Business Intelligence:
Von Daten zu Wissen


[19.11.2018] Von einer datengetriebenen öffentlichen Verwaltung ist Deutschland noch weit entfernt. Business Intelligence kommt vor allem für Finanzen und Controlling zum Einsatz. Jedoch sind viele Szenarien denkbar, um mittels Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Die Verknüpfung von Informationen aus unterschiedlichen Quellen bildet die Grundlage für datengeschriebene Entscheidungen. Business Intelligence (BI) ist in den Verwaltungen definitiv kein Fremdwort. Als Instrumente setzen die Behörden neben einem Standardberichtswesen mittlerweile vielfach Ad-hoc-Analysen und integrierte Planungslösungen inklusive Simulationsszenarien ein. Zudem gibt es Fortschritte bei der eigenständigen Entwicklung komplexer Analysen durch die Fachbereiche im Rahmen eines BI-Self-Service. Dennoch hat sich die Reife der eingesetzten Instrumente im öffentlichen Sektor nicht signifikant weiterentwickelt. Das zeigt die BI&Analytics-Studie biMA 2017/2018 von Sopra Steria Consulting. Die Kluft zwischen dem, was Behörden nutzen, und dem, was technisch und fachlich möglich ist, hat sich demzufolge eher vergrößert und vor allem ist der Anwendungsfokus zu eng gesteckt.

Mehr Datenquellen nutzen

Der Bereich Finanzen und Controlling, der mit Abstand die stärkste fachliche Nutzung von BI erfährt, basiert auf strukturierten Daten. Über definierte Berichte werden finanzielle und nicht finanzielle Steuerungskennzahlen analysiert. Die fest definierten und strukturierten Daten stammen in der Regel aus Enterprise-Resource-Planning-Systemen und Fachverfahren. In anderen Ressorts fällt die Anwendung von BI&Analytics deutlich ab. Das Potenzial der insgesamt verfügbaren Datenbasis wird bisher bei Weitem nicht ausgeschöpft. Wenig genutzte Datenquellen sind zum Beispiel das Internet of Things (IoT) oder infrastrukturelle Sensordaten. So nutzen lediglich 37 Prozent der Unternehmen im öffentlichen Sektor zumindest teilweise Sensordaten, beispielsweise für präventive Maßnahmen in der Instandhaltung von Infrastrukturen. Noch größer ist der Nachholbedarf bei der Nutzung unstrukturierter Informationen: Nur zwölf Prozent der Verwaltungen sind hier analytisch aktiv und werten zum Beispiel Social-Media-Daten aus. Ein denkbares Anwendungsbeispiel ist die bessere Vorbereitung von Sicherheitsvorkehrungen bei Veranstaltungen.

Viele Anwendungsmöglichkeiten

Öffentliche Verwaltungen verfügen somit über ein riesiges Potenzial, ihre Arbeit und ihre Leistungen durch eine umfangreichere Nutzung von Daten nachhaltig zu verbessern. Insbesondere bestehen Chancen der digitalen Vernetzung der einzelnen Verwaltungsebenen. Kommunal- und Landesverwaltungen stehen daher vor der gewaltigen Herausforderung, eine für vernetzte Technologien konzipierte Infrastruktur in einer Internet-of-Anything-Umgebung zu errichten. Zudem müssen die Verwaltungen ihre BI&Analytics-Infrastruktur zu einem offenen, analytischen Ökosystem umgestalten, auf das alle öffentlichen Stellen unter Beachtung der Datenschutzgesetze zugreifen können. Auf vernetzten Plattformen laufen Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammen, werden über flexible Datenintegrationsservices verknüpft und bilden die Grundlage für datengetriebene Entscheidungsprozesse.
Anwendungschancen gibt es zuhauf: Kommunen können beispielsweise Telematikdaten aus öffentlichen Fahrzeugflotten auswerten, deren Einsatz je nach Verschleiß besser planen und damit Betriebskosten senken. Polizeibehörden können Dienstpläne exakter steuern, indem sie Zeiterfassungsstatistiken analysieren und geovisuell darstellen. Das Polizeiaufgebot bei Großveranstaltungen lässt sich so länderübergreifend deutlich besser koordinieren. Ein weiterer Mehrwert der Vernetzung ist die 360-Grad-Sicht auf eine Person, ein Unternehmen oder ein Gerät. Bislang in Datensilos verstreute Informationen wären dann auf Knopfdruck verfügbar. Das liefert neue Ansätze für schnellere Auskünfte und einen aktiven statt reaktiven Bürgerservice – beispielsweise Hinweise vor Ablauf der Gültigkeit von Dokumenten.

Sinnvolle Einbindung in Organisation, Prozesse und Architektur

Die Grundlagen für die Umsetzung eines solchen analytischen Ökosystems werden bereits in der Strategie gelegt. Wesentliche Vo­raussetzung ist, die BI&Analytics-Strategie zu reformieren und die neuen technischen Möglichkeiten sinnvoll in Organisation, Prozesse und Architektur einzubetten. Organisatorisch ist es etwa wichtig, dass die fachliche und technische Kompetenz für eine nachhaltige Nutzung von BI&Analytics zueinanderfinden. So berichtet rund jeder zweite Teilnehmer der biMA-Studie aus dem öffentlichen Sektor von vielfältig verteilten Kompetenzen. Ein zentrales Organ in Form eines Business Intelligence Competence Center (BICC) ist die absolute Ausnahme und existiert in nur sieben Prozent der befragten Behörden. Abzuwarten bleibt, ob sich nicht analog eine 4.0-Variante einer integrierten Organisationseinheit als „BI & Analytics Full Service Provider & Innovation Lab“ entwickeln wird. Denn eine professionelle Einheit mit Data Scientists, die neue Technologien und agile Ansätze der Zusammenarbeit beherrschen, bietet nicht zu unterschätzende Mehrwerte. Fatal wäre allerdings, dieser zentralen BI&Analytics-Instanz die innovative Entwicklung von Anwendungsfällen komplett zu überlassen: Der notwendige strategische und organisatorische Umbruch sollte immer von den fachlichen Ressorts getrieben werden. Hier ist es aktuell laut der Studie besonders bedenklich, dass BI & Analytics-Lösungen häufig ohne fachliche Modellierung entwickelt werden. Im Ergebnis erhalten Behörden technische Anwendungen, ohne den fachlichen Nutzen erfasst und verstanden zu haben.

Qualität der Daten muss stimmen

Damit aus Daten Wissen entsteht, muss die Qualität der Daten stimmen. Speziell der verantwortungsvolle Umgang mit den Metadaten kommt noch zu kurz. Damit fehlen im Ergebnis Informationen, um Daten wiederzufinden. Behörden sollten zudem nicht jede Datenquelle blind anzapfen und die Sinnhaftigkeit hinsichtlich des Aufbaus neuer Strukturen und des dazugehörigen Wissens hinterfragen. Die Entwicklung fachlicher Anwendungsfälle (Use Cases) hilft, nicht nur die komplizierten Verwaltungsprozesse zu durchdringen, sondern auch die Investitionen zu rechtfertigen. Darüber hinaus gilt es, den Fachbereichen die komplexe BI&Analytics-Technologie handhabbar und zielgerecht bereitzustellen und einen systematischen Know-how-Transfer zu betreiben. Wenn der Umbau zu einer digitalen Verwaltung gelingen soll, braucht es also ein Umdenken in Richtung BI & Analytics 4.0. In diesem Zielbild können Verwaltungen mehr als nur Kosten aufschlüsseln. Sie nutzen dann das komplette Set an rechtlich und technisch verfügbaren Daten sowie die volle Bandbreite an Technologien wie künstliche Intelligenz und Sensorik, um Daten in verbesserte Leistung zu übersetzen.

Lars Schlömer ist Leiter der BI Community und Public Analytics bei Sopra Steria Consulting; Christoph Schulz-Sacharow ist dort verantwortlicher Architekt für BI & Analytics Solutions.

Weitere Informationen zur Studie (Deep Link)
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November 2018 von Kommune21 im Schwerpunkt Business Intelligence erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Finanzwesen, Sopra Steria Consulting, Business Intelligence

Bildquelle: tam/Fotolia.com

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