des Fachverfahrens und ergänzt fehlende Informationen, sofern erforderlich.

In einem letzten Schritt prüfen Sachbearbeitende die Daten in einer kurzen Sichtkontrolle und nehmen gegebenenfalls Korrekturen vor. Danach können die Daten im Massenverfahren weiterverarbeitet werden, zum Beispiel zur Erstellung von Eingangsbestätigungen mittels Serienbrieffunktion oder zur Vorbereitung von Widerspruchsbescheiden in gleichgelagerten Fällen.

Grundsteuerreform liefert Anwendungsfall

Dass die im Rahmen der Grundsteuerreform zu erledigenden Vorarbeiten mit dem vorhandenen Personal des städtischen Steuerteams nicht zeitgerecht erledigt werden können, hatte sich im Spätsommer 2024 abgezeichnet. Da es sich bei vielen der Tätigkeiten um repetitive Aufgaben handelt und sich die Personalgewinnung als immer schwieriger erweist, waren sich Mitarbeitende und Führungskräfte der Stadt Bad Oeynhausen schnell einig: Dies ist der perfekte Anwendungsfall für eine KI-Prozessautomatisierung.

Die Entscheidung, auf eine KI-Lösung zu setzen, fiel dabei vergleichsweise leicht. So ist der Chatbot Colon Sültemeyer der Stadtverwaltung bereits seit Mai 2023 besonders stark in die Prozesse des Teams Steuern eingebunden und nimmt beispielsweise Hundeanmeldungen entgegen oder beantwortet einfache Anfragen der Steuerpflichtigen (siehe auch Kommune21 Ausgabe 11/2023). Der Chatbot hat sich mittlerweile als unverzichtbares Werkzeug etabliert und verdeutlicht eindrucksvoll, dass KI – bei gezieltem Einsatz – weit mehr als nur ein technisches Gimmick ist, sondern eine spürbare Entlastung schaffen kann.

Nachdem die Entscheidung getroffen war, wurde im August 2024 mit der Softwareauswahl und anschließend mit dem Einführungsprozess begonnen. Bereits im Oktober wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem Prozessbau beauftragt wurden, vom Softwarehersteller geschult. Währenddessen sammelte das Team Steuern weitere Prozesse, die automatisiert werden können, um eine möglichst große Entlastung der Beschäftigten zu realisieren. Dabei entstand auch die Idee, für die Bearbeitung der zu erwartenden Widersprüche auf die Prozessautomatisierung zurückzugreifen. Doch um unstrukturierte Schreiben verstehen und Daten daraus extrahieren zu können, musste EMMA ein LLM an die Hand gegeben werden. Dafür wurde die Open-Source-Lösung Ollama in Kombination mit einem kleinen lokalen LLM ausgewählt. Die städtische IT stellte dafür kurzfristig einen Server bereit und richtete  die Software ein. Der Prozess selbst wurde schließlich innerhalb weniger Tage in der Software EMMA gebaut und erprobt.

Zeitersparnis und höhere Datenqualität

Eine Herausforderung war die Erstellung des System Prompts. Dabei erwiesen sich einmal mehr die mit dem städtischen Chatbotprojekt sowie der Einführung von LLMs in der Stadtverwaltung gewonnenen Erfahrungen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz und Sprachmodellen als besonders wertvoll. Auch die enge Verzahnung der Digitalen Lotsen in den Fachämtern mit dem Team eGovernment und der städtischen IT stellte sich als entscheidender Vorteil heraus, um Bedarfe für eine zielgerichtete Digitalisierung zu erkennen und das Projekt schnell und unkompliziert umzusetzen.

Der automatisierte Prozess führt in Bad Oeynhausen zu einer erheblichen Reduzierung manueller Tätigkeiten und spart insbesondere in Stoßzeiten wertvolle Zeit. So können sich die Sachbearbeitenden auf ihre Kernaufgaben konzen­trieren, anstatt sich mit repetitiven Dateneingaben zu befassen.

Durch eine maschinelle Validierung der Daten einerseits und eine menschliche Kontrolle andererseits wird die Datenqualität zudem erhöht – beim bisher praktizierten manuellen Abtippen erfolgte anschließend erfahrungsgemäß keinerlei Validierung oder Kon­trolle mehr. Darüber hinaus ist die Lösung skalierbar und kann leicht auf andere Arten von massenhaft eingehenden Schreiben oder E-Mails angepasst werden. So wird der Ansatz zukünftig auch in anderen Bereichen der Stadtverwaltung Anwendung finden.

Patrick Höwener arbeitet im Team Steuern der Stadt Bad Oeynhausen und ist darüber hinaus Digitaler Lotse für den Bereich Finanzen; Julia Kleinert arbeitet im Team Organisation und ist dort für das Themenfeld E-Government zuständig.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Künstliche Intelligenz
Die Benutzeroberfläche von Sidekick wird auf einem Tablet, einem Desktop-Bildschirm und einem Smartphone angezeigt.

KI: DSGVO-konforme Nutzung für Kommunen

[24.03.2025] In dieser Woche bringt Tobit.Software eine Serverlösung an den Start, die Kommunen die datenschutzkonforme Nutzung verschiedener textbasierter KI-Modelle ermöglichen soll. Die Verwaltung behält dabei die volle Kontrolle über User, Berechtigungen, bereitgestellte KI-Modelle und die DSGVO-Vorgaben, sämtliche Interaktionen werden revisionssicher protokolliert.  mehr...

Foto von Julian Heigenhauser, Jennifer Schürholz und Sebastian Jahn, die nebeneinander stehen.
bericht

Kreis Traunstein: Expertise halten, Kräfte schonen

[20.03.2025] Wie der Fachkräftemangel entschärft werden kann, zeigt sich im Kreis Traunstein. Die Kommune dokumentiert bislang nicht verschriftlichtes Expertenwissen ihrer Mitarbeiter, sodass es personenunabhängig zur Verfügung steht. Auch Automatisierungspotenziale werden gehoben. mehr...

Berlin: CALM-Bot folgt auf Bobbi

[17.03.2025] An einem Nachfolger für den Ende vergangenen Jahres abgeschalteten Verwaltungs-Chatbot Bobbi arbeitet der Berliner Senat. Dieser soll auf einem großen Sprachmodell à la ChatGPT basieren. mehr...

Gruppenbild mit Phillip Schulte, Björn Wittneben, Thomas Körtge und Mirko Schwellenbach vor einem Optimal-Systems-Aufsteller.
bericht

Soltau: SOFIA weiß alles

[25.02.2025] Auf Basis des Sprachmodells ChatGPT kommt in Soltau eine generative KI zum Einsatz, die Akten und Dokumente liest und somit auch auf komplexe Fragen Antwort weiß. SOFIA kann dabei auf das volltextindexierte Wissen der vergangenen 78 Jahre zurückgreifen. mehr...

Zwei Mitarbeiter eines Entsorgungsbetriebs führen eine Abfalltonne dem Müllfahrzeug zu.
bericht

Abfallmanagement: Intelligente Entsorgung

[21.02.2025] Smart-Waste-Management kann Kommunen helfen, Fachkräftemangel und steigenden Kosten zu begegnen. KI-gestützte Systeme optimieren Leerungen und Routen, entlasten Personal und schonen Ressourcen. Erste Projekte sind vielversprechend. mehr...

Mit DALL-E-3 geschaffene Grafik unter dem Titel Klimts Interpretation der Auswirkungen von KI auf die Verwaltungsarbeit.
bericht

Künstliche Intelligenz: Chancen und Risiken

[18.02.2025] Künstliche Intelligenz und generative Künstliche Intelligenz verfügen über das Potenzial, Staat und Verwaltung tiefgreifend zu verändern. Eine Analyse der Auswirkungen von KI-Technologien auf die Verwaltungsarbeit. mehr...

Cover des Reports "Report „Reimagining the Future of Public Sector Productivity“

SAS-Studie: Deutsche Behörden wenig bereit für Veränderung

[12.02.2025] Eine Studie von Economist Impact für SAS zeigt: In deutschen Behörden bremst vor allem Widerstand gegen Veränderungen die Digitalisierung – 65 Prozent der Befragten nennen dies als größtes Hindernis. Zudem erschweren Budgetgrenzen, Datenschutzauflagen und starre Vorschriften den Fortschritt. mehr...

Ausschnitt aus Hamburgs Versiegelungskarte.

Hamburg: KI hat Versieglung im Blick

[12.02.2025] In Hamburg wurde das städtische Versiegelungsmonitoring auf eine innovative, KI-gestützte Methode umgestellt. Dadurch kann zukünftig mit viel genaueren und aktuelleren Daten geplant werden. mehr...

Hannover: Über die Grundsteuerreform chatten

[11.02.2025] Die Stadt Hannover nutzt Künstliche Intelligenz, um ihren Service zu verbessern und um die Beschäftigten im Fachbereich Finanzen zu entlasten: Ein innovativer KI-Chatbot antwortet schnell und effizient auf häufige Fragen zur Grundsteuerreform. mehr...

KGSt: KI im Personalmanagement

[11.02.2025] Ein neuer Bericht der KGSt bietet einen umfassenden Überblick über aktuelle Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz im Personalmanagement, zeigt aber auch die Herausforderungen und möglichen Zukunftsaussichten eines KI-Einsatzes in diesem Bereich. mehr...

Eine Personengruppe steht in einem Besprechungsraum, im Hintergrund sind unterschiedliche Präsentationsfolien und -Poster rund um das BUKI-Projekt zu sehen.
bericht

Oldenburg: BUKI verbessert Service

[06.02.2025] Die Stadt Oldenburg hat gemeinsam mit dem Informatikinstitut OFFIS erprobt, wie sich die Dokumentenausfüllung basierend auf KI bürgerfreundlicher gestalten lässt. Von den Ergebnissen können auch andere Kommunen profitieren. mehr...

BMI: Marktplatz für Verwaltungs-KI

[30.01.2025] Das Bundesinnenministerium hat den Marktplatz der KI-Möglichkeiten gestartet, um Behörden beim Einsatz von KI-Systemen zu vernetzen und die Nachnutzung zu erleichtern – zunächst bei der Bundesverwaltung, Kommunen sollen hinzukommen. Die Plattform erfüllt außerdem Transparenzpflichten aus der KI-Verordnung. mehr...

screenshot-website_neu_wulmstorf_leichte_sprache

Neu Wulmstorf: Mehr Leichte Sprache

[29.01.2025] Mit Angeboten in Leichter Sprache möchte die Gemeinde Neu Wulmstorf die Verwaltung verständlicher machen. Zum Einsatz kommt ein KI-basiertes Tool, welches per API-Schnittstelle ins CMS integriert wurde. mehr...

Hände tippen auf Computer-Keyboard (leicht unscharf), davor gerenderter Kopfumriss aus helltürkisen Punkten und Linien

WIK-Kurzstudie: KI in Kommunen

[28.01.2025] KI ist auch in der kommunalen Verwaltung ein Trendthema. Erkenntnisse über den tatsächlichen Mehrwert von KI-Anwendungen sind aber erst in wenigen Fällen verfügbar. Eine Kurzstudie wertet über 140 Praxisbeispiele aus und zeigt, wie Kommunen typischen Herausforderungen begegnen. mehr...