Gesamtabschluss:
Komplexität unterschätzt


[9.7.2018] Zahlreichen Kommunen mangelt es noch an den organisatorischen und personellen Voraussetzungen zur Aufstellung des Gesamtabschlusses. Auch fehlt vielerorts das Verständnis dafür, wie dieser für die Steuerung des Konzerns Kommune genutzt werden kann.

Den kommunalen Gesamtabschluss aufzustellen ist eine sehr aufwendige Aufgabe. In Bundesländern, in denen das kommunale Haushalts- und Rechnungswesen auf Grundlage der Doppik eingesetzt wird, sind die Kommunen verpflichtet, die Jahresabschlüsse der Kernverwaltung und der verselbstständigten Aufgabenträger zu einem Gesamtabschluss zu konsolidieren. Dadurch soll die wirtschaftliche Lage einer Kommune zusammenfassend dargestellt und in ihrer Gesamtheit betrachtungsfähig gemacht werden. Verwaltungsführung und kommunale Vertretung legen so Rechenschaft darüber ab, wie sie mit dem kommunalen Vermögen im abgelaufenen Haushaltsjahr umgegangen sind. Diese Rechenschaftspflicht wird immer wichtiger, da in größeren Kommunen mit zunehmender Tendenz ein erheblicher Teil der kommunalen Aufgaben außerhalb der Kernverwaltung wahrgenommen wird und der Einzelabschluss an Aussagekraft verliert. Daneben kann der Gesamtabschluss indirekt Informationen für die Steuerung des kommunalen Konzerns liefern.

Fristen können nicht eingehalten werden

Die Aufstellung des Gesamtabschlusses ist insgesamt sehr aufwendig. In vielen Kommunen konnten und können die vorgegebenen Fristen zur Aufstellung nicht eingehalten werden. Als Beispiel soll der Stand der Umsetzung in Niedersachsen angeführt werden. Der erste Gesamtabschluss soll hier mit Stichtag 31.12.2012 aufgestellt werden. Von den 54 Landkreisen, kreisfreien und großen selbstständigen Städten haben bislang 24 Gesamtabschlüsse erstellt. Für das Jahr 2016 liegt aktuell ein Gesamtabschluss vor und für das Jahr 2015 insgesamt sechs Gesamtabschlüsse. Allerdings ist dies im Rahmen der Reform des Haushalts- und Rechnungswesens kein spezifisches Problem der Gesamtrechnungslegung. Bereits bei der Aufstellung der ersten Eröffnungsbilanz und des Jahresabschlusses gab es teilweise erhebliche zeitliche Verzögerungen. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die Reform des Haushalts- und Rechnungswesens allgemein und die Aufstellung des Gesamtabschlusses im Besonderen nur durch Schaffung der erforderlichen organisatorischen und personellen Voraussetzungen in den Kommunen fristgerecht umgesetzt werden kann. Umfang und Komplexität der Aufgaben wurden erheblich unterschätzt.

Internes Know-how aufbauen

Für die Gesamtrechnungslegung ist neben vertieften Kenntnissen in der Erstellung eines kommunalen Einzelabschlusses auch profundes Wissen der Konzernrechnungslegung und der Bilanzierungsregelungen des Handelsgesetzbuchs (HGB) erforderlich. Viele Kommunen sind immer noch nicht bereit, die erforderlichen personellen Kapazitäten einzusetzen. Die Nutzung externen Expertenwissens ist sinnvoll, um den Einstieg in die Gesamtrechnungslegung zu erleichtern. Es sollte parallel aber immer der Aufbau des erforderlichen Know-hows bei den Mitarbeitern erfolgen. Erfolgsfaktoren für eine schnellere und reibungslosere Aufstellung des Gesamtabschlusses sind die frühzeitige Einbindung der Beteiligungen und eine angemessene Software-Unterstützung. Für die Aufstellung des Gesamtabschlusses ist die Mitarbeit der zu konsolidierenden Aufgabenträger zum Beispiel bei der Saldenabstimmung und der Übermittlung von Meldedaten unabdingbar. Im Rahmen der Technikunterstützung wird regelmäßig zu entscheiden sein, ob eine standardisierte Konsolidierungssoftware oder eine auf Excel basierende Lösung eingesetzt werden soll. Bereits bei einem kleineren Beteiligungsportfolio scheint langfristig eine Standard-Software wesentlich effizienter zu sein.
Ein weiterer Grund für die verzögerte Umsetzung der Gesamtrechnungslegung: In Verwaltungsführung und Kommunalpolitik fehlt oftmals das Verständnis für deren Notwendigkeit. Dort, wo Gesamtabschlüsse existieren, finden die darin enthaltenen Informationen in der politischen Diskussion kaum Beachtung. Bezeichnend ist das Beispiel einer Gemeinde, in der die Opposition den Bürgermeister wegen des fehlenden Gesamtabschlusses solange kritisierte, bis der erste Abschluss aufgestellt war. Anschließend verschwand das Interesse daran gänzlich. Ähnliches lässt sich beim Thema Jahresabschluss sowie der Steuerung mit Zielen und Kennzahlen beobachten. Ob das Interesse der Kommunalpolitik an einer ergebnisorientierten Steuerung und den Abschlüssen größer wird, wenn im Laufe der nächsten Jahre mehr Kompetenzen und Erfahrungen im Umgang mit den Instrumenten aufgebaut sein werden, ist zumindest zu bezweifeln.

Handlungsbedarf für Kommunen, Gesetzgeber und Wissenschaft

Was könnte also getan werden, damit der Gesamtabschluss in der kommunalen Praxis stärker wahrgenommen wird und die mit seiner Aufstellung verfolgten Ziele erfüllt werden? Handlungsbedarfe lassen sich für die Kommunen, den Gesetzgeber sowie die Wissenschaft ableiten. Die Verwaltungsführung sollte organisatorisch und personell die regelmäßige, fristgerechte Aufstellung des Gesamtabschlusses sicherstellen und mehr Aufmerksamkeit auf die durch den Gesamtabschluss zur Verfügung gestellten Informationen lenken. Den Gesetz- und Verordnungsgebern ist zu empfehlen, den aktuellen Umsetzungsstand zu evaluieren und die kommunale Gesamtrechnungslegung bedarfsmäßig weiterzuentwickeln. Die wirtschaftliche Lage des kommunalen Konzerns, abgebildet durch den Gesamtabschluss, müsste bei der Prüfung der dauernden Leistungsfähigkeit einer Kommune einen wesentlich größeren Einfluss haben. Des Weiteren wäre zu untersuchen, ob zusätzliche Vereinfachungsmöglichkeiten bei der Aufstellung des Gesamtabschlusses zweckmäßig sein können. Dies kann einerseits bedeuten, dass insbesondere kleinere Kommunen, die nur wenige Ausgliederungen besitzen, von der Aufstellung befreit, oder dass bei Aufstellungspflicht Konsolidierungsschritte vereinfacht werden. Zu analysieren wäre, ob sich die grundsätzliche Anlehnung an die Konsolidierungsmethoden des HGB bewährt hat.
Darüber hinaus besteht erheblicher Bedarf an Forschung im Hinblick auf den Stand der Umsetzung und der Weiterentwicklung des Haushalts- und Rechnungswesens. Gegenwärtig scheint die Diskussion um die Einführung Europäischer Rechnungslegungsstandards (EPSAS) die Gesetz- und Verordnungsgeber sowie die Wissenschaft davon abzuhalten, sich stärker mit diesen Themen zu befassen. Dabei wären die gewonnenen Erkenntnisse für die Einführung von EPSAS von nicht unerheblicher Bedeutung. Denn auch diese werden die verpflichtende Aufstellung eines Konzernabschlusses vorsehen.

Dr. Andreas Lasar ist Professor für öffentliche Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Osnabrück.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli 2018 von Kommune21 in einem Schwerpunkt zum kommunalen Gesamtabschluss erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Finanzwesen, Gesamtabschluss

Bildquelle: fotofabrika – Fotolia.com

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