Schul-IT:
Föderale Befindlichkeiten


[29.6.2023] Bei der Digitalisierung der Schulen wiederholt sich, was seit vielen Jahren in der Verwaltung misslingt: Anstatt gemeinsam bei einer sicheren und soliden IT-Infrastruktur zu kooperieren, betreiben die Länder eine Vielzahl teurer Einzellösungen.

Cloud-Technologie sollte auch an Schulen Standard sein. Der Föderalismus, der auch das Bildungssystem prägt, erweist sich mitunter als Hemmschuh bei der Digitalisierung der Schulen. Effiziente Digitalisierung beruht auf technischen Standards, interoperablen Infrastrukturen und funktionalen Online-Anwendungen, die möglichst überall ähnlich zu bedienen sind. Erst dann können Skaleneffekte generiert, Wirtschaftlichkeit erzielt und gute Usability erreicht werden – und damit Akzeptanz. Doch wie bei der Verwaltungsdigitalisierung fällt es offenbar auch bei der Digitalisierung der Schulen schwer, sich auf gemeinsame Standards zu einigen und länder­übergreifend zu agieren.
Beim Blick auf den digitalen Status quo an Schulen erscheint das fragwürdig: Seit Mai 2019 stehen den Lehranstalten große finanzielle Mittel durch den DigitalPakt Schule zur Verfügung, insgesamt mehr als sechs Milliarden Euro. Einer Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beim Bundesbildungsministerium zufolge fließen die Mittel jedoch nach wie vor sehr langsam ab. Vor allem hakt es in den Bereichen IT-Administration, Verwaltung der Technik und technische Betreuung. Ein im Nachhinein eingerichteter Sonderfördertopf für IT-Adminis­tration wird nur wenig nachgefragt und entsprechende Anträge sehr langsam bewilligt.

Fehlende Expertise an Schulen

Das liegt nicht zuletzt an fehlender Expertise an den Schulen. Dort besteht das IT-Management oftmals immer noch aus einer dafür abbestellten Lehrkraft, die sich um die Schul-IT kümmert und im Gegenzug Freistunden erhält. Große Lehranstalten mit mehr als 1.000 Schülerinnen und Schülern können sich vielleicht professionellen externen Support leisten. Einen eigenen IT-Administrator anzustellen, lohnt sich aber allenfalls für Schulverwaltungen. Dass in deutschen Schulen überhaupt noch Server-Stationen im Keller stehen und von Systemadministratoren betreut werden, erscheint ohnehin antiquiert und entspricht nicht dem Stand der Technik. State of the Art ist die Cloud-Technologie. Schulen benötigen, um in die Cloud zu gehen, im Grunde nur noch eine schnelle Internet-Anbindung.
Ein Beispiel dafür ist die Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Instituts (HPI). 2016 als Open-Source-Projekt gestartet, nahmen bereits im Folgejahr 27 Pilotschulen an der Cloud-Infrastruktur teil. Ziel war es, eine sichere IT-Umgebung für Schulen zu entwickeln, die es Schülerinnen und Schülern, aber auch Lehrkräften erlaubt, mit unterschiedlichen Endgeräten wie Rechnern, Tablets und Smartphones flexibel darauf zugreifen und kollaborativ zusammenarbeiten zu können. Aufwendiges IT-Management entfällt, da alle Funktionen und Anwendungen einer Schul-Cloud per Webbrowser zugänglich sind, der ja auf allen Endgeräten vorhanden ist. Zusätzlicher Vorteil: Eine professionell betriebene Cloud-Infrastruktur ist deutlich sicherer als unregelmäßig gewartete Kellertechnik.

Teilnahme an HPI-Cloud

Zunächst nahmen Schulen aus dem nationalen Exzellenz-Schulnetzwerk MINT-EC an der HPI-Cloud teil, 2018 schloss Niedersachsen einen Ländervertrag ab, im Folgejahr gingen Brandenburg und Thüringen jeweils länderspezifische Kooperationen mit dem HPI ein. 2020 schloss sich auch das Zentralamt für Auslandsschulwesen an. Als im selben Jahr die Corona-Pandemie losbrach und die desolate digitale Situation an vielen Schulen offenkundig wurde, konnten binnen eines halben Jahres bundesweit 3.500 Schulen in die Schul-Cloud des HPI eingebunden werden. 2021 ging sie an den öffentlichen IT-Dienstleister Dataport über. Momentan sind 4.100 Schulen registriert, und von den 2,1 Millionen Nutzerinnen und Nutzern sind 1,9 Millionen Schüler.
Die Funktionalitäten der Schul-Cloud umfassen Anwendungen für Kommunikation und Kollaboration, das heißt, Schülerinnen und Schüler können auf der Plattform untereinander und mit den Lehrkräften kommunizieren oder auch Videokonferenzen abhalten. Ein Lern-Store stellt Bildungsmedien zur Verfügung, es gibt einen News-Bereich, eine Aufgabenverwaltung, Stundenplan und Kalender, eine Dateienablage sowie einen eigenen Messenger-Dienst. „Technisch wird die Schul-Cloud von Grund auf neu entwickelt“, berichtet Matthias Luderich, Abteilungsleiter Lösungen Bildungswesen bei Dataport, „wobei auch neue Funktionen entstehen wie die Integration von Nextcloud als Datei-Sharing und ein neues Management von Identitäten mittels Keycloak.“ Luderich hebt auch die strengen Anforderungen an Datenschutz, IT-Sicherheit und Barrierefreiheit hervor.

Förderung durch das BMBF

Von Anfang an wurde die Schul-Cloud des HPI vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als Pilotprojekt gefördert. Zunächst flossen sieben Millionen Euro für die technische Entwicklung und Umsetzung. 2020 stellte das BMBF nochmals zwölf Millionen Euro zur schnellen Unterstützung der Schulen in der Corona­krise zur Verfügung. Hierüber regte sich viel Unmut. Kommerzielle Anbieter ärgerten sich über eine Wettbewerbsverzerrung, politische Parteien wie Grüne und Liberale monierten die Vergabepraxis. Und als aus dem Pilotprojekt schließlich ein Marktteilnehmer wurde, wandten sich sieben Privatanbieter per Brief an das BMBF und beklagten eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips. Die Anbieter waren an Schul-IT-Systemen in anderen Bundesländern beteiligt, und aus diesen kam das altbekannte Argument, der Bund möge sich nicht in die Bildungspolitik der Länder einmischen.
Dort werden ganz unterschiedliche Bildungsplattformen betrieben: von Moodle, SESAM, DiLer und ella@bw in Baden-Württemberg über learn:line, Edmond, Biparcours und Logineo in Nordrhein-Westfalen bis hin zu Schulbox RLP, MNS+, moodle@rlp, Emogea, Etherpad und Schulcampus.RLP in Rheinland-Pfalz. Nur Berlin, Bayern und Thüringen begnügen sich mit einer einheitlichen landesweiten Lösung. Von einem völligen Wildwuchs von Systemen zu sprechen, erscheint angesichts der vom jeweiligen Kultusministerium genehmigten Vielfalt an technischen Systemen – insgesamt 46 bundesweit – nicht übertrieben. Das ist vielleicht aus didaktischer Perspektive nicht zu beanstanden, solange der digitale Unterricht funktioniert und die Bildungsziele erreicht werden, aber doch zumindest volkswirtschaftlich wenig effizient.

Dezentral ist nicht besser

Der ehemalige HPI-Chef Christoph Meinel zeigte sich unzufrieden mit dem gegenwärtigen Kurs in der Schulpolitik. In einem Gespräch mit dem Berliner Tagesspiegel sagte er: „Es ist ein grundsätzliches Missverständnis, dass es besser ist, wenn in Deutschland alles dezentral organisiert ist.“ Eine digitale Infrastruktur könne nur im großen Maßstab effizient und sicher betrieben werden, und nur der Bund könne Skaleneffekte generieren, weil er die notwendigen Ressourcen habe. Vonseiten Dataport heißt es: „Wir sehen im Bereich der Schul-IT einen Bedarf für eine verstärkte föderale Zusammenarbeit. Beispiele wie der IT-Planungsrat und die FITKO, aber auch govdigital zeigen, dass dies im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung sehr hilfreich ist. Für die Schul-IT gibt es hier noch Entwicklungsmöglichkeiten.“

Helmut Merschmann

https://dbildungscloud.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juni 2023 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Schul-IT, Föderalismus, Schuldigitalisierung, HPI-Cloud

Bildquelle: sibstock/stock.adobe.com

Druckversion    PDF     Link mailen


 Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Schul-IT
Saarland: Note Eins für Netzanbindung der Schulen
[10.9.2024] 98 Prozent aller saarländischen Schulen können jetzt auf Gigabitbandbreiten zugreifen. Damit nimmt das Land beim Gigabit-Internet an Schulen die Spitzenposition unter allen Bundesländern ein. Der Ausbau wurde nicht von einzelnen Kommunen, sondern zentral koordiniert. mehr...
Die Anbindung von Schulen an das Gigabitnetz ist eine wichtige Voraussetzung für digitales Lernen. Das Saarland ging diese Aufgabe zentralisiert an – mit Erfolg.
Potsdam: Schuldigitalisierung kommt voran
[6.9.2024] In Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam wurden seit dem Jahr 2020 46 Schulen in öffentlicher Trägerschaft mit Breitbandanbindungen und digitaler Technik wie Smartboards und Beamern ausgestattet. Finanziert wurde dies aus Eigenmitteln der Stadt sowie aus Mitteln des Digitalpakts Schule. mehr...
Potsdam hat inzwischen 46 Schulen mit Breitbandanbindungen und digitaler Technik ausgestattet. Finanziert wurde dies aus Eigenmitteln sowie aus Mitteln des DigitalPakts.
Digitalgestützte Bildung: Gesamtpaket für neues Lernen Interview
[5.9.2024] Samsung will den digitalen Entwicklungsprozess der Schulen mit ganzheitlichen Konzepten begleiten. Dazu gehören nicht nur innovative und dennoch nutzerfreundliche Produkte, sondern auch Hilfestellungen rund um die Handhabung, wie Steven Pollok, Director Display Division bei Samsung Electronics, erklärt. mehr...
Steven Pollok, Director Display Division bei Samsung Electronics
Nordrhein-Westfalen: Virtual Reality im Klassenzimmer
[3.9.2024] Das Schulministerium in Nordrhein-Westfalen stellt rund 3.000 VR-Brillen zur Erprobung neuer innovativer Technologien im Unterricht bereit. Das Pilotprojekt nimmt gezielt auch die Lehrkräfteausbildung in den Blick. mehr...
An nordrhein-westfälischen Schulen soll der Einsatz von VR-Technologie im Unterricht erprobt werden.
Braunschweig: DigitalPakt-Mittel ausgeschöpft
[23.8.2024] Der DigitalPakt Schule erlaubte der Stadt Braunschweig Fortschritte bei der Ausstattung ihrer Schulen. Nahezu alle Schulen verfügen inzwischen über einen Glasfaseranschluss, viele ebenfalls über digitale Präsentationsflächen. Für die Betreuung und Instandhaltung fordert die Stadt weitere Mittel von Bund und Land. mehr...
Klassenräume mit digitalen Präsentationsflächen auszustatten gehört zum Digitalisierungskonzept für Schulen in Braunschweig.
Weitere FirmennewsAnzeige

SAP S/4HANA: Klare Sicht im Rechnungswesen
[10.9.2024] Die Bremer Stadtreinigung AöR arbeitet seit Anfang 2022 auf einem SAP S/4HANA-System und realisierte im Anschluss an dieses Migrations- projekt den Umstieg auf die elektronische Rechnungseingangsverarbeitung mit der xSuite. mehr...

SCCON vernetzt Politik, Verwaltung und Digitalwirtschaft: Drei Tage Fokus auf die Digitalisierung des öffentlichen Sektors auf der Smart Country Convention Berlin
[1.9.2024] Bürokratiebändiger, Digitalisierungsfans und Smart City Enthusiasten – sie alle kommen vom 15. – 17. Oktober 2024 auf der Smart Country Convention in Berlin zusammen. Ob Leitlinien für den Einsatz von KI in der Verwaltung, digitaler Zwilling in der Smart City oder personalisierte Verwaltung auf dem Smartphone – es gibt bereits heute zahlreiche innovative Lösungen für die Digitalisierung von Städten, Gemeinden und Behören. Spitzenvertreterinnen und -vertreter aus Verwaltung, Politik und Wissenschaft, Pioniere der Digitalwirtschaft, Hidden Champions und lokale Branchenköpfe zeigen auf der Smart Country Convention 2024, wie wir die Herausforderungen der Digitalisierung gemeinsam bewältigen können. mehr...

Dokumentenmanagement: Zukunftsweisende Rechnungsbearbeitung mit SAP
[21.8.2024] Rechnungen treffen in Unternehmen in allen Formaten und auf unterschiedlichen Wegen ein: im Papierformat, per E-Mail als PDF oder bereits als E-Rechnung im XML-Format. Letzteres Format ist im Public Sector schon gesetzt, im B2B wird es nun zum 1.1.2025 verpflichtend. Für die Rechnungsverarbeitung in SAP gibt es bereits erprobte Lösungen am Markt. Wichtig ist, dass diese auch mit der neuen Produktgeneration S/4HANA in ihren verschiedenen Ausprägungen funktionieren. mehr...
Suchen...

 Anzeige

Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
Ausgewählte Anbieter aus dem Bereich Schul-IT:
co.Tec GmbH
83026 Rosenheim
co.Tec GmbH
regio iT GmbH
52070 Aachen
regio iT GmbH
KRAFT Network-Engineering GmbH
45478 Mülheim-Ruhr
KRAFT Network-Engineering GmbH
ekom21 – KGRZ Hessen
35398 Gießen
ekom21 – KGRZ Hessen
Aktuelle Meldungen