Interview:
E-Akte muss Gesamtlösung sein


[11.9.2014] Laut dem E-Government-Gesetz (EGovG) müssen Bundesbehörden ab dem 1. Januar 2020 ihre Akten elektronisch führen. Über die Auswirkungen für Kommunen spricht Laurenz Stecking, Geschäftsführer der codia Software GmbH.

Laurenz Stecking Herr Stecking, die Stichtage zur Einführung der E-Akte sind für Bund und Länder unterschiedlich geregelt – warum?

Das E-Government-Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes sowie für die der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit sie Bundesrecht ausführen. Ursprüngliche Intention war es, die elektronische Kommunikation auf Ebene der Bundesbehörden zu erleichtern. Gleichwohl werden die Regelungen auch auf kommunale Ebene heruntergebrochen werden. Allerdings ist der Zeitplan unklar.

Gibt das Gesetz eine eindeutige Definition zur E-Akte?

Prinzipiell werden in einer elektronischen Akte sachlich zusammengehörige oder verfahrensgleiche Vorgänge zusammengefasst. Sie enthält demnach alle notwendigen Unterlagen, um vollständig über einen Sachverhalt zu informieren. In den Kommunalverwaltungen finden wir aber unterschiedliche Definitionen der E-Akte. Sie reichen von einer File-Ablage bis zur elektronischen Aktenführung mit Postkorb- und Workflow-Funktionen auf Basis eines Dokumenten-Management-Systems. Näheres zur E-Akte ist dem Organisationskonzept „Elektronische Verwaltungsarbeit Baustein E-Akte“ des Bundesinnenministeriums zu entnehmen. Hier fällt allerdings auf, dass lediglich die so genannten Sachakten behandelt werden. In den Kommunalverwaltungen finden wir jedoch vorwiegend Fallakten.

Was ist der Unterschied zwischen Fall- und Sachakten?

Fallakten sind an ein Fachverfahren angebunden. Sie haben je nach Verfahren individuelle Metainformationen: Steuernummer, Name, Aktenzeichen und so weiter. Es handelt sich in der Regel um große Mengen gleichartiger Akten, die ihre Aktenzeichen und Metainformationen aus einem führenden Fachverfahren erhalten. In diesen werden häufig viele Dokumente erstellt, die dann möglichst einfach in den Fallakten abgelegt werden können. Das führt dazu, dass die Regelungen des Organisationskonzepts zur Aktenbildung und zu Aktenzeichen bei den Fallakten im Allgemeinen keine Anwendung finden. Sachakten hingegen sind mit einheitlichen Metainformationen über die gesamte Verwaltung ausgestattet: Es gibt ein Akten- und ein Vorgangszeichen, ein Erstellungsdatum, eine Aufbewahrungsfrist, eine federführende Organisationseinheit und dergleichen. Diese Informationen werden typischerweise über einen Akten- oder einen Produktplan verwaltet.

„Die kommunale E-Akte stellt eine Gesamtlösung zur Verwaltung und Archivierung von Sach- und Fallakten dar.“


Welche Vorzüge bieten elektronische Akten den Verwaltungen?

Viele Fachverfahrenshersteller bieten Kommunen eine elektronische Akte als Zusatzmodul zum Fachverfahren an. Vorteil dieser Lösungen ist die tiefe Integration in das jeweilige Fachverfahren. Aus den Fachverfahren heraus findet eine Ablage der im Verfahren erzeugten Dokumente sowie solcher Schriftstücke statt, die mittels Scannen oder per E-Mail eintreffen. Optimal geregelt sind die Zugriffsberechtigungen, denn sie orientieren sich an denen des Fachverfahrens. Exemplarisch kann man hier die E-Akte der Firma HSH als Zusatzmodul für die Fachverfahren MESO, GESO und AUSO oder auch das Mediencenter von PROSOZ Herten als Modul für das Fachverfahren ProBAUG benennen.

Woran mangelt es den bestehenden Aktenlösungen?

Nachteilig ist, dass eine Vielzahl verschiedener elektronischer Akten in der Verwaltung entsteht. Die Lösungen basieren auf unterschiedlichen technologischen Ansätzen. In einem Fall handelt es sich um eine File-Ablage, in einem anderen um die Ablage in einer Datenbank. Das führt zu einem enormen Aufwand bei der Administration. Eine Verbindung zwischen den verschiedenen E-Akten existiert nicht. So werden auch in der elektronischen Welt Akten doppelt geführt. Diese Probleme lassen sich vermeiden, wenn die Lösungen der Fachverfahrenshersteller dazu genutzt werden, die Dokumente und Metainformationen automatisiert in die E-Akte zu übernehmen. Optimal ist es, wenn die Fallakten in der E-Akte automatisch angelegt und die Dokumente automatisch in die Akten gelegt werden. Mithilfe einer Office- und E-Mail-Integration lassen sich auch die außerhalb des Fachverfahrens erstellten Dokumente direkt in der E-Akte ablegen. Häufig kann die E-Akte direkt aus dem Fachverfahren heraus aufgerufen werden. Die E-Akte für Kommunen muss in der Summe die Anforderungen des EGovG beim Verwalten der Sach­akten erfüllen, die in den Kommunen vorhandenen Fallakten verwalten können und außerdem in die Fachverfahren integrierbar sein.

Im Endeffekt sollte eine kommunale E-Akte also sowohl fall- wie sachbezogene Dokumente enthalten?

Genau. Wenn im Einwohner­meldewesen ein Rundschreiben vom Innenministerium oder eine Nachricht des IT-Zulieferers eintrifft, sind das allgemeine Dokumente, die nach ganz anderen Kriterien abzulegen sind als fachbezogene. Für solche Querschnittsinformationen bietet eine Fallakte in der Regel keinen Raum. Sie werden deshalb im Papierordner für allgemeine Informationen abgelegt – und schon ist der zentrale Zugriff verloren. Eine auf einem Dokumenten-Management-System (DMS) basierende kommunale E-Akte hingegen fasst alle sachlich zusammenhängenden Vorgänge in einer einheitlichen Systematik zusammen und bietet eine Plattform für das Verwalten der Fallakten. Nach meinem Verständnis stellt die kommunale E-Akte eine Gesamtlösung zur Verwaltung und Archivierung von Sach- und Fallakten dar.

Dokumenten-Management-System gleich E-Akte – gilt diese Gleichung?

Nein, ein Dokumenten-Management-System ist Grundlage einer E-Akte. Es muss die Akte als eigenständiges Objekt kennen. In der Papierwelt kann ein Ordner angelegt werden, ohne dass ein einziges Dokument enthalten ist. Das muss auch elektronisch funktionieren. Das Aktenobjekt selbst kann Aktenzeichen und weitere Metainformationen erhalten und besitzt somit einen elektronischen Aktendeckel. Es kann auch ohne Dokumente existieren. Die Akte kann nach dem Prinzip Akte – Vorgang – Dokument strukturiert sein. Es gibt viele DMS am Markt, die als Objektart nur Dokumente kennen. Der Nutzer erhält bei seiner Suche eine Trefferliste. Eine derartige Akte verfügt weder über Aktenzeichen noch über Berechtigungen, Aufbewahrungsfristen oder Aussonderungsregeln. Der Aktenbegriff für die kommunale E-Akte geht meiner Ansicht nach darüber hinaus. Durch die DMS-Brille betrachtet müssen beim Anlegen einer elektronischen Akte automatisch Aufbewahrungsfristen sowie die Regeln für die Aussonderung der Akten nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist hinterlegt sein. Wichtig sind ferner Berechtigungskonzepte für die Akten und die darin abgelegten Dokumente. Beim Anlegen einer neuen Akte werden Fristen und Berechtigungen vom System automatisch gesetzt. In einem echten DMS- und Archivsystem werden die Dokumente aber rechts- und revisionssicher auf Speichermedien wie NetApp oder SilentCube archiviert. Eine solche Infrastrukturplattform haben vereinzelte Facharchive nicht im Hintergrund.

Interview: Frank Zscheile, freier Journalist in München.

http://www.codia.de

Stichwörter: Dokumenten-Management, codia, E-Akte, Laurenz Stecking

Bildquelle: codia

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