Finanzwesen:
Vermögen neu bewertet


[1.3.2012] Im Rahmen der Umstellung auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen hat die Stadt Heidelberg auch Arbeitsabläufe für eine sachgerechte und objektiv überprüfbare Bewertung des städtischen Vermögens entwickelt.

Neu bewertet wurde etwa die Alte Brücke in Heidelberg. Bereits seit dem Jahr 1993 begleitet die Stadt Heidelberg den Reformprozess in Baden-Württemberg zu einem neuen Haushaltsrecht intensiv und hat schon damals mit einer Neubewertung ihres Vermögens begonnen. Seit Mitte der 1970er-Jahre wurde das Vermögen in einer im badischen Landesteil üblichen Vollvermögensrechnung nachgewiesen, bei der das gesamte kommunale Vermögen zu erfassen war. Parallel zu diesen Entwicklungen wurde ab dem Jahr 2000 der kameralistische Haushalt der Stadt Heidelberg um einen produkt­orientierten Haushaltsplan ergänzt. Zur Darstellung des Ressourcenverbrauchs waren flächendeckend Abschreibungen ausgewiesen, auch wenn diese nach kameralistischer Systematik im Rahmen des Jahresabschlusses wieder neutralisiert wurden.
Heidelberg war also gut aufgestellt für den nächsten Schritt: Nach einer verwaltungsinternen Entscheidung im Dezember 2005 wurde das gesamte Rechnungswesen der Stadt innerhalb eines Jahres in Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister Kommunale Informationsverarbeitung Baden-Franken (KIVBF) und mit weiteren Pilot­anwendern auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) umgestellt. Produktivstart war der 1. Januar 2007.

Nicht von der Substanz leben

Der erste vorgelegte Doppelhaushalt 2007/2008 nach NKHR zeigte auf, welche Anstrengungen notwendig sein werden, um den Ergebnishaushalt auszugleichen und alle Abschreibungen zu erwirtschaften. Der Haushalt 2007 schloss mit einem Überschuss von 0,9 Millionen Euro ab, der Plan für 2008 mit einem Fehlbetrag von 5,8 Millionen Euro. Gemeinderat und Verwaltungsspitze waren sich einig, nicht von der Substanz und auf Kosten künftiger Generationen leben zu wollen. Auftrag war also die sachgerechte Bewertung des Vermögens mit entsprechenden erwirtschafteten Abschreibungen und nachfolgender Liquidität.
Wegen des schnellen Umstiegs enthielt die dem Gemeinderat Mitte 2008 vorgelegte Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 2007 verschiedene Positionen mit Werten aus der Vollvermögensrechnung sowie Buchwerten aus den Jahresrechnungen, die in Absprache mit dem Rechnungsprüfungsamt während des gesetzlich vorgesehenen Berichtigungszeitraums einer Neubewertung unterzogen werden mussten. Dies war aus verschiedenen Gründen geboten, auch weil die Unterscheidung zwischen Instandhaltungsaufwand und Investitionsausgabe aus kameralistischer Sicht anders zu treffen war als in der Doppik.

Bewertung nach objektiven Kriterien

Die in Baden-Württemberg sehr kurz gefassten Vereinfachungs­regeln zur Bewertung von Altvermögen nach Erfahrungs- oder örtlichen Durchschnittswerten – sofern die tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden können – machten die Neubewertung nicht leichter. Auch Erfahrungs- oder Durchschnittswerte müssen nach objektiven Kriterien herleitbar und damit prüfungssicher sein. Es war also jeweils der für Heidelberg richtige Wert zu finden. Unter dem Stichwort Flächen- und Mengenbilanz musste außerdem ein Abgleich mit anderen Informationsquellen vorgenommen werden, so zum Beispiel der Vergleich der bilanzierten Straßenfläche mit der Fläche im Geografischen Informationssystem (GIS). Damit wird sichergestellt, dass alle Vermögensgegenstände und Veränderungen erfasst werden. Ziel war dabei nicht lediglich eine reine Neubewertung des Vermögens oder ein einmaliger Abgleich verschiedener Informationsquellen. Vielmehr sollten Arbeitsabläufe entwickelt und aufgebaut werden, mit denen Fortschreibungen auch in Zukunft system- und rechtskonform erfolgen können. Auf den Prüfstand kam auch die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer. Vielfach wurden bislang unkritisch Werte aus dem Steuerrecht übernommen. Im kommunalen Bereich sind diese Zeiträume jedoch deutlich zu kurz gefasst und im Hoheitsbereich durch realistische Werte zu ersetzen.

Beispiel Straßenbaumaßnahmen

Beinahe zwei Jahre lang hat sich eine stadtinterne Arbeitsgruppe mit der Neubewertung der Heidelberger Straßen beschäftigt. Für die Eröffnungsbilanz wurden Buchwerte aus den Jahresrechnungen – vermindert um Abschreibungen – in der Anlagenbuchhaltung erfasst. Bei Straßenbaumaßnahmen handelt es sich, abgesehen von Neubauten, fast ausschließlich um den Ausbau von Teilabschnitten und nicht um Maßnahmen, welche die gesamte Straße betreffen. Infolgedessen hätte sich mit der Zeit in der Anlagenbuchhaltung eine Unmenge von Datensätzen zu einzelnen Straßenabschnitten angesammelt, die nur mit erheblichem Aufwand hätte gepflegt und fortgeschrieben werden können. Da sich alle Aktivitäten, von der Planung über die Durchführung einer Straßenbaumaßnahme bis hin zur Aktivierung in der Anlagenbuchhaltung, sowie die geforderte Flächenbilanz auf Veränderungen im Geo-Informationssystem zurückführen lassen, hat die Stadt Heidelberg entschieden, die Anlagenbuchhaltung für das Straßenvermögen in einem eigenen Modul zu führen, welches auf das GIS aufsetzt. Während für die Bewertung des Straßenvermögens ein in der Praxis bewährtes IT-Verfahren eingesetzt wurde, musste für die Berechnung der Abschreibungen ein neues Verfahren entwickelt werden. Vereinfacht gesagt, führt eine Straßenbaumaßnahme zu einer Fortschreibung im GIS, an das die Informationen der Anlagenbuchhaltung geknüpft sind, welche dann entsprechend fortgeschrieben werden. Der so ermittelte Gesamtwert der Zu- und Abgänge sowie der Abschreibungen wird dann in den Jahresabschluss übernommen.

NKHR bietet Vorteile und Chancen

Der Gemeinderat der Stadt Heidelberg hat die geprüfte Eröffnungsbilanz mit allen Fortschreibungen Ende 2011 formal festgestellt. Wie bei den einzelnen Jahresabschlüssen wurde auch hier klar, dass der Fokus von Gemeinderat und Verwaltungsspitze derzeit mehr auf die Höhe der Abschreibungen und den Ausgleich des Ergebnishaushaltes gerichtet ist als auf Einzelpositionen der Bilanz oder Bilanzkennzahlen. Dies ist auch der relativ stabilen Haushaltslage baden-württembergischer Gemeinden zuzuschreiben. Insgesamt betrachtet war die Umstellungsphase für alle Beteiligten eine sehr spannende Zeit. Der Aufbau und Einsatz eines neuen EDV-Verfahrens waren – wie bei allen Pilotanwendungen – eine große Herausforderung. Da diese Phase der Erprobung des neuen Haushaltsrechts diente, konnten wertvolle Hinweise zu dessen Fortschreibung gewonnenen werden. Indem die gesamte Stadtverwaltung im Sinne einer lernenden Verwaltung von Anfang an in den Umstellungsprozess einbezogen wurde, entstand relativ schnell ein Gefühl für die Chancen, die das neue Haushalts- und Rechnungswesen bietet. Auch kleinere Gemeinden werden die Vorteile schnell zu schätzen lernen.

Kein Wahlrecht

Die in Baden-Württemberg laut gewordene Forderung nach einem Wahlrecht zwischen alter Kameralistik und neuer Doppik sollte zugunsten einer vorgezogenen Evaluation des geltenden doppischen Haushaltsrechts aufgegeben werden. Auf Dauer kann es sich niemand leisten, unterschiedlich ausgeprägte EDV-Verfahren vorzuhalten und deren Abschlüsse zu prüfen. Zweifellos negativ ist die verschiedenartige Ausprägung des neuen Haushalts- und Rechnungswesens in den einzelnen Bundesländern. So erschwert das unterschiedliche Rechnungswesen etwa in der Metropolregion Rhein-Neckar, die Teile von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz umfasst, den interkommunalen Vergleich, aber auch eine bundeslandübergreifende Ausbildung.

Markus Münkel ist bei der Stadt Heidelberg Leiter der Abteilung Vermögen, Finanzierungen, Buchhaltung und Projektleiter NKHR-Umstellung.


Stichwörter: Finanzwesen, Heidelberg

Bildquelle: Heidelberg Marketing GmbH

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