Digitaler Zwilling:
Bayern plant mit TwinBy


[8.5.2023] Mit dem Projekt TwinBy unterstützt das bayerische Digitalministerium Kommunen im Freistaat beim Aufbau digitaler Zwillinge. Dabei sollen die Gemeinden auch ermächtigt werden, ihr Planungsmodell selbstständig zu erweitern und neue Anwendungsfälle zu integrieren.

Optimierte Stadtplanung mit digitalen Zwillingen. Was haben Singapur, Rotterdam und nun auch der bayerische Markt Isen gemeinsam? Sie alle setzen auf digitale Zwillinge in ihrer Stadt oder Region, um unter anderem Planungen zu optimieren, Entscheidungen schneller zu treffen und Geld zu sparen. Digitale Zwillinge sind datenbasierte, virtuelle Modelle von realen Objekten und Prozessen. Mit ihnen können Analysen, Visualisierungen oder Simulationen unterschiedlicher Szenarien durchgeführt werden, ohne am realen Objekt einzugreifen. Digitale Zwillinge helfen so ganz konkret bei Planungs- und Entscheidungsprozessen. Das spart Zeit und Geld, weil beispielsweise ungeeignete Lösungsoptionen auf der Grundlage des digitalen Modells frühzeitig ausscheiden.
Bereits seit vielen Jahren werden digitale Zwillinge vor allem im Kontext der Industrie 4.0 eingesetzt, etwa im Maschinenbau oder der Luft- und Raumfahrt. Die digitalen Planungsmodelle sind aber mittlerweile branchenübergreifend etabliert. Und mit dem wachsenden Bestand an Geodaten sind sie auch für Kommunen eine vielsprechende Möglichkeit, denn sie helfen dabei, datenbasierte Antworten auf komplexe Fragen zu finden.

Transparenz und Akzeptanz

Plant eine Kommune etwa, ein neues Schulzentrum zu bauen, steht die Stadtverwaltung vor vielen Fragestellungen: Wie fügt sich das geplante neue Gebäude in die Umgebung ein? Welche Auswirkungen auf den örtlichen Straßenverkehr sind zu erwarten und wie kann ein anwohnerfreundliches Verkehrskonzept aussehen? In einem virtuellen Stadt- oder Bezirksmodell kann dazu ein digitales Abbild des Neubaus erstellt werden. Mit einer 3D-Visualisierung des Schulgebäudes und der Umgebung, zum Beispiel in einer webbasierten Anwendung, lassen sich Bürgerinnen und Bürger aktiv und niederschwellig informieren und einbeziehen. Das schafft Transparenz und Akzeptanz. Durch die Einbindung verschiedener Datenquellen – etwa Ampelschaltungsdaten oder Verkehrszählschleifen – kann der digitale Zwilling darüber hinaus simulieren, welche Auswirkungen der Schulbau auf den örtlichen Straßenverkehr hat. So kann die Kommune noch vor dem ersten Spatenstich eine optimale Verkehrsführung planen.
Die Anwendungsbereiche von digitalen Zwillingen sind so vielseitig wie die Aufgaben und Herausforderungen der Kommunen – von der Stadtplanung über die Energiewende, die Anpassung an den Klimawandel bis hin zur Mobilität. Digitale Zwillinge bieten als Werkzeug also vielfältige Chancen für Kommunen. Die Entwicklung und Implementierung eines digitalen Zwillings benötigen jedoch auch finanzielle wie personelle Ressourcen und erfordern technische Kompetenzen und Know-how im Daten-Management. Um Daten aus verschiedenen Quellen zusammenzustellen, braucht es eine abteilungs- oder sogar behördenübergreifende Zusammenarbeit. Entscheiderinnen und Entscheider müssen überzeugt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgenommen und qualifiziert werden. So ist auch ein umfassender Projekt- und Change­management-Prozess gefragt.

Digitale Zwillinge für Bayern

Um die bayerischen Kommunen beim Aufbau digitaler Zwillinge zu unterstützen, hat das Staatsministerium für Digitales das Projekt „TwinBy – Digitale Zwillinge für Bayern“ gestartet (wir berichteten). Mit einem konkreten Anwendungsfall konnten sich Kommunen in einem von vier Fördertöpfen bewerben: Energie und Umwelt, Mobilität und Gesundheit, domänenübergreifende und andere Themenbereiche, kleine Kommunen mit bis zu 10.000 Einwohnern.
Die teilnehmenden Kommunen arbeiten nun bis April 2024 an ihren digitalen Zwillingen. Das Besondere dabei: Das bayerische Digitalministerium hat einen Dienstleister vorab damit beauftragt, die Kommunen in vier klar definierten Projektphasen zu unterstützen. Auch die zu erreichenden Meilensteine sind definiert. Die Kommunen müssen also selbst keine Leistungen ausschreiben, sondern können mit ihren Fördermitteln einfach die Unterstützungsleistungen abrufen, die sie jeweils benötigen. Insgesamt stellt das Digitalministerium des Freistaats für die Förderung von 18 Projekten bis zu eine Million Euro bereit. Darüber hinaus werden die Beschäftigten der Verwaltung durch ein spezielles Qualifizierungsprogramm im Blended-Learning-Format befähigt, einen eigenen digitalen Zwilling aufzubauen, zu betreiben und weiterzuentwickeln.
Für Planung, Einführung und Betrieb der digitalen Zwillinge wird als einheitlicher Rahmen die Smart District Data Infrastructure (SDDI) der Technischen Universität München eingesetzt. Mit diesem technischen und organisatorischen Rahmenwerk können Daten aus unterschiedlichen Quellen dezentral eingebunden und in virtuelle Distriktmodelle integriert werden. Durch die SDDI wird eine offene und standardisierte Dateninfrastruktur aufgebaut, welche die Zusammenarbeit in einer Kommune, aber auch zwischen den Kommunen künftig erleichtert. Damit alle Kommunen voneinander bestmöglich lernen können, werden die TwinBy-Projekte zudem als Open Source bereitgestellt. Alle Anwendungsfälle werden im Katalogdienst der Smart District Data Infrastructure erfasst. Die Ergebnisse des TwinBy-Projekts stehen damit künftig allen bayerischen Kommunen zur Verfügung.

Mehrwerte auch für kleinere Kommunen

Die von den Kommunen eingebrachten Anwendungsfälle sind vielseitig und betreffen neben den Schwerpunkten Energie und Verkehr auch Stadtentwicklungsprojekte, Kulturvorhaben und Projekte aus dem Gesundheitswesen. Gerade viele kleine Kommunen gehen mit TwinBy den Schritt zum eigenen digitalen Zwilling – und deren Anwendungsfälle zeigen, dass digitale Zwillinge auch für sie konkrete Mehrwerte bieten. Im oberbayerischen Markt Isen ist beispielsweise geplant, für kommunal genutzte Gebäude ein zentral verwaltetes, digitales Energie-Management aufzubauen. Die Daten über den energetischen Verbrauch aus diesen Gebäuden sollen in einem digitalen Zwilling zusammengeführt und auf Gebäude- und Raumebene dargestellt werden. So sollen der Energieverbrauch optimiert und Erkenntnisse über mögliche künftige Einsparpotenziale gewonnen werden.
Die Kommunen haben mit dem Ende des Projekts nach zwölf Monaten nicht nur einen ersten Anwendungsfall in einem digitalen Zwilling umgesetzt, sondern sind durch das erworbene Know-how in der Lage, ihren digitalen Zwilling selbstständig zu erweitern und neue Anwendungsfälle zu inte­grieren.
Ein weiterer Schwerpunkt von TwinBy liegt auf der Vernetzung der gesamten bayerischen Community für digitale Zwillinge. Das begann bereits im Rahmen der öffentlichen Auftaktveranstaltung mit über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Mit seinen verschiedenen Programmkomponenten und der Einbindung der SDDI ist TwinBy ein Sprungbrett für ein smarteres und vernetzteres Bayern, von dem alle profitieren.

Judith Gerlach ist Bayerns Staatsministerin für Digitales.

https://twinby.bayern/de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2023 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Geodaten-Management, Digitaler Zwilling, TwinBy, Bayern

Bildquelle: Jackie Niam/stock.adobe.com

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