Hamminkeln:
Fiber to the Landlords


[23.1.2014] In Hamminkeln haben Unternehmen und städtische Wirtschaftsförderung den Ausbau mit Glasfaserkabeln vorangetrieben. Zudem halfen die Bürger beim Breitband-Ausbau tatkräftig mit. So konnten auch Außenbereiche mit schnellem Internet versorgt werden.

Hamminkeln: Die Bürger legten beim Breitband-Ausbau selbst Hand an. Wer auf dem Land eine schnelle Datenleitung haben will, muss zunächst einmal viel Geduld aufbringen. Das zeigt das Beispiel der nordrhein-westfälischen Stadt Hamminkeln, eine großflächige, ländlich geprägte Kommune mit sieben Ortsteilen und sechs Gewerbegebieten. Die Breitband-Versorgung in den Ortsteilen Hamminkeln und Dingden betrug maximal 3 Mbit/s, in den Außenbereichen erheblich weniger. Im Ortsteil Loikum waren höchs­tens 756 Kbit/s zu bekommen. In Hamminkeln, Ringenberg und Dingden ist in Teilbereichen aber per TV-Kabel eine Download-Geschwindigkeit von bis zu 150 Mbit/s möglich. Funklösungen bringen keine signifikanten Verbesserungen.
2006 erhielt die Wirtschaftsförderung der Stadt Hamminkeln den Anruf eines Gewerbetreibenden, der sich als erster in einer Erweiterungsfläche im Gewerbegebiet Dingden-Nord niedergelassen hatte. Allerdings sah sich die Deutsche Telekom außerstande, in dem Gebiet einen DSL-Anschluss zur Verfügung zu stellen. Die verfügbare Bandbreite lag bei maximal 768 Kbit/s. In der da­rauffolgenden Zeit bot ein regional tätiges Systemhaus an, eine Lösung für die Gewerbegebiete der Stadt Hamminkeln zu schaffen. Das Vorhaben scheiterte jedoch am fehlenden Problembewusstsein der ansässigen Betriebe, die zu dieser Zeit mehrheitlich noch keinen Mangel an Bandbreite sahen.

FTTH-Lösung fand den meisten Anklang

Im Jahr 2008 führten Bürgermeister Holger Schlierf und der Bereich Wirtschaftsförderung der Stadt Hamminkeln schließlich ein Gespräch mit der Deutschen Telekom. Der Telekommunikationskonzern wollte berechnen lassen, wie teuer der Ausbau einer Glasfaserverbindung vom Hauptverteiler in Ringenberg bis in das 3,5 Kilometer entfernte Dingden sein würde und wie hoch dabei die Deckungslücke für die Telekom ausfiele. Zahlen dazu liegen der Stadt trotz vielfacher Nachfrage bis heute nicht vor.
Nachdem die mangelnde Breitband-Anbindung neue Unternehmen jedoch von der Ansiedlung im Gewerbegebiet Dingden abhielt, musste eine Lösung gefunden werden. Zudem klagten seit dem Jahr 2009 auch die bereits ansässigen Betriebe zunehmend über fehlende Bandbreite. Die örtliche Mittelstandsvereinigung der CDU (MIT) nahm sich der Sache nun ebenfalls an und es wurde Kontakt zu den Firmen CosmoTel IT und BORnet hergestellt. Die MIT lud Ende 2010 beide Anbieter ein, ihre Technik vor den Firmen des Gewerbegebiets zu präsentieren. Die Richtfunklösung von Anbieter CosmoTel IT versprach zwar eine rasche und kostengünstige Lösung, doch die FTTH-Lösung (Fibre to the Home) von BORnet fand unter den Gewerbetreibenden den größeren Anklang, weil sie die größere Zukunftssicherheit versprach.
Um das Gewerbegebiet Dingden-Nord zu erschließen, war eine etwa 4,5 Kilometer lange Leitung vom Bocholter Glasfasernetz nach Dingden nötig. Den Ausbau der Leitung, der im Mai 2011 begonnen und im September desselben Jahres fertiggestellt wurde, übernahm die Bocholter Glasfaser GmbH. Die Monate bis zum Baubeginn waren ausgefüllt mit Recherchen zu Fördermöglichkeiten. Letztlich wurde auf Fördermittel aber gänzlich verzichtet, weil sich die Gewerbetreibenden für die technisch ultimative und nicht die billigste Lösung entschieden hatten. Die Glasfaserleitung wurde somit ausschließlich über die Anschlussverträge der Betriebe finanziert. Die monatlichen Kosten für die Datenleitungen sind vergleichbar mit den vorherigen Kosten bei Verträgen mit der Deutschen Telekom, bieten aber deutlich mehr Leistung und sind synchron im Down- und Upload.

Auch die Bevölkerung wurde überzeugt

Bereits als der Bau der Leitung in das Gewerbegebiet beschlossen wurde, wurde vonseiten der Wirtschaftsförderung angeregt, auch die Ortslage von Dingden mit einem Glasfasernetz auszustatten. Sowohl die MIT wie auch die Dingdener Interessen- und Werbegemeinschaft (DIWG) unterstützten das Anliegen. Als die Deutsche Glasfaser GmbH Ende 2011 ihre Bereitschaft signalisierte, den Ausbau vorzunehmen, falls mindestens 40 Prozent aller Haushalte im Ausbaugebiet einen Glasfaseranschluss ordern, galt es, die Bevölkerung von den Vorteilen zu überzeugen. Bis zum Stichtag entschieden sich 54 Prozent aller Haushalte im Ausbaugebiet für einen Glasfaseranschluss. Im Sommer 2012 begann der Ausbau des Netzes. Heute sind alle Kunden auf der schnellen Datenautobahn unterwegs.
Noch schlechter als in Dingden sah die Telekommunikationsanbindung zu der Zeit im kleinen Ortsteil Loikum aus. Die Datentransferraten erreichten dort im Schnitt gerade einmal 384 Kbit/s. Mobilfunklösungen boten keine Abhilfe, Satellitenlösungen waren nicht gewünscht. Schon zu Beginn der Ausbauplanungen für Dingden fand sich das Unternehmen Deutsche Glasfaser bereit, auch den Ortsteil Loikum auszubauen, wenn das Projekt in Dingden ein Erfolg würde. Auch in Loikum wurden 40 Prozent der Haushalte im festgelegten Ausbaugebiet als Voraussetzung definiert. Innerhalb von 14 Tagen hatten sich 89 Prozent der Loikumer im Ortskern von dem Angebot überzeugen lassen. Die Bewohner der Außenbereiche Loikums, die „Landlords“, wie Herman van Voorst von der Deutschen Glasfaser GmbH sie nannte, wollten jedoch ebenfalls auf der Überholspur surfen und dabei den Bewohnern der Ortslage nicht nachstehen.

Bürger bauten mit am Netz

Vergleichswerte für Ausbaukosten lagen im Außenbereich nicht vor. Fest stand aber, dass der Ausbau dort nicht zum gleichen Preis wie im Ortskern möglich war. In der günstigsten Variante der Deutschen Glasfaser GmbH standen immer noch rund 3.000 Euro pro Anschluss im Raum „Das muss billiger gehen“, war die Devise der Landlords. „Was, wenn wir selbst Hand anlegen und unser landwirtschaftliches Gerät nutzen?“ Neue Kalkulationen ergaben Kosten von 1.700 Euro pro Anschluss, sofern sich alle solidarisch erklären und zur Mitarbeit verpflichten. Darin enthalten sind Anschlusskosten, Gebühren für Geräte, die beim Tiefbau-Unternehmen ausgeliehen werden müssen und erforderliche Versicherungen, die bei solch einem Projekt tunlichst abgeschlossen werden sollten.
Die Landlords gründeten eine Teilnehmergemeinschaft, deren unermüdliches Organisatoren-Team die Vertragsverhandlungen führte und die Koordinierung der Arbeitsschritte vornahm. Ein findiger Landwirt konstruierte einen Pflug zu einem lenkbaren Kabelpflug um. Mithilfe dieses und anderer landwirtschaftlicher Geräte, dem Einsatz schwerer Traktoren sowie jeder Menge freiwilliger Arbeitsstunden wurde innerhalb eines halben Jahres der komplette Außenbereich von Loikum mit Glasfaser ausgestattet.
Längst haben sich auch 69 Prozent der Bewohner im Ortskern des Nachbardorfes Wertherbruch für den Ausbau mit Glasfaserkabel entschieden. Der Ausbaubeginn steht unmittelbar bevor. Für den Außenbereich Wertherbruchs wird eine Versorgung per WLAN angestrebt. Da das Unternehmen Deutsche Glasfaser ein Open-Access-Netz anbietet, sind die ausgebauten Ortsteile für die Zukunft bestens gerüstet. Nebenbei bedeutet eine gute Breitband-Anbindung eine Wertsteigerung der Immobilien von bis zu fünf Prozent.

Martin Hapke ist bei der Stadt Hamminkeln im Bereich Wirtschaftsförderung tätig.

http://www.hamminkeln.de
Dieser Beitrag ist in derJanuar-Ausgabe von Kommune21 im Schwerpunkt Breitband erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Breitband, Hamminkeln, BORnet

Bildquelle: Hubert Tenbusch

Druckversion    PDF     Link mailen


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Breitband
Friedrichshafen: Weiße Flecken sind Vergangenheit
[12.7.2024]  
In Friedrichshafen erhalten mit dem offiziellen Abschluss des Breitbandförderprojekts „Weisse Flecken“ nun auch bislang unterversorgte Adressen Zugang zum Glasfasernetz. Das Ausbauprojekt haben Stadt, Stadtwerk am See und Netzbetreiber TeleData innerhalb eines straffen Zeitplans realisiert. mehr...
Friedrichshafen: Symbolische Inbetriebnahme des neuen Glasfasernetzes.
Bad Köstritz: Gute Planung beim Glasfaserausbau Bericht
[11.7.2024] Bis zu 1.300 Adressen will die Thüringer Netkom in der Stadt Bad Köstritz mit Glasfaserinternet versorgen. Ein solch komplexes und umfangreiches Projekt zu planen und erfolgreich umzusetzen, erfordert ein hohes Maß an Kommunikation und Abstimmung zwischen den verschiedenen Beteiligten. mehr...
Glasfaserausbau: Axians setzte beim Projekt in Bad Köstritz auf moderne und nachhaltige Verlegemethoden.
Landkreis Fulda: Pragmatismus beim Glasfaserausbau
[1.7.2024] Um das Ziel einer Glasfaserversorgung auch in ländlichen Randlagen schnell zu erreichen, wird in Hessen die oberirdische Verlegung von Glasfaserkabeln erprobt – an Holzmasten, die dereinst für Kupferleitungen errichtet wurden. Das Land will Kommunen bei der oberirdischen Verlegung künftig unterstützen. mehr...
Im Landkreis Fulda werden Glasfaserkabel oberirdisch verlegt – an Holzmasten, die dereinst für Kupferleitungen errichtet wurden.
Nordrhein-Westfalen: Ein Jahr Task Force Mobilfunk
[28.6.2024] Seit einem Jahr agieren die Landesregierung, kommunale Spitzenverbände, Mobilfunknetzbetreiber und Funkturmgesellschaften in der Task Force Mobilfunk NRW. Gemeinsam konnten wichtige Fortschritte hin zu einer flächendeckenden Versorgung mit 4G und 5G erreicht werden. mehr...
Ein Jahr nach ihrem Start zieht die Task Force Mobilfunk NRW eine erste positive Bilanz der Zusammenarbeit.
Landkreis Börde: 7.000 Kilometer Glasfaserkabel verlegt
[24.6.2024] Eines der größten Glasfaserbreitbandnetze in Sachsen-Anhalt entsteht im Landkreis Börde. Nun ist das Vorhaben nach Angaben der ARGE-Breitband annähernd vollständig umgesetzt. Technischer Partner bei dem Projekt war der Netzbetreiber DNS:NET. mehr...
Gigabitgeschwindigkeiten sind im Landkreis Börde nun Standard, zahlreiche Haushalte, Unternehmen, Krankenhäuser und Schulen durch DNS:NET versorgt.
Weitere FirmennewsAnzeige

E-Rechnung: Für den Ansturm rüsten
[31.5.2024] Die E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich kommt. Kommunen sollten jetzt ihre IT darauf ausrichten. Ein Sechs-Stufen-Plan, der als roter Faden Wege und technologische Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, kann dabei helfen. mehr...
Suchen...

 Anzeige

Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
Ausgewählte Anbieter aus dem Bereich Breitband:
Aktuelle Meldungen