[4.5.2016] In Ostdeutschland wechseln auffällig viele Kommunen von der Finanz-Software CIP-KD auf ein Konkurrenzprodukt. Unterlegene Wettbewerber erheben Vorwürfe: Die Vergabeverfahren würden nicht rechtmäßig durchgeführt.
Die Software CIP-KD ist vor allem im Osten Deutschlands ein weit verbreitetes Finanzverfahren. Nach Angaben des Anbieters CIP Gesellschaft für Kommunale EDV-Lösungen arbeiten damit rund 1.200 Städte, Gemeinden und Landkreise. Derzeit ist jedoch eine Migrationswelle zu beobachten und schon etwa 40 Kommunen haben sich in den vergangenen zwei Jahren für ein Konkurrenzprodukt entschieden, die Finanz-Software proDoppik des Unternehmens H&H Datenverarbeitungs- und Beratungsgesellschaft.
Wettbewerber im Markt für kommunale Finanz-Software meinen zu wissen, warum. Denn mit der Erstellung der Ausschreibung für das neue Verfahren beauftragten die Kommunen in vielen Fällen das Beratungshaus KSL – Kommunalservice aus Chemnitz. Die Firma wurde erst 2014 gegründet – dem Jahr, in dem CIP von der Koblenzer Gotthardt Gruppe übernommen wurde. KSL beschäftigt zum Großteil ehemalige CIP-Mitarbeiter. „Perfide“ werde die Angelegenheit, so heißt es in Branchenkreisen, weil H&H inzwischen Mehrheitsgesellschafter des Beratungsunternehmens KSL sei. Der Vorwurf der Wettbewerber: Die Ausschreibungen würden so angelegt, dass am Ende nur die H&H-Software gewinnen könne. Damit läge ein klarer Verstoß gegen die VOL und das Wettbewerbsrecht vor.
Die Methodik der Ausschreibungen ziele darauf ab, bereits über einen vorgelagerten Teilnahmewettbewerb mit weitgehend diskriminierenden Kriterien den gesamten Wettbewerb auszuschließen. „Bei der eigentlichen Angebotsabgabe bleibt nur noch H&H übrig – und kann dann beliebige Preise verlangen, von denen auch noch etwas als Provision für KSL übrig bleibt“, so die Ansicht eines verärgerten Wettbewerbers. „Die Herangehensweise am Markt ist nicht sehr befriedigend. Man muss sich fragen, ob es korrekt ist, was die Kommunen jetzt tun“, ergänzt ein weiterer Wettbewerber, der ebenfalls namentlich nicht genannt werden möchte.
Indizien für Scheinvergabeverfahren
In der Branche glaubt man, auf der Basis vorliegender Unterlagen ausreichend Indizien gefunden zu haben, die auf beschränkte Ausschreibungen und damit Scheinvergabeverfahren hindeuten. Besonders auffällig sei, dass auf übliche Pflichtenhefte mit Beschreibung der Ausgangssituation, der Gründe für bestimmte Präferenzen oder einer funktionalen Leistungsbeschreibung ganz verzichtet werde. Auch werde eine Client/Server-Lösung verbindlich vorgeschrieben, obwohl die ausschreibende Kommune mit der ausgelaufenen Client/Server-Lösung von CIP die Endlichkeit der Technologie bereits am eigenen Leib erfahren habe. Nahezu unmöglich für andere Wettbewerber, den Auftrag zu erhalten, mache es schließlich die Tatsache, dass Anbietern lediglich zwei Wochen Zeit für eine komplette unterjährige – und kostenfreie – Migration eingeräumt werde. Das sei technisch kaum machbar ohne entsprechendes technisches Vorab-Wissen über die bestehende Installation. Konfrontiert mit diesen Vorwürfen, war die Beratungsfirma KSL trotz mehrfacher Anfragen der Fachzeitschrift Kommune21 nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Klagen will keiner
Für die Software-Hersteller ist die Lage verzwickt: Kontrollgremien wie das Rechnungsprüfungsamt oder die Aufsichtsbehörden des Landkreises einzuschalten oder gar eine Klage anzustrengen, soweit möchte man dann doch nicht gehen. Der Markt ist sensibel und Kommunen dürften sich künftig kaum für einen Lieferanten entscheiden, der auch schon mal mit rechtlichen Schritten droht.
Fest steht, dass Verwaltungen unterhalb der 100.000-Euro-Schwelle bei ausreichender Begründung durchaus auf eine europaweite Ausschreibung nach den Regeln des Government Procurement Agreement (GPA) verzichten können – die in der Praxis stets mit viel Aufwand und hohen Kosten verbunden ist. Unter welchen Bedingungen unterhalb der Schwellenwerte eine beschränkte Ausschreibung möglich ist, regeln detailliert die §§ 3 der VOB/A und VOL/A. Ob sich die Beteiligten im vorliegenden Fall auf diese Ausnahmen – nur ein beschränkter Kreis von Unternehmen kann die Leistung in geeigneter Weise ausführen, es herrscht Dringlichkeit – berufen können, ist hier die entscheidende Frage. So wurde etwa die Client/Server-Technik von CIP bereits abgekündigt, was CIP-Anwender zu einer raschen Migration veranlassen mag.
Im Markt ist man dennoch überzeugt, dass sich Kommunen, die sich auf diese Vergabepraxis einlassen, schlimmstenfalls schadenersatzpflichtig machen, weil sie gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstoßen. Die Folge: Das Auswahlverfahren wird angreifbar, weil es angefochten und ausgesetzt werden kann und das bezuschlagte Unternehmen die Leistung nicht erbringen darf, solange die Rechtslage nicht geklärt ist. Und letztlich: Sollte der Tatbestand von Scheinvergaben wirklich vorliegen, brächte sich eine Verwaltung dadurch auch um die Möglichkeit, die wirklich am besten zu den eigenen Anforderungen passende Finanz-Software auszuwählen.
Frank Zscheile ist freier Mitarbeiter der Fachzeitschrift Kommune21.
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