[1.3.2012] Der Einsatz professioneller Wissensdatenbanken in kommunalen Call Centern erlaubt Bürgerservice auf bislang nicht gekanntem Niveau. Aber auch die Service-Center-Mitarbeiter profitieren: vom positiven Feedback der Bürger.
Auch im Internet-Zeitalter greifen die Bürger am liebsten zum Telefon, wenn es um die Kommunikation mit der Stadtverwaltung geht. Der Telefonservice wird von den Kommunen allerdings sehr unterschiedlich gehandhabt – von der einfachen Telefonvermittlung einer Gemeinde im ländlichen Raum bis hin zum professionellen Call Center mit etablierten wissensintensiven Prozessen und klar geregelten Zuständigkeiten beziehungsweise Schnittstellen. Die Idee, durch die Einführung eines Front Office eine bessere Erreichbarkeit sicherzustellen und die Fachbereiche von einfachen Anfragen zu entlasten, überzeugt immer mehr Kommunen davon, ein Service-Center aufzubauen – zumal mit der einheitlichen Behördenrufnummer 115 eine praxiserprobte Grundlage gegeben ist.
Das Back Office verknüpft im Idealfall die Leistungen mehrerer Fachämter und nimmt so eine wichtige Mittlerrolle zwischen diesen und den Call Center Agents ein. Sie bearbeiten aufwändigere Anfragen, und falls ein Anliegen nicht abschließend gelöst werden kann, erhält der Bürger in der Regel zumindest einen Laufzettel. Durch die Trennung von Telefonservice und Sachbearbeitung werden die vorhandenen Ressourcen bestmöglich eingesetzt.
Neues Niveau durch professionelle Datenbanken
Um bereits im Front Office über 90 Prozent der Bürgerfragen fallabschließend und dokumentiert bearbeiten zu können, setzen kommunale Call Center zunehmend auf professionelle Wissensdatenbanken – und das nicht nur, wenn die Antwort nicht gleich bekannt ist. Fragt ein Anrufer beispielsweise, ob die Gewerbeanmeldung immer noch im Rathaus vorzunehmen ist, kann der erfahrene Agent sofort antworten. Wenn er jedoch zudem noch einfach und schnell auf das entsprechende Lösungsdokument zugreifen kann, wird ein völlig neues Qualitätsniveau erreicht: Brauchen Sie die Adresse? Wenn Sie mir Ihren Nachnamen nennen, kann ich Ihnen den zuständigen Ansprechpartner nennen. Das sind Kleinigkeiten, die aber Mehrwert bieten. Und die Spaß machen. Denn die Call-Center-Beschäftigten arbeiten professionell, können in aller Regel umfassend helfen und erhalten ein ausgezeichnetes Feedback von ihren Kunden – den Bürgern. Dankesschreiben für ihren Service zieren beispielsweise die Wände des Kölner Call Centers. Das motiviert.
Kommt eine Wissensdatenbank zum Einsatz, kann der Front-Office-Mitarbeiter die an ihn gerichtete Frage in das System eingeben – gegebenenfalls auch umgangssprachlich. Das System sucht daraufhin in den Web-Seiten, in der eigenen Wissensdatenbank und in den 115-Dokumenten. In der Ergebnisliste wird das oberste Dokument angeklickt, das die Leitung des Service-Centers möglicherweise kommentiert hat. Ein Beispiel hierfür sind die Angaben zur Nutzungsmöglichkeit von vorläufigen Reisepässen. Die Front-Office-Mitarbeiter sollen bei ihrer Antwort immer dazu sagen, dass nur das Außenministerium eine abschließende und sichere Auskunft geben kann. Zum Abschluss des Vorgangs meldet der Service-Center-Mitarbeiter dem System, welches Dokument er für die Beauskunftung verwendet hat. Über selbstlernende Mechanismen erkennt die Software besonders hilfreiche Dokumente und zeigt diese beim nächsten Mal gesondert an.
Feedback und Interaktion
Das erfolgreiche Arbeiten mit Wissensdatenbanken lebt von der Interaktion. Über Feedback-Funktionen werden Lösungsdokumente bewertet, klassifiziert und in eine Statistik eingefügt, die auch transparent macht, wie viele Anfragen den jeweiligen Themenbereichen und Fachämtern zuzuordnen sind, beispielsweise dem Meldewesen. Dies kann auch die Basis für eine verursachergerechte Verrechnung der Services sein. Des Weiteren ist ein funktionierender Dokumentationsprozess entscheidend dafür, dass aktuelles Lösungswissen in gut strukturierter Form verfügbar und im Rahmen eines Telefonates rasch auffindbar ist. In manchen Call Centern arbeiten die Redakteure auch an der Service-Front. So können sie Dokumente aus der Perspektive der Agents schreiben. Bewährt hat sich beispielsweise, die wichtigsten Inhalte oben zu positionieren und gleiche Inhalte wie Öffnungszeiten oder Gebühren immer gleich zu platzieren.
Mehrere tausend Wissenseinträge
Kommunale Service-Center in Berlin, Karlsruhe, Leipzig und anderen Städten sind aufgrund ihres hohen Reifegrades im Bereich Wissensmanagement optimal gerüstet für das Projekt D115. Derzeit erhalten rund 18 Millionen Bürger über die einheitliche Behördenrufnummer Auskunft zu etwa 100 kommunalen Leistungen. Für Auskünfte, welche die Bundes- und Landesebene betreffen, werden aktuell jeweils 25 Leistungen zur sofortigen Beantwortung vorgehalten. Da für ein Leistungsobjekt wie zum Beispiel Führerschein unterschiedliche Szenarien nachgefragt werden, wie beantragen, verloren oder umschreiben, gibt es momentan mehrere tausend Wissenseinträge. Die Inhalte dieses Leistungskataloges werden für den Wissenszugriff als XML-Bericht oder als semantische Auszeichnung von Internet-Seiten bereitgestellt. Ergänzt werden die Daten durch Kataloge, die innerhalb des D115-Verbundes standardisierte Strukturinformationen enthalten. Die D115-Suchapplikation greift auf diese zentralen Informationen zu, wobei die Treffer wahlweise im HTML- oder XML-Format angezeigt werden. Auf diese Weise können alle D115-Service-Center Auskünfte innerhalb der Top-Leistungen auch für jede andere teilnehmende Verwaltung abschließend beantworten. Ab 2013 soll die einheitliche Behördenrufnummer dann bundesweit gelten.
Dr. Thomas Gerick ist Leiter Unternehmenskommunikation bei der USU AG, Möglingen.
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