Digitalisierung:
Engpässe langfristig lösen


[29.8.2023] Durch die Wohngeldreform ist das Arbeitsaufkommen in den zuständigen Ämtern enorm gestiegen. Burkhardt Vitt, Business Manager Public Digital & Customer Solutions bei Wolters Kluwer Deutschland, erklärt, wie Digitalisierung für Entlastung sorgen kann.

Burkhardt Vitt Herr Vitt, durch die Wohngeldreform und das im Januar dieses Jahres in Kraft getretene Wohngeld Plus haben jetzt dreimal so viele Haushalte Anspruch auf die staatliche Förderung. Das führt aktuell zu einem enormen Anstieg an Anträgen und damit zu einer teils massiven zusätzlichen Belastung der Ämter, die vielerorts ohnehin bereits unter Personalmangel leiden. Wo sehen Sie derzeit die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt der öffentlichen Verwaltung?

Das größte Thema ist die Verfügbarkeit von qualifiziertem Fachpersonal. Stellen werden zwar beantragt und im Bedarfsplan entsprechend ausgeschrieben, jedoch ist das Fachpersonal schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Zudem trifft der demografische Wandel die öffentliche Verwaltung in voller Härte. Das Wohngeld Plus lässt daher viele Behörden endgültig an ihre Grenzen stoßen. In früheren Jahren agierten Verwaltungen oft so: Für ein temporäres Problem wurden Mitarbeitende aus anderen Abteilungen zur Verfügung gestellt, Engpässe wurden auf diese Weise kurzfristig gelöst. Dieses Modell ist nicht mehr existent. Die einzige Chance, der Lage Herr zu werden, besteht darin, Arbeitsabläufe zu optimieren, was sich vor allem durch Digitalisierung erreichen lässt. Die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle steigt unaufhörlich, ihre Komplexität nimmt zu, gleichzeitig steigt der Zeitdruck, und qualifiziertes Fachpersonal fehlt. Diese Herausforderungen lassen sich meiner Meinung nach ohne Digitalisierung gar nicht mehr bewältigen.

Kommunale Arbeitgeber haben nicht nur mit fehlendem Fachpersonal zu kämpfen, sondern sehen sich in den kommenden Jahren auch mit einem massiven Verlust von Fachkräften konfrontiert. Wie lässt sich vorhandenes Wissen bewahren, strukturieren und weitergeben, damit es der Verwaltung weiterhin zur Verfügung steht?

Ich persönlich glaube an die Renaissance des Begriffs Wissensmanagement. Dieser hat in den vergangenen Jahren eher ein Schattendasein geführt, und viele konnten sich darunter wahrscheinlich nicht so viel vorstellen. Wissensmanagement ist in erster Linie die Gesamtheit aller Aktivitäten, um möglichst gut dafür zu sorgen, dass bestehendes Wissen innerhalb einer Organisation weitergegeben und damit weiter von ihr genutzt werden kann. Es geht darum, den Mitarbeitenden relevante Informationen in einem standardisierten Prozess jederzeit und passend zum jeweiligen Arbeitsschritt zur Verfügung stellen zu können. Dabei empfiehlt es sich, keine Insellösungen zu schaffen, sondern am besten gleich eine Software-Lösung aufzusetzen, die nicht nur die behördeneigenen Informationen beinhaltet, sondern diese auch sinnvoll mit den für die Arbeit relevanten allgemeinen Rechtsinformationen in Beziehung setzt. Das wäre für mich eine neue Form von Wissensmanagement, die dabei hilft, bereits vorhandenes Wissen zu entwickeln, zu strukturieren, zu transferieren und schließlich abzuspeichern und punktgenau verfügbar zu machen – auch hier spielt demnach die Digitalisierung eine tragende Rolle.

Welche Voraussetzungen muss eine Verwaltung erfüllen, um die Digitalisierung zum Erfolg zu führen?

Wenn ich mir die Digitalisierung als Gesamtprojekt für die Verwaltung anschaue, ist es das Wichtigste, dass die Mitarbeitenden abgeholt und mitgenommen werden. Verwaltungen müssen sicherstellen, dass Digitalisierung eine Arbeitserleichterung und Konzen­tration aufs Wesentliche ermöglicht und damit das Nutzenversprechen einlöst. Wenn Mitarbeitende den Effekt einer Digitalisierungsmaßnahme sofort erkennen können, werden sie sehr viel schneller zu Fürsprechern und klammern sich nicht an althergebrachte Arbeitsweisen. Damit geht einher, dass alle Anwendungen auch nutzerfreundlich sein müssen. Es hilft nicht, wenn die Anträge digital eingehen und die Mitarbeitenden diese zweimal am Tag zwei Stockwerke tiefer ausdrucken müssen, um sie dann der Kollegin oder dem Kollegen auf den Tisch zu legen.

„Die Herausforderungen lassen sich ohne Digitalisierung gar nicht bewältigen.“

Gibt es weitere Aspekte zu beachten?

Ein weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist das Schnittstellen-Management. Sachbearbeitende sind immer in einer bestehenden Landschaft tätig: Sie arbeiten mit Fachverfahren, mit Dokumenten-Management-Systemen oder mit Office-Produkten, und möglicherweise kommen auch Anträge in Papierform herein. Die relevanten Fragen lauten also: Wer braucht zu welcher Zeit welche Information, und wo geht sie aus welchem System und über welchen Kanal hin?

Die Arbeitsbelastung führt in den Ämtern zu Verzögerungen in der Sachbearbeitung. Wie kann die Verwaltung konkret in ihrer Arbeit unterstützt werden?

Grundsätzlich sind Verwaltungen unterschiedlich aufgebaut. Sie haben sehr differenzierte Anforderungen und gewachsene Strukturen. Das können – und sollten – Verwaltungen nicht von einem Tag auf den anderen ändern. Digitale Lösungen, die Verwaltungen sofort unterstützen, greifen idealerweise bestehende Strukturen auf. Für die Fallbearbeitung sind sie zudem auf zahlreiche Informationsquellen angewiesen. Insbesondere das Sammeln, Bereitstellen und Pflegen lokal geltender Vorschriften ist sonst mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Darüber hinaus sollte die Lösung die Inhalte mit relevanten Rechtsinformationen verknüpfen und sicherstellen, dass diese immer aktuell und gepflegt sind. Das ermöglicht es auch neuen Mitarbeitenden, schnell zu relevanten und rechtssicheren Informationen und damit zum Bearbeiten ihrer Aufgaben zu kommen. Neue Kolleginnen und Kollegen einzuarbeiten, ist wichtig, aber aufwendig. Mit zentral bereitgestellten, gesicherten, vollständigen, gut strukturierten und leicht verständlich aufbereiteten Inhalten ist hingegen in weiten Teilen eine selbstständige Einarbeitung möglich, und erfahrene Mitarbeitende gewinnen Zeit für ihre Kernaufgaben.

Welche Anforderungen sollten Verwaltungen an eine Software stellen?

Im besten Fall handelt es sich bei einer Software um eine Plug-and-play-Lösung, die Anwendung des Tools ist also ohne großen Projekt- und Implementierungsaufwand möglich. Das kann heißen, dass eine Software-as-a-Service(SaaS)-Applikation genutzt wird, bei der die IT-Hürden so gering wie möglich gehalten werden. Außerdem sollte es auch immer ein wenig Spaß machen, mit der Anwendung zu arbeiten. Eine weitere wichtige Anforderung ist aus meiner Sicht, ein möglichst offenes System zu nutzen, um die Kommunikation mit anderen Anwendungen zu ermöglichen. Deshalb sollten Verwaltungen bereits bei der Auswahl darüber nachdenken, mit welchen anderen Ämtern, Institutionen, aber auch Software-Programmen und Fachverfahren das System zusammenarbeiten muss. Für Mitarbeitende in der Verwaltung ist zudem von enormer Wichtigkeit, dass sie Verwaltungshandeln rechtssicher umsetzen. Das setzt voraus, dass sie auf Basis aktueller rechtlicher Grundlagen arbeiten. Deswegen müssen die genutzten Informationssysteme genau dieses Versprechen einlösen. Im Falle neuer Regelungen – wie beispielsweise alle relevanten Neuerungen zum Jahreswechsel oder die umfangreichen Änderungen beim Bürgergeld – haben die Anwender unserer Lösung eGovPraxis zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit sowohl Zugriff auf die neuen Rechtsnormen als auch auf leicht verständliche, praxisorientierte Informationen.

Interview: Bettina Weidemann

https://www.wolterskluwer.com/de-de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe August 2023 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: IT-Infrastruktur, Wolters Kluwer, Personalwesen, Wissensmanagement

Bildquelle: Wolters Kluwer

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