Low Code:
Was kommt auf die öffentliche IT zu?


[12.7.2023] Low Code ist in aller Munde. Doch was die Plattformen wirklich können und wie die öffentliche IT von deren Einsatz profitieren kann, bleibt oft unklar. Ist Low Code nur ein Werkzeugkasten für kleine IT-Lösungen oder eignet sich der Ansatz auch für professionelle Anwendungen?

Das passende Vorgehensmodell zu wählen, ist ein wichtiger Aspekt für den erfolgreichen Einsatz von Low Code im Public Sector. Der Begriff Low Code beschreibt den Anspruch, Software weitestgehend ohne manuelle Programmierung zu entwickeln. Hinter dieser Definition stehen unterschiedliche Produkte und Dienstleistungsangebote. Einige Ansätze gehen von einer Prozessmodellierung aus und bieten die Möglichkeit, zunächst logische Abläufe auf sehr einfache Weise grafisch zu entwickeln. In einem zweiten Schritt entsteht dann die Programmlogik. Daher eignen sich diese Low-Code-Plattformen besonders gut für prozesslastige Anwendungen. Bekanntester Vertreter in diesem Bereich ist der US-Hersteller Appian. Andere Low-Code-Plattformen, wie zum Beispiel Scopeland, beginnen bei den Daten und reichern die Programmlogik über regelbasierte Eigenschaften der Daten und auf dem Bildschirm manuell zusammengesetzte Programmoberflächen an. Diese Art von Low Code eignet sich auch für komplexe IT-Lösungen – selbst für die Entwicklung kritischer Core-IT-Systeme.
Wieder andere Plattformen streben unter dem Label No Code eine komplette Programmierfreiheit an, was zwar die Anwendungsfälle etwas einschränkt, dafür aber besonders einfach und schnell zu Ergebnissen führt. Oft sind No-Code-Plattformen zur Erstellung von Apps für mobile Endgeräte ausgelegt. Und natürlich gibt es völlig unterschiedliche Ausprägungen der Programmfunktionen: Die einen konzentrieren sich auf einfache Bedienung, während andere Plattformen komplexe Strukturen abdecken und etwa KI oder Geodatenverarbeitung integrieren.
Die Schlussfolgerung: Für unterschiedliche Aufgaben werden unterschiedliche Arten von Low-Code-Plattformen benötigt. Folglich ist es nicht sinnvoll, mit großem Aufwand die eine Low-Code-Plattform auszuschreiben, die alle Bereiche abdecken soll. Nach einiger Zeit werden drei, fünf oder mehr Low-Code-Plattformen gebraucht.

Mehr als ein Toolset

Die Low-Code Association hat kürzlich ein Low Code Manifest veröffentlicht, welches in Zusammenarbeit einiger der wichtigsten in Deutschland aktiven Player und unter Mitwirkung eines Vertreters von Fraunhofer FOKUS erarbeitet wurde. Das Unternehmen Scopeland hat seine Erfahrungen aus der Arbeit mit Bundes- und Landesbehörden einfließen lassen (wir berichteten). In 14 Thesen legt das Papier umfassend dar, was unter Low Code zu verstehen ist, was der Ansatz leisten kann und was daraus für die IT von Unternehmen und auch Verwaltungen folgt. Das Manifest zeigt, dass Low Code weit mehr ist als ein Toolset. Viele Aussagen im Manifest beziehen sich auf Fragen eines neuen Rollenverständnisses der an Software-Entwicklungen Beteiligten, Fragen des Projekt-Managements bis hin zu gesellschaftlichen Implikationen. Insbesondere aber räumt das Manifest mit der Vorstellung auf, Low Code sei nichts weiter als ein etwas besserer Ansatz für die eigentlich gar nicht gewollte Schatten-IT: Low Code hat bereits heute eine große Bedeutung für die professionelle Software-Entwicklung.

Low Code kann auch IT-Großprojekte

Öffentliche Auftraggeber sind beim Adaptieren neuer Trends manchmal schneller als die freie Wirtschaft. Low-Code-Plattformen sind – auch wenn sie damals noch nicht so hießen – seit mehr als zwei Jahrzehnten als technische Grundlage von Umweltinformationssystemen verbreitet, wie beispielsweise das mit Scopeland aufgesetzte Umweltinformationssystems (UIS) des Landes Sachsen-Anhalt. Die schiere Menge an abzubildenden Anforderungen und zu bearbeitenden Informationen bei begrenzten IT-Budgets zwang die Umweltämter dazu, als erste innovative Wege einzuschlagen.
Ähnlich verhält es sich mit Vorgangsbearbeitungslösungen. Auch hier haben begrenztes Budget und die Notwendigkeit, schneller und flexibler auf sich ändernde Anforderungen zu reagieren, Behörden, wie beispielsweise die Ausländerbehörden, zu Vorreitern des Einsatzes neuer Technologien gemacht.
Als Flaggschiff unter den Low-Code-Anwendungen in Deutschland gilt das Fischerei-IT-System der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Das meist als FIT bezeichnete System ist wahrscheinlich das erste vollständig mit Low Code umgesetzte Großprojekt in der öffentlichen Verwaltung, bei dem mehr als 99 Prozent des zum Einsatz kommenden Programmcodes vom Computer generiert wurden.

Low Code für Citizen Developer

Das andere Nutzungsszenario für Low- und No-Code-Plattformen – die Nutzung als Toolset durch IT-affine Mitarbeiter direkt in den Fachbereichen, die so genannten Citizen Developer – steht zwar stark in der öffentlichen Wahrnehmung, ist aber in der Praxis noch nicht weit verbreitet.
Meist geht man dabei von Folgendem aus: Die zentrale IT einer Behörde oder der Landes-IT-Dienstleister richtet eine Low-Code-Infrastruktur ein, betreibt diese und stellt vorgefertigt Funktionen, Schnittstellen, sonstige Programmbausteine und Unterstützung bereit. IT-affine Mitarbeiter der einzelnen Fachbereiche sollen für den Eigenbedarf einfache Anwendungen schnell selbst bauen können. Diesem Ansatz folgt auch MODUL-F, das als Low-Code-ähnliche Komponente als Teil der erweiterten Strategie für das Föderale Informationsmanagement (FIM) im OZG verankert ist (wir berichteten). Inwieweit sich das Citizen-Developer-Konzept im Public Sector etabliert, und ob sich damit auch die Entwicklung größerer Anwendungen abdecken lässt, bleibt noch abzuwarten.

Arbeiten mit Low Code – das phasenagile Vorgehensmodell

Ein wichtiger Aspekt für den erfolgreichen Einsatz von Low Code im Public Sector ist die Frage des richtigen Vorgehensmodells. Das gilt sowohl für professionell aufgestellte Low-Code-Developer-Teams als auch für Eigenentwicklungen von Citizen Developern.
Die grundlegende Methodik von Low Code, Software interaktiv und visuell zu entwickeln, erlaubt es, mit wenigen Handgriffen vieles im Projekt jederzeit umzubauen. Diese herausragende Eigenschaft ermöglicht andere Vorgehensmodelle als in der sonstigen Software-Entwicklung – Modelle, die eine stringente Umsetzung vorgedachter Konzepte mit der gewünschten Agilität in der konkreten Ausführung kombinieren. Eines davon ist das phasenagile Vorgehensmodell, das inzwischen schon seit vielen Jahren in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland etabliert ist.
Low Code ist also weit mehr als nur ein technischer Paradigmenwechsel. Low Code verändert die Frage, wie IT insgesamt zu managen ist. Wenn man all dies im Blick hat und die IT-Organisation darauf ausrichtet, kann man die Leistungsfähigkeit der IT in einem Ausmaß steigern, das bislang noch nicht abzusehen ist.

Karsten Noack ist Geschäftsführer bei Scopeland Technology.

https://www.scopeland.de

Stichwörter: IT-Infrastruktur, Scopeland, Low Code

Bildquelle: murrstock/123rf.com

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