[30.7.2015] Damit Kommunen nicht auf Kosten kommender Generationen haushalten, haben erste Städte und Gemeinden Nachhaltigkeitssatzungen erlassen. Sie verlangen einen Aufschlag auf den Hebesatz der Grundsteuer, um den Haushalt auszugleichen.
Ein wesentliches Ziel der Einführung der kommunalen Doppik ist die Sicherung der intergenerativen Gerechtigkeit bei der Haushaltspolitik. Allerdings ist die Doppik selbst nicht in der Lage, einen generationengerechten Haushalt zu erzwingen. Vielmehr macht sie nur transparent, ob auf Kosten künftiger Generationen gelebt wird oder nicht. Die nötigen Konsolidierungsentscheidungen müssen weiterhin die Gemeinderäte treffen.
Per Definition ist ein Haushalt immer dann generationengerecht, wenn Ergebnishaushalt und -rechnung dauerhaft in ordentlichen Erträgen und Aufwendungen ausgeglichen sind. Die Erträge spiegeln das Ressourcenaufkommen und die Aufwendungen den Ressourcenverbrauch wider. Genau das ist allerdings nicht immer der Fall. Zahlreiche Kommunen erwirtschaften – teils seit Jahren – Defizite und vernichten Eigenkapital. Damit wird überdeutlich, dass in diesen Gebietskörperschaften nachfolgende Generationen in Zukunft bezahlen müssen, was sich heutige Generationen großzügig genehmigen. Fakt ist, dass die Lasten für nachrückende Generationen durch kommunale Defizitwirtschaft erhöht werden. Für die Bürger wird das dadurch erschwert, dass sich die Belastungen demografisch bedingt auf immer weniger Köpfe verteilen.
Neue Werte schaffen
Eine zentrale Problematik der Kommunaldefizite sind die aus der Verschuldung resultierenden Folgen. Teilweise müssen zur Bedienung der Zinsen neue Schulden aufgenommen werden. Die Verschuldung ernährt sich insofern aus sich selbst heraus. Bedrückend ist vor allem, dass damit die Handlungsmöglichkeiten nachfolgender Entscheidungsträger beschnitten werden. Über Zinsen kann in der Vertretungskörperschaft nicht abgestimmt werden, sie sind als externe, vom Kapitalmarkt vorgegebene Größe sowohl von der Politik als auch von der Verwaltung zu akzeptieren. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Verschuldung und ungeachtet der derzeitigen Niedrigzinsphase der Grad an Abhängigkeit vom Kapitalmarkt zwangsläufig steigt. Im Kern sollten vor dem Hintergrund der Generationengerechtigkeit bei sinkenden Bevölkerungszahlen die Kommunen nicht von der eigenen Substanz leben, sondern im Gegenteil neue Werte schaffen. Das doppische Kommunalhaushaltsrecht aller Flächenländer kennt auch entsprechende Regelungen zum Ergebnisausgleich. Ein Blick in die Haushaltssatzungen zahlreicher Kommunen verrät allerdings, dass diese Vorschriften nicht immer die beabsichtigte Wirkung entfalten. Einige Kommunen sind daher dazu übergegangen, sich selbst in Form von Nachhaltigkeitssatzungen strengere Regeln aufzuerlegen. Am doppischen Haushaltsausgleich ausgerichtete Nachhaltigkeitssatzungen haben bisher die Städte Freudenberg und Overath in Nordrhein-Westfalen, die Ortsgemeinde Stadtkyll in Rheinland-Pfalz sowie die Städte Taunusstein und Seligenstadt in Hessen verabschiedet.
Ausgleich und Sanktionen
Die im Ortsrecht verankerten neuen Regelungen sehen jeweils vor, dass der Ausgleich von Erträgen und Aufwendungen notfalls automatisch durch einen Generationenbeitrag sichergestellt wird. Dieser ist ein Aufschlag auf den Hebesatz der Grundsteuer B, der in jedem Jahr genau die Höhe annimmt, die zum Haushaltsausgleich erforderlich ist. Der Generationenbeitrag wird hierbei jedoch nur fällig, wenn die anderen Konsolidierungsmaßnahmen nicht für den Ergebnisausgleich genügen. Erträge und Aufwendungen sind damit stets ausgeglichen – unabhängig vom Konsolidierungswillen der Räte. Ein Leben auf Kosten künftiger Generationen ist bei strenger Anwendung unmöglich. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass vier der fünf Kommunen Ausnahmeregelungen im Falle extremer Haushaltslagen in die Satzung aufgenommen haben. Nur die Ortsgemeinde Stadtkyll hat auf derartige Ausnahmen verzichtet. Der Generationenbeitrag fungiert in den Nachhaltigkeitssatzungen zugleich als Drohkulisse und automatischer Sanktionsmechanismus. Hieraus resultiert ein Anreiz für politische Mandatsträger, den Haushaltsausgleich über Aufwandssenkungen und Ertragssteigerungen in anderen Bereichen zu realisieren. Der Hebesatz der Grundsteuer wird zum Spiegelbild der Nachhaltigkeit: Die Höhe des zum Haushaltsausgleich nötigen Hebesatzes zeigt auf, wie solide mit den Steuergeldern umgegangen wird. Über die Koppelung des Grundsteuer-Hebesatzes an den Haushaltsausgleich werden Defizite greifbarer: Bürger und Unternehmen spüren über den Generationenbeitrag, die Höhe des auszugleichenden Haushaltsdefizits. Dies macht es auch für die Lokalpresse einfacher, die finanziellen Auswirkungen haushaltspolitischer Entscheidungen für die Bürger verständlich zu machen. So reduziert etwa jede Aufwandssenkung tendenziell den Generationenbeitrag, während jede Aufwandssteigerung ihn erhöht.
Bürger profitieren
Im Ergebnis kommt es zu einer Umkehr der Argumentationskette in den Stadt- und Gemeinderäten. Ertragsverzichte und Aufwandspositionen werden häufiger auf ihre Notwendigkeit hin überprüft. Haushaltskonsolidierung wird politisch attraktiver, Klientelpolitik unattraktiver. Sind die Konsolidierungsmaßnahmen höher als sie zum exakten Ergebnisausgleich nötig wären, kann der Hebesatz gesenkt werden. Die Bürger profitieren damit über niedrigere Hebesätze unmittelbar von einer sparsamen Haushaltspolitik. Ein positiver Nebeneffekt des Konzepts der doppischen Nachhaltigkeitssatzung ist seine schuldenbremsende Wirkung: So werden auch Zinsaufwendungen, Rückstellungsaufwendungen und Aufwendungen für das Schulden-Management erfasst. Da diese Aufwendungen regelmäßig durch Erträge zu decken sind, können nur in dem Maße Schulden aufgenommen werden, wie sie den Ergebnisausgleich nicht gefährden. Die genannten fünf Städte sind heute noch Vorreiter bei der Etablierung institutionalisierter Regeln zum dauerhaften Erhalt der finanziellen Leistungsfähigkeit. In einigen weiteren Kommunen wird die Einführung gegenwärtig diskutiert.
Andreas Burth und Dr. Marc Gnädinger sind Referenten bei der Überörtlichen Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof, Dr. Ulrich Keilmann ist dort Abteilungsleiter.
http://www.rechnungshof-hessen.deDieser Beitrag ist in der Juli-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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