Kreis Friesland:
LiquidFeedback im Test


[8.10.2012] Ein neues Instrument der Öffentlichkeitsbeteiligung erprobt der Kreis Friesland. Mit dem Einsatz der Software LiquidFeedback soll die Politik um ein breites Meinungsspektrum und neue Bürgerinitiativen bereichert werden.

Landrat Ambrosy: Jeder kann so viel beisteuern, wie er möchte. Der Landkreis Friesland wird als bundesweit erste Kommune die Open Source Software LiquidFeedback für eine umfassende und konstruktive Online-Bürgerbeteiligung einsetzen. Dafür hat der Kreisausschuss im Mai einstimmig grünes Licht gegeben. „Das war ein starkes Signal für Transparenz und Bürgerbeteiligung“, erklärte Landrat Sven Ambrosy. Im Juli hat sich dann der Kreistag einstimmig für die Einführung der Lösung ausgesprochen. „Für diese breite Unterstützung unserer Kreistagsabgeordneten bin ich sehr dankbar“, sagte Ambrosy nach der Abstimmung.

Letzte Vorbereitungen

Im November soll die Plattform unter dem Namen LiquidFriesland allen Bürgern des Kreises zugänglich sein. Bis dahin sind noch ergänzende Programmierarbeiten zu leisten. So muss gewährleistet werden, dass nur Friesländer Bürger über Friesländer Themen abstimmen können und sich Abstimmungen nicht manipulieren lassen. Essenziell für den erfolgreichen Betrieb ist zudem, dass die Regeln des Systems allgemein verständlich erklärt werden. Hier sind ebenfalls auf den Kreis Friesland zugeschnittene Lösungen zu erarbeiten. Darüber hinaus wird die Kreisverwaltung den Einsatz der Software mit den entsprechenden Beteiligungsparagraphen im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz verknüpfen.
LiquidFeedback ist nach Ansicht der Kreisverwaltung das am weitesten entwickelte Programm für die Online-Bürgerbeteiligung und zugleich dasjenige, das den Bürgern die meisten Möglichkeiten bietet. Kern des Systems ist ein Prozess, in dem (konkurrierende) Anträge zunächst durch öffentliche Diskussion verbessert und dann abgestimmt werden. „Wir wollen nicht das zigste vollgeschriebene Forum, wir wollen ein Abstimm-Instrument, das die Kreispolitik um ein breites Meinungsspektrum und neue Initiativen unserer Bürger bereichert“, erläutert Landrat Sven Ambrosy. In dem Portal sollen Bürger sowohl über eigene Initiativen als auch über Vorlagen der Kreisverwaltung abstimmen können. Ergebnisse und Anregungen aus LiquidFriesland sollen nach klar definierten Regeln in die verbindlichen Entscheidungen der ehrenamtlichen Politik einfließen. Um die Nutzer mit dem neuen Angebot vertraut zu machen, sind Anleitungen online wie offline vorgesehen. Ambrosy: „Schon immer haben sich unsere Bürger an Politik beteiligt, sie schreiben uns, sie nehmen an Sitzungen teil, sie rufen uns an. LiquidFriesland wird ein weiterer Kanal für diese Beteiligung, der durch seine Transparenz hoffentlich zusätzliche Beteiligung anzieht. Vom einfachen einmaligen Klick bis hin zu eigenen Anträgen kann jeder so viel beisteuern, wie er möchte.“

Konstruktiver Dialog

Die Software ist moderationsfrei und fördert durch ihre Abstimmungsregeln den konstruktiven Dialog. Störungen durch einseitig empfundene Moderation auf der einen oder nicht konstruktive Beiträge auf der anderen Seite, wie sie in vielen anderen Online-Beteiligungsverfahren zu finden sind, werden minimiert. Außerdem stellt der Kreis eine echte Verbindung zu den politischen Gremien her und vermeidet somit den größten Stolperstein von Online-Beteiligungsverfahren: die mangelnde oder gar nicht vorhandene Auswirkung von Ergebnissen auf den politischen Prozess.
Für wichtige Themen in eigener Zuständigkeit der Kommune, die Belange der örtlichen Gemeinschaft betreffen, schlägt die Kreisverwaltung vor, die Vorlagen für die Gremien parallel in LiquidFriesland für kreisangehörige Bürger zur Diskussion und Abstimmung zu stellen und so ein Meinungsbild – gegebenenfalls auch über Alternativvorschläge – zu erzeugen. Dieses soll dann der Vorlage entsprechend §35 NkomVG für das letztlich entscheidende Gremium hinzugefügt und Initiativen aus dem Nutzerkreis (ausschließlich Bürger aus Friesland), die im Internet die erforderlichen Quoren gewonnen haben, als Anregung nach §34 NKomVG und §8 Abs. 4 der Hauptsatzung des Landkreises Friesland behandelt werden.

Empfehlungen für E-Partizipationsprojekte

Eine vom Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) und dem Unternehmen Zebralog für das Bundesinnenministerium erstellte Studie aus dem Jahr 2008 gibt nach Auswertung zahlreicher nationaler und internationaler E-Partizipationsprojekte drei Kernempfehlungen für künftige Vorhaben. Geraten wird zum einen zu Transparenz durch Veröffentlichung aller Beiträge, wo immer möglich. Dieser Empfehlung wird durch die Moderationsfreiheit von LiquidFriesland nachgekommen. Die Kreisverwaltung behält sich lediglich vor, bei strafrechtlich relevanten Inhalten einzugreifen und bei Nichtzuständigkeit oder bei durch vorangegangene Beschlüsse bereits erledigten Themen einen entsprechenden Hinweis zu geben. Auch die zweite Empfehlung, die Förderung der Responsivität durch eine klare Darstellung, wie das Beteiligungsprojekt in den politischen Prozess eingebunden ist, wird im Kreis Friesland durch die Verknüpfung von Online-Beteiligung und politischem Prozess umgesetzt. Die dritte Forderung erfüllt die Software LiquidFeedback ebenfalls, indem weitere Nutzer durch verkürzte Beteiligungsformen einbezogen werden. Gemeint ist, dass nicht zwingend eigene Texte verfasst werden müssen, sondern man seine Zustimmung oder Ablehnung auch per Mausklick kundtun kann.
Der Einsatz der Software LiquidFeedback kann, verzahnt mit dem realen politischen Prozess, eine innovative Lösung für die Online-Bürgerbeteiligung darstellen. Der Landkreis Friesland will diese Chance nutzen und die Plattform ein Jahr lang testweise betreiben.

Sönke Klug ist Pressesprecher des Kreises Friesland.

Der Beitrag ist in der Oktober-Ausgabe von Kommune21 im Titelthema E-Partizipation erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: E-Partizipation, Kreis Friesland, Bürgerbeteiligung, LiquidFriesland, LiquidFeedback

Bildquelle: Kreis Friesland

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